Schweitenkirchen
Söders Parolen

Heimatminister wirbt für sich als Ministerpräsident – und präsentiert sich als gewitzter Bierzeltredner

25.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:16 Uhr

Im Schatten des Heimatministers: Markus Söder weiß, wie man sich in Szene setzt - da verblassen Landrat Martin Wolf (von links), die von Söders Bierkrug weitgehend verdeckte Ex-Landtagsabgeordnete Erika Görlitz und Bürgermeister Albert Vogler doch deutlich - Foto: Paul

Schweitenkirchen (PK) Ohne Deutschland wäre Europa verloren – und ohne Bayern Deutschland ganz genauso: Das war die Kernbotschaft des Auftritts von Finanz- und Heimatminister Markus Söder (CSU) am gestrigen Pfingstmontag in Schweitenkirchen.

Söder kokettierte natürlich. Wieder. Und ohne es direkt anzusprechen. Mit dem Amt des bayerischen Ministerpräsidenten. Der Landtagsabgeordnete Karl Straub lieferte neben den üblichen Danksagungen an den Ehrengast auch die Vorlage schlechthin. Wer schon alles in Schweitenkirchen gesprochen habe – unter anderem die heutige Kanzlerin Angela Merkel – der begleite heute hohe Positionen im Staat. Darauf reagierte Söder in seiner Rede gleich zu Beginn. „Ich bedanke mich für die freundlichen Worte“, sagte er. Kunstpause. „Sie waren angemessen.“ Und Söder setzte sein Wolfslächeln auf.

Gleich darauf folgte aber die verbale Verbeugung vor den Gastgebern. „Ich bin hier ja im erfolgreichsten Landkreis der Welt.“ Und Parteifreund Straub konnte sich über ein leicht ironisch gemeintes Lob freuen. „Der sitzt zwar erst seit anderthalb Jahren im Landtag. Aber er schafft es schon, mit seinen ständigen regionalen Anliegen diverse Minister zum Schwitzen zu bringen.“ Angesichts des beifälligen Schmunzelns im Saal fuhr Söder fort. Und diesmal ganz ohne Ironie: „Pfaffenhofen ist der derzeit erfolgreichste Landkreis Bayerns, aber Bayern eben auch das erfolgreichste Land der Welt.“

Mit diesem Dreisatz war die weitere Richtung der etwa 30-minütigen Rede vorgegeben: „Deutschland geht es gut, weil es Bayern gut geht. Wir sind der Stabilitätsanker in Europa.“ Doch dieser Erfolg müsse eben auch durch konsequente Entscheidungen verteidigt werden. Und es folgte eine unterhaltsame, aber keinesfalls flache Erörterung der aktuellen politischen Großwetterlage aus Sicht des Freistaats.

Punkt eins: die Geldstabilität. Hier bekamen die Griechen ihr Fett weg. „Es ist absurd zu glauben, dass man Schulden tilgt, indem man Schulden teilt. Nein, für seine Schulden muss jeder selbst aufkommen“, forderte der Minister. Rund 240 Milliarden Euro hätten die anderen europäischen Länder bereits für Griechenland bereitgestellt. Aber die würden Reformen verschleppen anstatt zu sparen. „Sicher, ich hätte auch gern kostenlosen Strom für unsere Menschen.“ Aber wenn man sich das nicht leisten könne, ginge es eben nicht.

Und auch das Verhalten der Hellenen gegenüber ihren Förderern, besonders den Deutschen, sei unangemessen: „Wenn jemand Geld will, muss er sich anders benehmen.“ Reparationsforderungen aus dem Zweiten Weltkrieg mit den derzeitigen Verbindlichkeiten zu verknüpfen, sei unseriös. Deshalb habe die Kanzlerin auch Recht mit ihrem Satz, dass, wenn der Euro scheitert, Europa scheitere. „Aber der Euro scheitert nicht am Austritt eines gescheiterten Mitglieds“, rief Söder. „Er scheitert, wenn wir unsere Stabilitätsprinzipien aufgeben und Europa eine Schuldenunion wird.“

Nicht nur in Athen sitzen aus Sicht des Finanzministers Schuldenmacher – sondern auch in Düsseldorf. „Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen macht pro Sekunde 66 Euro neue Schulden. Bayern baut im Gegenzug pro Sekunde 15 Euro Verbindlichkeiten ab.“ Deshalb sei, so sieht es der CSU-Politiker, der Länderfinanzausgleich in seiner jetzigen Form nicht länger hinnehmbar. „Bayern hat in 40 Jahren insgesamt umgerechnet 3,5 Milliarden Euro bezogen. Aber inzwischen haben wir 45 Milliarden Euro an die anderen überwiesen.“

Die allgemeinen politischen Erörterungen verband Söder, ganz Unterhaltungstalent, immer wieder mit humorvollen Offenbarungen: „Ich habe vier Kinder – mein persönlicher Beitrag zum demografischen Wandel.“ Oder zum Thema Kalte Progression, wodurch Lohnerhöhungen durch den wachsenden Steuertarif weitgehend aufgefressen werden: „Wenn die Stürmer des FC Bayern ein Tor schießen, bekommen sie zur Belohnung eine Prämie. Gut, mein Verein, der 1. FC Nürnberg, hat das in dieser Saison aufgegeben – aber das Prinzip ist grundsätzlich richtig.“

Auch auf die Flüchtlingsproblematik ging der Minister ein. „Wir haben geholfen, als Menschen in Not waren.“ Aber inzwischen drehe sich die Stimmung. Zum einen komme der Großteil der Asylbewerber aus dem Westbalkan. „Von denen werden aber mehr als 99 Prozent abgelehnt.“ Und am Mittelmeer würden Flüchtlinge inzwischen bewusst in seeuntüchtige Boote steigen – im Vertrauen darauf, dass sie schon irgendwie gerettet würden. Auch hier gelte: „Wir Europäer dürfen uns von diesen Schleppern nicht erpressen lassen.“

Mit den folgenden Zahlen ging Söder dann ein großes Risiko ein – wohl wissend, dass die Opposition jede Kostenaufrechnung im Zusammenhang mit Asylbewerbern wutentbrannt als Populismus geißeln wird. „Wir geben in diesem Jahr 2,5 Milliarden Euro für Flüchtlinge aus – mehr, als der Etat des Umwelt- und des Wirtschaftsministeriums umfasst. Davon könnten wir beispielsweise 40 000 neue Polizisten einstellen. Oder 300 000 neue Studienplätze schaffen.“ Und er könne es, so Söder, auch nicht mehr hören, dass kein Geld da sei, um neue Planstellen zu schaffen, die Asylanträge schneller prüfen. „Für zusätzliche Zöllner, die Mittelständler gängeln, dass sie den Mindestlohn zahlen, war auch genügend Geld da.“

Der abschließende Beifall in der voll besetzten Halle war dem Ministerpräsidenten in spé dann zwar sicher – aber Söder kurz darauf schon wieder verschwunden. Das wichtigste Amt im Freistaat will sich an Feiertagen schließlich auch noch in anderen Festzelten erkämpft werden. Und Konkurrentin Ilse Aigner war am Pfingstsonntag ja auch nicht nur spazieren.