Pfaffenhofen
"Kinder sind doch keine Plage"

Siebenköpfige syrische Familie sucht verzweifelt nach einer Wohnung in Pfaffenhofen

07.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:56 Uhr

Suchen eine Wohnung in der Kreisstadt: Khalid Abou Nasser und seine Frau Fatma Shehab (Mitte) zusammen mit ihren Kindern Majd (von links), Hazar, Hamza, Islam und Mohamad Hamam. - Foto: Zurek

Pfaffenhofen (PK) Am 17. August muss Khalid Abou Nasser seine Wohnung in Pfaffenhofen räumen und soll nach Scheyern ziehen. Was für andere ein einfacher Umzug wäre, ist für den fünffachen Vater „eine Katastrophe“. Er fürchtet um das seelische Wohl seiner Kinder.

Er wolle keinen Luxus, betont der inzwischen mit seiner Familie als Flüchtling anerkannte Syrer. Die kleinste Wohnung sei recht, „wenn sie nur hier in Pfaffenhofen ist“. Denn sein siebenjähriger Sohn Hamza und die neunjährige Tochter Islam sind traumatisiert. In der Kreisstadt erhalten sie therapeutische Hilfe. Abou Nasser fürchtet, ein Wohnortwechsel würde sie gerade jetzt, wo sie anfangen, die Erlebnisse von Krieg und Flucht zu verarbeiten, zurückwerfen. „Ich habe furchtbare Angst um sie“, lässt er über eine Übersetzerin wissen und ergänzt: „Jede noch so kleine Wohnung“ sei ihm recht, wenn nur seine Kinder nicht erneut „irgendwo von vorne anfangen müssen“. Denn zumindest was Freundschaften und Schule angeht, wäre das bei einem Wechsel nach Scheyern der Fall.

Seit rund zwei Jahren lebt die Familie in Deutschland. Hier in der Stadt seien sie inzwischen relativ unabhängig, ergänzt Fatma Shehab, die Mutter. Sie sei so lange „Opfer gewesen, ich wünsche mir so sehr ein selbstständiges Dasein“, sagt sie und denkt dabei daran, dass sie zukünftig für Fahrdienste und dergleichen wieder auf die Hilfe freundlicher Menschen angewiesen sein wird.

Undankbar erscheinen will sie nicht. Sie sei „glücklich und dankbar“, hier vor Krieg und Terror in Sicherheit zu sein, betont sie. Die Eltern und die älteren Geschwister haben gelernt, den Alltag in der neuen Heimat zu meistern. Die 19-jährige Majd hat ihr Abitur in Bonn an einer Spezialschule nachgeholt und vertieft nun ihre Deutschkenntnisse bei einem Intensivkurs in München. „Ich möchte nämlich Jura studieren“, verrät sie. Ihr Bruder Mohamad Hamam hat mit 17 Jahren den Hauptschulabschluss geschafft und absolviert gerade ein berufsvorbereitendes Jahr. Und die kleine Hazar wiederholt mit ihren elf Jahren freiwillig die vierte Klasse. „Weil, ich will gute Noten und auf das Gymnasium“, erklärt sie. Wie ernst es ihnen allen mit der Integration ist, bestätigt Helga Foerster. Die Hettenshausenerin gibt der Familie ehrenamtlich Nachhilfe in Deutsch. Auch die Mama mache inzwischen gute Fortschritte, sagt sie. Und die „überaus wohlerzogenen Kinder“ habe sie so richtig „ins Herz geschlossen“.

Doch warum muss die Familie ihre 77 Quadratmeter große Wohnung, der man das Wirken einer peinlich auf Sauberkeit bedachten Hausfrau ansieht, verlassen? Eine Nachfrage beim Landratsamt ergibt folgenden Hintergrund: Die Familienmitglieder sind inzwischen als Flüchtlinge anerkannt. Sie beziehen damit keine Gelder nach dem Asylbewerberleistungsgesetz mehr, sondern werden vom Jobcenter betreut. Das heißt in der für Asylbewerber vom Landkreis angemieteten Wohnung gelten sie als sogenannte „Fehlbeleger“. Und sind deshalb angehalten, auf dem freien Markt nach einer Wohnung zu suchen. Was der Vater auch tut. Seit Monaten ohne Erfolg. Sobald er seine fünf Kinder erwähnt habe, sei die Absage erfolgt, was ihn irritiert: „Kinder sind doch ein Segen und keine Plage“.

Was den konkreten Einzelfall zusätzlich kompliziert: Der Mietvertrag für die bisherige Wohnung war zeitlich befristet. Eigentlich wollte das Landratsamt diesen gerne verlängern. Doch die Vermieterin wollte nach PK-Informationen zukünftig eine astronomische, den gängigen Preisen am Ort absolut nicht entsprechende Miete. „Uns war unter den gegebenen Voraussetzungen eine Verlängerung unmöglich“, erklärt Alice Köstler-Hösl vom Landratsamt. Das kleine Apartment steht dem Landratsamt also zukünftig überhaupt nicht mehr zur Verfügung. Man habe Verständnis für die Nöte der Familie, sagt Köstler-Hösl. So lange irgend möglich hat man von einer Räumung abgesehen. Zudem hat das Sozialamt zugestimmt, eine vergleichbare Wohnung in Scheyern, die als Alternative für die jetzige dienen könnte, noch bis Mitte August für die Abou Nassers frei zu halten. Es geht um 75 Quadratmeter im Obergeschoss eines Zweifamilienhauses, „in dem bereits eine weitere syrische Familie wohnt“, wie Köstler-Hösl wissen lässt. „Keine ideale Lösung“, räumt sie ein. Aber dank der relativen Nähe zur Kreisstadt und der sozialen Anbindung an Menschen aus dem gleichen Kulturkreis angesichts der derzeit „sehr schwierigen Unterbringungssituation“ die bisher einzige Option.

Es sei denn in den nächsten Tagen fände sich noch ein Vermieter in der Kreisstadt, der die Familie aufnimmt. Bis zu 860 Euro Kaltmiete würde der Staat für eine bis zu 105 Quadratmeter große Wohnung übernehmen – wie bei jedem anderen ALG II-Empfänger auch.