Die Kraft ist bis heute geblieben

Vor 100 Jahren hat Ludwig Thoma seine "Heilige Nacht" geschrieben – Am Sonntag gibt es sie live in Schrobenhausen

27.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:29 Uhr

Schrobenhausen / Hohenwart (SZ) Als Ludwig Thoma (1867-1921) seine Weihnachtsgeschichte, die „Heilige Nacht“, geschrieben hatte, war ihm offenbar bewusst, dass ihm etwas Großes geglückt war. „Ich liebe dieses Buch, es ließ sich mühelos herunterdichten“, schrieb der Schriftsteller seinerzeit einem Freund. 100 Jahre ist das inzwischen her. Und die „Heilige Nacht“, die die Weihnachtsgeschichte in eine verschneite Bergwelt verlagert, ist noch heute auf vielen Bühnen zu sehen.

Eine der aufwendigsten Inszenierungen bringt der Schauspieler und Moderator Enrico de Paruta (kleines Bild) seit mittlerweile 23 Jahren auf die Bühne. An diesem Sonntag wird er mit einer kammermusikalischen Fassung in Schrobenhausen bei Regens Wagner zu Gast sein, am 21. Dezember spielt er die große Version in Ingolstadt auf Einladung des DONAUKURIER – beide Aufführungen sind längst ausverkauft.

Die „Heilige Nacht“, sie hat ihren Reiz, ihre Kraft, für viele Menschen bis heute bewahrt. Das mag auch daran liegen, dass dieses Stück so untypisch war für Thoma. Er schrieb es in düsteren Tagen, er war krank aus dem Krieg heimgekehrt, seine Frau war auf und davon, seine neue Lebensgefährtin wurde von ihrem Mann nicht freigegeben. „Dass Thoma, der Satiriker, der Hetzer und Ketzer, in dieser Phase seines Lebens auf diese Weise von der Liebe erzählt, um ihn herum war alles zerbrochen – das bedeutet: Er musste sich etwas vom Herzen schreiben“, sagt de Paruta.

Thomas Weihnachtsgeschichte hat de Paruta während seines nahezu gesamten beruflichen Lebens begleitet. 1975 las er die „Heilige Nacht“ zum ersten Mal, da war er gerade 21 Jahre alt. 1986 kam es zu einer Begegnung mit dem späteren Bundespräsidenten Roman Herzog, einem großen Thoma-Kenner mit Zugang zum Originalarchiv. „Er gab mir eine Fassung mit 17 erklärenden Seiten“, erinnert sich de Paruta, „er hatte das Stück pädagogisch ausgeweitet, eine unglaublich tolle Idee.“ Daraus entstand nicht nur eine Fernsehsendung speziell für Kinder, sondern später auch eine Bühnenfassung, mit Szenen, mit Musik. Im 23. Jahr ist er damit mittlerweile auf Tournee.

Thomas Stück ist ihm dabei nahe geblieben, seine Figuren sind es auch. Für den Schauspieler Enrico de Paruta ist natürlich die Rolle der Maria immer wieder eine Herausforderung, die Not der schwangeren Frau zu vermitteln, dabei nie ins Kitschige abzugleiten. Auf eine Figur angesprochen, die ihm über die Jahre besonders ans Herz gewachsen ist, fällt ihm der Hansei ein, ein hilfsbereiter Kerl, der nicht wegschaut, als er die Bedürftigkeit sieht, der Maria auf ihrem Weg begleitet, ihr selbstlos hilft, und dem Thoma dafür zum Dank in einer Traumszene einen Blick ins Himmelreich gewährt, wo der Himmelvater ihm sagt: „A so oana, der hods bei mir guad!“ Botschaften für die Weihnachtszeit, aber Thoma wäre nicht Thoma, hätte er nicht am Ende doch noch ein paar Großkopferte ein wenig derbleckt . . .

Veröffentlicht wurde die „Heilige Nacht“ übrigens erst 1917. De Paruta arbeitet mit einer handschriftlichen Abschrift aus dem Jahr 1915 – „100 Jahre Heilige Nacht“ ist also schon richtig, auch wenn es noch ein anderes, offizielles Datum gibt.