Pfaffenhofen
"Wir müssen die Situation meistern"

Asyl-Expertin Sabine Rieger über die nachlassende Bereitschaft im Landkreis, Flüchtlingen zu helfen

28.04.2016 | Stand 02.12.2020, 19:53 Uhr

Gelungene Integration: Im "One World Café" der evangelischen Freikirche half Zweiradmechaniker Christian Scholz Anfang des Jahres der Syrerin Mayas. In dem Café reparieren Flüchtlinge gemeinsam mit Helfern Fahrräder oder treffen sich zum Plaudern. "Nur wenn die Bürger mit den Zuwanderern in Kontakt treten, können wir die Flüchtlingskrise meistern," sagt Sabine Rieger vom Caritas-Zentrum (unten). ‹ŒArch - foto: Eibisch

Pfaffenhofen (PK) Es wird im Landkreis schwerer, neue Ehrenamtliche für die Betreuung der Flüchtlinge zu finden. Sabine Rieger (Foto), Sozialberaterin von der Fachstelle Asyl/Ehrenamtliche beim Caritas-Zentrum Pfaffenhofen, hat früher den Asylkreis Asyl des Internationalen Kulturvereins in Pfaffenhofen mit gegründet und aufgebaut.

Sie erklärt, welche Auswirkungen der Hepatitis-B-Fall in Geisenfeld auf die Helfer hatte und wie Integration im Idealfall ablaufen sollte.

 

Wo gibt es Probleme, neue Helfer im Landkreis zu finden?

Sabine Rieger: Wir haben in der Vergangenheit und auch aktuell zum Glück immer wieder neue Helfer im Landkreis gefunden. In Pfaffenhofen haben wir die Situation, dass wir zunächst viele kleinere Unterkünfte hatten und jetzt zunehmend größere mit bis zu 60 Menschen. Hier suchen wir definitiv dringend neue Helfer. Besonders da, wo viele junge Männer sind, ist es schwer, neue Ehrenamtliche zu finden.

 

Warum ist es dort schwer, neue Helfer zu finden?

Rieger: Da gibt es natürlich zunächst die Hemmschwelle, hereinzugehen, weil so viele Menschen dort sind. Allerdings ist es hier möglich, einzelne Gruppen zu bilden, sodass neue Helfer sich anschließend einfach einer bestehenden Gruppe anschließen können.

 

Bei den Wahlen in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz hat die AfD starke Ergebnisse erzielt. Liegt es auch an der Stimmung in der Bevölkerung, dass es schwerer wird, neue Asylhelfer zu finden?

Rieger: Das glaube ich eher nicht. Diejenigen, die in diese Richtung gehen, würden ohnehin nicht bei uns mithelfen. Ich glaube, es ist einfach so, dass viele, die helfen wollten, es jetzt schon tun.

 

Wie hat sich der Hepatitis-B-Fall auf die Hilfsbereitschaft ausgewirkt?

Rieger: Das hat sehr beängstigend auf die Ehrenamtlichen gewirkt. Niemand von den Helfern wusste wirklich, wie ansteckend die Krankheit ist. Laut Ärzten ist die Ansteckung ja nur über Sexualkontakte oder Blut möglich. Beim normalen Kontakt zu den Asylbewerbern beim Deutschkurs gibt es da keine Gefahr.

 

Haben da auch Helfer aufgehört?

Rieger: Ja. Manche begründeten das sogar damit, dass sie nach ihrer Tätigkeit als Asylhelfer mit Kindern in Kontakt kommen. Dieser Übertragungsweg ist allerdings wirklich vollkommen ausgeschlossen. Trotzdem gibt es jetzt eben diese Verunsicherung.

 

Einige Ehrenamtlichen haben auch erzählt, dass Sie sich vor anderen für ihre Tätigkeit rechtfertigen müssen, und zum Beispiel gefragt werden: "Warum tust du das?"

Rieger: Das stimmt, das gibt es. Ich finde es sehr traurig. Es ist nämlich so, dass ihre Aufgabe für jeden Einzelnen in Deutschland wichtig ist. Integration kann nur von beiden Seiten gelingen. Asylbewerber lernen durch den Kontakt zu uns, was in unserer Gesellschaft wichtig ist. Gleichzeitig sind die Ehrenamtlichen ein positiver Multiplikator in die Gesellschaft hinein, sie erzählen ihren Verwandten und Bekannten von den Menschen, denen sie helfen. Das sensibilisiert alle für die Schicksale der Flüchtlinge.

 

Wo müsste man die Ehrenamtlichen besser unterstützen?

Rieger: Es bräuchte an allen Ecken und Enden mehr Hauptamtliche, um die Helfer zu entlasten. Das Ehrenamt sollte eigentlich die Zeit haben, um sich um das Wesentliche zu kümmern: Das Integrative, also zum Beispiel mit den Asylbewerbern auf Feste gehen, Sport machen Deutsch sprechen. Jeder Sprachreisende weiß, wie wichtig es ist, die Sprache anwenden zu können. Das ist unbezahlbar.

 

Sollte ein Deutschkurs eigentlich von einem Ehrenamtlichen geführt werden?

Rieger: Die ideale Besetzung wäre, dass die Flüchtlinge von Hauptamtlichen unterrichtet werden - schon um die Helfer zu entlasten - und dann mit den Ehrenamtlichen üben dürfen. Allerdings machen die Asylhelfer einen wirklich guten Job.

 

Was würde passieren, wenn alle aufhören, sich zu engagieren?

Rieger: Das wäre fatal. Es ist so, dass die Leute jetzt hier sind. Wir müssen die Situation meistern und dürfen die Menschen nicht ausgrenzen, denn davon hat niemand etwas. Die Flüchtlinge wollen auch Kontakt zu uns haben. Gefährlich ist nur, wenn die Leute über Monate und Jahre alleingelassen werden. Dann wird es schwierig. Deshalb brauchen wir Deutschkurse vom ersten Tag an für alle.

Das Gespräch führte Desirée Brenner.