Pfaffenhofen
Strassers Sternstunde

MSC Pfaffenhofen feiert an diesem Samstag 90-jähriges Bestehen - Zwei Zeitzeugen erinnern sich

24.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:26 Uhr

Foto: DK

Pfaffenhofen (PK) "Hinterher habe ich noch zwei Stunden lang Autogramme geschrieben. Mir taten schon die Finger weh." Albert Strasser erinnert sich noch sehr genau an jenen 6. Mai 1973: Auf der Speedwaybahn im städtischen Stadion hatten die Teams aus Pfaffenhofen, Olching, Kempten und Krumbach am Nachmittag um Bundesliga-Punkte gekämpft.

Der Höhepunkt eines solchen Renntags war der Endlauf der sechs Tagesbesten. Sensationell zeigte hierbei der damals 24-jährige Lokalmatador seinen fünf Kontrahenten den Auspuff. "Ich hatte einen miserablen Start", sagt Strasser heute. "Einer nach dem andern war dann aber fällig - mir gelang einfach alles." Lohn für den Sieg im Tagesfinale war das Silberwappen der Stadt Pfaffenhofen, welches bis heute einen Ehrenplatz im Hause Strasser in Affalterbach innehat. "Die rund zehntausend Zuschauer drehten völlig durch - ein Wahnsinnstag", sagt der heute 68-Jährige. Es waren die goldenen Zeiten des Bahnsports und ein solcher Wahnsinnstag sollte sich weder für Albert Strasser noch für den MSC Pfaffenhofen je wiederholen.

Nun, da seit Strassers Sternstunde beinahe 44 Jahre vergangen sind, feiert der Klub an diesem Samstag seinen 90. Geburtstag. Am 25. März 1927 trafen sich 35 "hiesige Kraftrad- und Autobesitzer" im Hotel Müllerbräu, um den MSC Pfaffenhofen zu gründen. "Feierlaune kommt aber nur bedingt auf", erklärt der Vorsitzende Jürgen Konrad: "Wir haben alles verloren, was für uns von Bedeutung ist: Die Speedwaybahn." Eines der schnellsten Ovale der Welt, das war sie, die legendäre Sandpiste im städtischen Stadion. Im Zuge der Umgestaltung des Sportgeländes verschwand sie vor knapp drei Jahren für immer. Und mit ihr ein Stück Pfaffenhofener Sportgeschichte, geprägt durch einen der ältesten Vereine im Landkreis.

Auch der langjährige MSC-Vorsitzende Lorenz Lang erinnert sich gerne an über sechs Jahrzehnte Bahnsport-Geschichte in Pfaffenhofen: "Mein Vater und ich durften zusammen über ein halbes Jahrhundert lang die Geschicke dieses Klubs leiten." Eine wahnsinnig schöne Zeit sei das gewesen, betont der heutige Ehrenvorsitzende. "Es sind Freundschaften mit Fahrern, Fans und Funktionären entstanden, die weit über die Ländergrenzen hinaus gingen." In Zeiten, in denen das Wort Globalisierung noch nicht einmal im Duden stand, war das gewiss mehr als außergewöhnlich. Lang ist überzeugt: "Im Rahmen unserer Rennveranstaltungen haben wir einen Beitrag in Sachen Völkerverständigung geleistet - das sage ich ohne Übertreibung."

Dem stimmt auch Strasser voll und ganz zu. In einer "Nacht- und Nebelaktion" hatte er einmal die Einzelteile eines völlig demolierten Motorrads, in mühsamer Schweißarbeit zusammengefügt. Was passiert war: Ein Fahrer aus der damaligen UdSSR erlitt beim Pflichttraining einen fatalen Sturz. "Mein erster Gedanke war: Wir Speedwayfahrer müssen zusammenhalten. So entschloss ich mich spontan zu helfen", erinnert sich Strasser.

