Pfaffenhofen
Sie lernen um ihr Leben

37 junge Asylbewerber geben in den zwei neuen Berufsintegrationsklassen in Pfaffenhofen ihr Bestes

20.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:06 Uhr

Mit Holz arbeiten - das lernen Mulim Jamae aus Somalia (oben links) und Lamine Drame (oben rechts) aus dem Senegal zusammen mit den anderen Asylbewerbern der Integrationsklasse an der Berufsschule. Am wichtigsten ist es für die jungen Flüchtlinge jedoch, ihr Deutsch zu verbessern - Fotos: Ermert

Pfaffenhofen (PK) Für Asylbewerber eine Unterkunft zu finden, ist das eine. Mittelfristig müssen die Neuankömmlinge aber auch gefördert werden. An der Berufsschule Pfaffenhofen wurden zwei Klassen eingerichtet, in denen junge Flüchtlinge auf den Einstieg ins Arbeitsleben vorbereitet werden.

Akkurat zeichnet Lamine Drame die Linien auf einem hölzernen Würfel vor. Vorsichtig setzt er den Bleistift an und führt ihn am Lineal entlang. Lamine ist aus dem Senegal nach Europa geflohen. Derzeit wohnt der Asylbewerber in Schweitenkirchen. „Der Unterricht hier ist klasse“, sagt er, in recht gutem Deutsch übrigens. Der Senegalese ist ein freundlicher Geselle. Er strahlt über beide Ohren, wenn er erzählen darf. Die aufgeweckten Augen hinter der großen, dunklen Brille blitzen fröhlich. „Ich bin so froh, hier zu sein. Jetzt will ich auch möglichst schnell möglichst viel lernen, um eine Arbeit finden zu können.“

Lamine ist hochmotiviert. „Und so ist das mit den meisten unserer insgesamt 37 jungen Asylbewerber, die wir seit Anfang des Monats bei uns unterrichten“, sagt Berufsschulleiter Hubert Ruisinger. Für ihn sind die gerade erst gegründeten BIJ-Klassen – ausgeschrieben bedeutet das: Berufsintegrationsjahr – absolutes Neuland. „Wir lernen noch. Es ist anstrengend, aber es macht Spaß. Und letztlich ist es halt einfach wichtig: für uns und für die Asylbewerber.“

Eine junge Frau mit buntem Kopftuch blickt Lamine Drame über die Schulter. Mulim Jamae heißt sie, und kommt aus Somalia. Auch sie hat den Versuch, dem Elend in ihrer Heimat mit der Flucht nach Deutschland zu entkommen, nicht bereut. In Reichertshofen hat sie eine Bleibe gefunden. „Wir werden gut aufgenommen“, sagt sie. Ihr Deutsch ist noch sehr gebrochen. Aber mit Händen und Füßen verständigt sich die schüchterne Frau trotzdem geschickt. Das Schreinern liegt ihr nicht unbedingt. Ist ja auch kein typischer Frauenberuf. Aber im zweiten Bereich, den die Berufsschullehrer mit den Flüchtlingen konsequent vertiefen, dem Bereich Nahrung, kommt sie gut zurecht. „Wir kochen und wir lernen viel“, sagt sie. Vor allem, und das ist das Wichtigste am Berufsintegrationsjahr, die Sprache. Deutsch lernen, das ist für jeden Asylbewerber erst einmal entscheidend. Beim Versuch, dauerhaft in Deutschland bleiben zu können, sind Sprachkenntnisse das A und O. „Solange sie in dieser Klasse sind, können die jungen Leute abgeschoben oder abgelehnt werden“, räumt Ruisinger ein. Aber wenn sie es schaffen, einen Ausbildungsplatz zu ergattern, sind sie erst einmal sicher. „Das ist ihr Ziel und unser Ziel.“ Außerdem gebe es in einigen Bereichen schon bald Engpässe. Stellen können nicht mehr besetzt werden. „Da können die Asylbewerber einspringen, was für beide Seiten nur Vorteile hat.“

Mit der Bildung und der Betreuung der BIJ-Klassen hat Ruisinger speziell Hilde Lutmayr betraut. Die Klasslehrerin kümmert sich um die jungen Asylbewerber – und sie weiß über alles ganz genau Bescheid. Anfang des Jahres hat die Regierung von Oberbayern eine Offensive gestartet, die Asylbewerber, die in immer größerer Zahl im Freistaat ankommen, fortzubilden. Viele der Flüchtlinge haben eine abgeschlossene Berufsausbildung. Teilweise haben sie sogar studiert. „Wir haben IT-Fachleute in der Gruppe. Mechaniker. Gebildete junge Leute. Studenten“, berichtet Lutmayr. Sie in ihren Unterkünften einzusperren, sei der falsche Weg. „Sie können ihre Potenziale nur entfalten, wenn sie Deutsch lernen.“ Und genau dazu sind die BIJ-Klassen da, die es in Neuburg schon einige Jahre gibt – und jetzt eben auch in Pfaffenhofen. „Wir mussten sie einrichten, da war Druck da. Aber jetzt endlich auch das nötige Kleingeld“, sagt Ruisinger.

Etwa 94 000 Euro wird es in den kommenden beiden Jahren kosten, die jungen Asylbewerber – in der Regel sollten sie höchstens 21 Jahre alt sein, in Pfaffenhofen sind aber auch ausnahmsweise einige Ältere darunter – zu unterrichten. Aus dem ganzen Landkreis kommen sie in die Kreisstadt. Die nötigen Räume und einen Teil der Lehrkräfte stellt die Berufsschule bereit. Auch um das Organisatorische haben sich Ruisinger, Lutmayr und die Verwaltung der Berufsschule zu kümmern. Das Geld muss der Landkreis vorschießen. Er bekommt es dann aber im ersten Jahr vom Freistaat, im zweiten Jahr aus EU-Töpfen erstattet.

Lehrkräfte vom Beruflichen Bildungszentrum erteilen den Asylbewerbern pro Woche 15 Stunden Unterricht in Deutsch als Fremdsprache. „Diese Ausbildung haben meine Leute gar nicht. Die Hilfe ist Gold wert“, sagt Ruisinger. Hinzu kommt eine Sozialpädagogin, die den jungen Leuten bei Fragen aus dem täglichen Leben weiterhilft. „Sie haben viel zu lernen. Pünktlich sein, regelmäßig Kommen, all das ist mit der Mentalität mancher Asylbewerber gar nicht so leicht zu vereinbaren“, weiß Lutmayr. Allerdings: Für jene 37 Schüler, die gerade in Pfaffenhofen für ihr Leben und irgendwie auch um ihr Leben lernen, ist das kein Problem. „Sie sind willig, fleißig und zuverlässig“, lobt sie Ruisinger. Und irgendwie wäre er auch persönlich stolz, bald die ersten Praktika und Ausbildungsstellen an die Flüchtlinge vermitteln zu können. „Wenn das beim einen oder anderen klappt, wäre das eine tolle Bestätigung unserer Arbeit.“