Reichertshofen
Gift ermittelt – der Täter nicht

26.08.2011 | Stand 03.12.2020, 2:28 Uhr

Unscheinbar aber hochgiftig: So sah der vermutlich für Hunde ausgelegte Giftköder aus, als ihn Passanten Anfang dieses Jahres im Gemeindegebiet Reichertshofen entdeckten. Heute ist klar, dass es sich um das hochgiftige Carbofuran handelte, das in Blutwürsten versteckt und entlang von Spazierwegen ausgelegt wurde - Foto: Raths

Reichertshofen (DK) Mehrere Hunde waren im Februar im Reichertshofener Ortsteil Agelsberg vergiftet worden, zwei starben qualvoll. Das Bayerische Landeskriminalamt hat nach Abschluss der Laboruntersuchungen das hoch giftige Carbofuran als Ursache ermittelt.

Vom Polizeipräsidium Oberbayern Nord in Ingolstadt wird nach bisher erfolgloser Fahndung demnächst die Akte mit dem Vermerk „Ermittlung gegen Unbekannt“ an die Staatsanwaltschaft Ingolstadt geleitet. „Bis heute sind der Polizei keine neuen Erkenntnisse bekannt geworden, die auf den oder die Täter einen brauchbaren Hinweis liefern“, erklärt Ulrich Pöpsel, Pressesprecher des Präsidiums. Der Besitz von Carbofuran, das früher vornehmlich in der Landwirtschaft als Insektizid eingesetzt worden war, sei zwar nicht verboten, jedoch werde aber seit Langem nicht mehr damit gehandelt, erklärte der Polizeisprecher.

Claudia Schuller vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit bestätigt, dass „im Jahr 2007 Carbofuran nicht mehr in die Liste der in der EU zugelassenen Pflanzenschutzmittel aufgenommen wurde.“ Dies habe zur Folge, dass es auch in Deutschland nicht mehr benutzt werden dürfe.

Wie der Leitende Oberstaatsanwalt Helmut Walter von der Staatsanwaltschaft Ingolstadt erklärte, würde nach dem Erhalt der Akte „weiter nach neuen Ansätze gesucht, um gegebenenfalls erneut zu ermitteln.“ Fände man keine weiterführenden Aspekte zu diesem Fall, müssten die Ermittlungen dann zwangsläufig eingestellt werden.

Trotz umfangreicher Nachforschungen, unter anderem waren auch Hundeführer der Polizei daran beteiligt, ist es bislang nicht gelungen, eine heiße Täterspur aufzunehmen. Carbofuran – wie auch alle anderen Stoffe aus der Gruppe der Phosphorsäureester – hat, oral aufgenommen, eine stark giftige Wirkung auf den menschlichen und tierischen Organismus. Diese Substanzen sind aus diesem Grunde auch schon häufig als Mord- oder Selbstmordmittel eingesetzt worden. Ursache von Vergiftungen ist jedoch oftmals der unvorsichtige oder nachlässige Umgang oder die falsche Aufbewahrung dieser Gifte. Alle Phosphorsäureester verursachen eine konstante innere Vergiftung mit Acetylcholin. Schwere Schädigungen, die auf Herz und Kreislauf, Lungen, Leber, Nieren und das zentrale Nervensystem wirken, sind die Folge.

Um eine Vergiftung zu verhindern oder um sie besser schnell erkennen zu können, wird vielen Phosphorsäureestern in den Handelsformen eine blauer Farbzusatz beigemengt. Auch die von Passanten bei Agelsberg im Wald aufgefundenen Giftköder hatten diese markante Einfärbung.

Acetylcholin wirkt sich gravierend auf das Nervensystem aus. Betroffen davon war auch der Zwergschnauzer-Mischling von Martin Schulze aus Agelsberg. Der kleine Hund wies nach seiner damaligen Vergiftung typische Ausfallerscheinungen nach der Einnahme des Giftstoffes über einen Köder auf: verstärkter Tränen- und Speichelflusses, erschwerte Atmung und Muskelkrämpfe. Es folgen dann in der Regel Koliken, Übelkeit, Durchfälle und Erbrechen, die ebenfalls von einigen der betroffenen Hundefreunden mit Entsetzen gegenüber Tierärzten und der Polizei beschrieben worden waren.

Der Blutdruck fällt ab und schließlich droht eine in der Regel zum Tode führende Atemlähmung. Der Reichertshofener Tierarzt Franz Gumpinger, der einige der vergiftete Hunde behandelt hatte, vermutete bereits nach den ersten vorgestellten Fällen in seiner Praxis eine Vergiftung mit einem Insektizid.

Die Vergiftungsfälle, alle von Februar bis März dieses Jahres aufgetreten, erregten bayernweit die Gemüter vieler Tierfreunde. Spekulationen, wonach es sich auch um Rattengift handeln könnte, das die Hunde geschluckt hätten, kursierten ebenso wie der Verdacht auf Mäusegift.