Reichertshausen
Der "echte" Nikolaus geht in Rente

40 Jahre hat sich Peter Waidosch als Heiliger mitten unter Kindern immer am wohlsten gefühlt

05.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:57 Uhr

"Der wirkliche, echte, gute Nikolaus": Peter Waidosch aus Reichertshausen hat den Heiligen 40 Jahre lang gemimt - aus gesundheitlichen Gründen muss er seine Leidenschaft jetzt aufgeben. - Foto: privat

Reichertshausen (PK) Einmal beim Wirt in Langwaid, da hat die kleine Vroni ganz lang hingeschaut, als der Nikolaus neben ihr Platz nahm. Peter Waidosch atmete durch. Vroni ging in die erste Klasse. "Sie hat gewittert, dass gemogelt wird, wenn der Nikolaus kommt", erinnert sich Waidosch. Ganz getraut hat sich die Kleine nicht. Darum ließ sie über ihre Mama fragen, ob sie mal am weißen Bart ziehen dürfe. Vroni zog mit aller Kraft. Der Bart blieb dran. Da erzählte sie dem Nikolaus im Vertrauen: "Heut' in der Schule, da hat sich ein Betrüger mit einem falschen Bart als Du ausgegeben. Aber wir hier, wir haben den echten Nikolaus!" Für Vroni war der Abend gerettet - für Waidosch auch.

Fast 40 Jahre hat der heute 67-jährige Reichertshausener den Heiligen Mann verkörpert. Wer ihm "zivil" gegenübersitzt, kann es sich schon gut vorstellen. Aber verkleidet traut man seinen Augen kaum. Der Nikolaus: mit dem Stab in der Hand, der Mitra auf dem Haupt, eingehüllt in einen roten Mantel, die Beine mit einem Leintuch umhüllt und in abgewetzten Stiefeln. Haare, Vollbart und Augenbrauen mit Theaterschminke schneeweiß getrimmt - und mit einem Blick, der gütiger nicht sein könnte.

"Am liebsten war ich mitten unter den Kindern", erinnert sich Waidosch. Ihre leuchtenden Augen. Die Freude, wenn er ein Geschenk überreichte. Die Erleichterung, wenn sie nach strengen Worten doch noch gelobt wurden. "Einmal, da haben sie mich auf eine Bühne gesetzt", fügt er an. Weit weg von den Kindern. Gar nicht sein Ding. Waidosch hatte viel mehr Freude daran, die Kleinen im Kindergarten oder auf Vereinsfesten zu besuchen, wo sie rings um ihn herum sitzen durften. "Das war schön."

Die Geschichte von Peter Waidosch als Nikolausdarsteller geht zurück ins Jahr 1977. Das Herz des Maurermeisters hat nicht nur seiner Familie und seinen beiden Kindern gehört, sondern auch den Vereinen. Bei der Ilmtaler Schnupfergilde hatte er seinen ersten Auftritt. In Gurnöbach trat er damals notdürftig kostümiert auf, im Bademantel, den Bart mit einem Gummiband fixiert. Mit der Mitra blieb er am Türstock hängen. "Da haben alle gelacht. Das passiert jedem Nikolaus mal. Aber mir nur dieses eine Mal", berichtet er. Das Debüt verlief eher mäßig. Aber Spaß hat es dem damals 27-Jährigen trotzdem bereitet. Also arbeitete er an sich. Hübschere Kostüme, eine neue Mitra, ein kräftiger Stab. "Am schwersten ist das Verserl schreiben. Aber auch das lernt man mit der Zeit", meint er.

Drei dicke Ordner liegen auf dem Tisch. Voller Geschichten und Versvorlagen, voller Lieder und Gedichte. Das bekannte "Drauß' vom Walde komm ich her" war immer sein Lieblingsvers. Weil Hedwig Storm, die Enkeltochter von Theodor Storm, vor einem Jahrhundert den Reichertshausener Baron geheiratet hat. "Irgendwie war das für mich der Bezug zu meiner Heimat."

Der Auftritt bei der Schnupfergilde war nur der Anfang. Sportklub, Schützenverein, Feuerwehr, Kindergarten - alle wollten Waidosch. Hinzu kamen private Auftritte. Übrigens immer allein. Nie mit einem Krampus. "Ich wollte immer ein guter Nikolaus sein. Keine Angst verbreiten." Nur einmal musste er unverrichteter Dinge wieder aufbrechen. Ein Mädchen hatte zu viel Angst. Aber sonst war Waidosch immer gern gesehen. Und offenbar auch überzeugend. Als ihn mal ein Bub fragte, was der Unterschied zwischen ihm und dem Weihnachtsmann sei, antwortete eine Siebenjährige für ihn im Brustton der Überzeugung. "Mann, der Nikolaus, der kommt vom Himmel - und der Weihnachtsmann nur von Coca Cola!" Alles gesagt.

Nach vier Jahrzehnten als Heiliger Mann hängt Waidosch heuer seinen Mantel an den Nagel. Notgedrungen. "Die Gesundheit spielt nicht mehr mit. Die Ohren, der Körper, es geht nicht mehr", sagt er mit Wehmut in der Stimme. Seinen Nachfolgern gibt er Tipps. Die Liebe zum Detail sei wichtig. "Ein Gummiband, das am Bart zu erkennen ist, zerstört alles", meint er. Nur ein "echter" Nikolaus könne den Kindern die Illusion erhalten. Den Ausschlag geben oft nur Kleinigkeiten. "Bairisch reden", rät Waidosch. Eine Mitra tragen, nur ja keinen Hut. Und alte Stiefel, die sind wichtig. "Ich habe immer meine Maurerstiefel genommen - nur etwas den Mörtel runtergekratzt", erzählt er. Einmal, da hätten Oliver und Felix eine halbe Stunde nur auf seine Stiefel geguckt. Danach kamen sie zu ihm. Gestern, da sei ein Nikolaus gekommen, der Turnschuhe anhatte. Turnschuhe! "Der kann ja nicht echt sein", meinten die Erstklässler. Und dass sie froh sind, dass heute der echte Nikolaus da ist. Waidosch wurde warm ums Herz. "Sie werden mir gewaltig fehlen: Vroni, Oliver, Felix und wie sie alle heißen."