Pfaffenhofen
"Enteignung darf kein Tabu sein"

Pfaffenhofen will unter dem Eindruck der Katastrophe den Hochwasserschutz vorantreiben

19.06.2013 | Stand 03.12.2020, 0:00 Uhr

Pfaffenhofen (PK) Die Stadt Pfaffenhofen will Lehren aus der Flut ziehen, Häuser im Überschwemmungsgebiet verhindern und Rückhaltebecken bauen – auch wenn Grundstücksverhandlungen oft schwierig sind. Im Stadtrat wurde dazu Klartext gesprochen: Im Extremfall solle enteignet werden.

„Es wird häufiger und zu schlimmeren Hochwassern kommen – wir müssen Vorsorge treffen“, schwor Dritte Bürgermeisterin Monika Schratt (Bündnis 90/Die Grünen) den Pfaffenhofener Stadtrat ein. Das bedeute Flächen entsiegeln, Bebauung in Überschwemmungsgebieten verhindern und wenn möglich bestehende Bauten kaufen und abreißen.

„Wir sollten keine Baugebiete mehr in gefährdeten Gebieten á la Sulzbach ausweisen“, sagte auch Bürgermeister Thomas Herker (SPD). Besonders wichtig aber seien Rückhaltebecken vor der Stadt. Doch die würden mancherorts seit Jahrzehnten am Kauf der notwendigen Grundstücke scheitern. „Wir werden mit den Grundstückseigentümer aber noch einmal das Gespräch suchen und um Solidarität bitten“, sagte er etwa mit Blick auf Niederscheyern. Das ist kein neues Problem. „In den konkreten Verhandlungen wird es zach“, berichtete Altbürgermeister Hans Prechter (CSU) von seinen Erfahrungen nach dem Hochwasser 1994.

Schratt scheute bei diesem Problem keine unbequemen Positionen: „Im Sinne des Gemeinwohls müssen wir unsere Interessen durchsetzen – notfalls, indem wir Flächen tauschen oder mit Enteignung drohen.“ Auch appellierte sie an die Nachbargemeinden, gemeinsame Rückhaltebecken zu realisieren. „Es gibt Probleme, die eine Kommune alleine und egoistisch nicht lösen kann.“

Für Letzteres bekam Schratt Rückendeckung aus den Reihen der CSU, für Ersteres aus den Reihen der Bunten Koalition: „Hochwasserschutz darf nicht an der Sturheit von Grundstücksbesitzern scheitern“, sagte SPD-Stadtrat Peter Feßl. „In so einem Fall darf Enteignung kein Tabu sein.“

Als Liberaler sah FDP-Stadtrat Franz Niedermayr die Angelegenheit natürlich anders: Statt gleich die Enteignungskeule zu schwingen solle die Stadt den Grundbesitzern lieber vernünftige Preise für ihr Land bezahlen.

Doch damit wäre das Problem laut Herker nicht zu lösen: Oft wollten Eigentümer gar nicht verkaufen, weil sie ihre Flächen für Bauerwartungsland halten. Der Bürgermeister berichtete sogar von einem Fall, bei dem der Grundstückseigner im Gegenzug für Hochwasserschutz-Flächen nicht nur Geld, sondern auch grünes Licht für ein Bauvorhaben gefordert haben soll. Trotzdem machte er den Enteignungsbefürwortern wenig Hoffnung: „Die Enteignung ist ein stumpfes Schwert.“ In der Praxis sei sie schwierig umzusetzen.

So oder so waren sich die Stadträte über die Fraktionsgrenzen hinweg einig, dass man die Schutzmaßnahmen ausbauen müsse. „Wir müssen viel sensibler werden“, mahnte etwa SPD-Fraktionssprecher Markus Käser. Das betonte ähnlich auch Max Hechinger von den Freien Wählern: Nach fünf Jahren Sonnenschein dürfe nicht wieder jeder gute Vorsatz vergessen sein. „Wir müssen für den Notfall Investitionen tätigen, auch wenn es in dem Moment nicht notwendig erscheint.“ Er regte auch eine fixe Haushaltsstelle für Hochwasserschutz an.

Niedermayr als Sprecher der Fraktionsgemeinschaft von FDP und dem parteilosen Stadtrat Johann Buska fand deutliche Worte: „Hochwasserschäden sind Millionenschäden.“ Und diese Millionen solle man künftig besser vorher in die Hand nehmen, um Katastrophen zu verhindern.

Daran ließ Herker keine Zweifel: „Wir werden zweistellige Millionenbeträge verbauen“, sagte der Bürgermeister mit Blick auf die langfristigen Investitionen, die die Stadt noch über viele Jahre investieren würde.

Doch heuer geht es erst einmal mit sechsstelligen Beträgen los: Für Ersatzbeschaffungen der Einsatzkräfte, etwa neue Sandsäcke oder Tauchpumpen, wurden vom Stadtrat 55 000 Euro bewilligt, für erste Schritte einer umfassenden Sanierung des Flutkanals die ersten 150 000 von insgesamt rund 500 000 Euro. Hinzu sollen weitere Projekte kommen – von neuen Stauraumkanälen hin zu Rückhaltebecken.

Doch unmittelbar an Gerolsbach und Ilm sind der Stadt die Hände gebunden. „Die Flüsse liegen als Gewässer zweiter Ordnung in der Planungshoheit des Wasserwirtschaftsamts Ingolstadt und damit des Freistaats“, erklärte Bürgermeister Herker. Dort könne die Stadt genauso wenig aktiv werden wie auf dem Gebiet anderer Gemeinden am Oberlauf der Flüsse.

Doch auch die kleinen Hochwasserschutzprojekte, die die Kreisstadt auf eigene Faust (und eigene Rechnung) realisiert, haben ihren Sinn nicht verfehlt: „Es hat sich gezeigt, dass die vielen kleinen Maßnahmen in der Summe etwas bewirken“, sagte Prechter. Das bestätigte auch Feuerwehrkommandant Roland Seemüller: „Auch wenn es eine Katastrophe war: Wir waren besser vorbereitet als 1994.“