"Gerade die teilnehmenden Fahrer aus den damaligen Ostblockländern hatten es nicht leicht und waren somit für jede Hilfe dankbar", weiß auch Lorenz Lang. Er erinnert sich: "Einmal wurde ich unruhig, als unsere Gäste aus der Sowjetunion bis Freitagmittag noch nicht eingetroffen waren. Mein Telefonat nach Moskau war dann abenteuerlich: Mit einem Wortschatz von zehn englischen Wörtern versuchte mir jemand irgendetwas zu erklären, was ich natürlich nicht verstand. Als die Fahrer mit ihrem Betreuer dann endlich eintrafen, erzählten sie uns, dass sie über eine Woche für die rund viertausend Kilometer nach Pfaffenhofen gebraucht hätten. Wir wiederum wunderten uns, dass sie das überhaupt geschafft haben: Der Kleinbus sah fürchterlich aus, ich hätte damit nicht einmal nach Geisenfeld fahren wollen. Schließlich schenkten wir ihnen viele Kugelschreiber und reichlich Damenstrümpfe - solch eine Freude habe ich noch nie erlebt. Mit Vladimir, dem Betreuer, hatte ich danach noch viele Jahre Briefkontakt."

"Irgendwie waren wir früher Mädchen für alles", sagt Lang. Mit "wir" meint er auch seine Vorstandskollegen und die vielen ehrenamtlichen Helfer, "ohne die das alles gar nicht möglich gewesen wäre". So mussten beispielsweise auch die Rennfahrer vom Flughafen abgeholt werden. "Der fünffache schwedische Weltmeister Ove Fundin hatte einmal seinen Motor unter dem Arm, als er aus dem Flugzeug ausstieg. Die Topstars hüteten nämlich ihr Aggregat wie ihren Augapfel", erinnert sich Lang. Auch die Übernachtungen der Delegationen mussten organisiert werden. "Unsere Gäste aus Osteuropa hatten kaum Geld zur Verfügung, so blieb uns gar nichts anderes übrig, als sie im Gasthof Hoiß in Mitterscheyern unterzubringen", erklärt der langjährige Vorsitzende. "Zwölf Mark für ein Zimmer mit Dusche im Gang waren für sie gerade noch bezahlbar." Höchstpersönlich übernahm Lang bisweilen auch den Weckdienst, denn das bayerische Bier habe bei dem einen oder anderen durchaus seine Wirkung gezeigt.

Vieles musste also erledigt werden, von dem die Zuschauer kaum etwas mitbekamen. Die Vorbereitungszeit für das Junioren-Weltmeisterschaftsfinale im Sommer 1992, hätte beispielsweise ein ganzes Jahr in Anspruch genommen. "Wenn dann während der Fahrervorstellung - wie geschehen - ein Regenguss niedergeht, wird man extrem nervös", erzählt Lorenz Lang. "Noch einmal gut gegangen", hieß es damals nach der Veranstaltung: Während der Rennläufe blieb es trocken.

Die heutigen Verantwortlichen des Klubs hätten gerne wieder solche Sorgen. Oft werde ihnen die Frage gestellt, ob es denn bald eine neue Speedwaybahn geben werde. "Ich kann immer nur sagen: Wir haben diesen Traum, wieder ein Oval zu bekommen und wir arbeiten mit Hochdruck daran", erklärt Hans Postel. "Es ist schon sehr viel in diese Richtung passiert, aber das braucht einfach seine Zeit", ergänzt der Sportleiter. Zeit, die man aber beim MSC eigentlich nicht hat. So musste man für diese Saison mangels Trainingsmöglichkeit den Rennbetrieb schweren Herzens einstellen. "Eine neue Bahn zu planen ist eigentlich ein Vollzeitjob, betont Postel. Meine Vorstandskollegen und ich investieren viel von unserer Freizeit - immer mit der Ungewissheit, ob es überhaupt klappt."

Sorgen machen dem Sportleiter vor allem die hohen Kosten, die mit der Realisierung eines solchen Projekts verbunden wären: "Die Finanzierung zu stemmen, das ist unsere große Herausforderung. Wir hoffen vor allem auf die Hilfe von Unternehmen aus der Region - egal in welcher Art und Weise: Ob durch finanzielles Engagement oder durch Dienst- oder Sachleistungen: Jeder Partner, der uns unterstützen kann, ist willkommen."