Pfaffenhofen
Kein Land zum Abschieben

Präsident des International Peace Bureau berichtet bei den Freunden von Valjevo über Afghanistan

25.04.2014 | Stand 02.12.2020, 22:46 Uhr

Pfaffenhofen (PK) Afghanistan-Interessierte sind bei der jüngsten Veranstaltung der Freunde von Valjevo im überfüllten Hofbergsaal auf ihre Kosten gekommen: Reiner Braun, Geschäftsführer der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) und Präsident des International Peace Bureau, berichtete über die aktuelle Situation in dem zentralasiatischen Land. Dazu hatten afghanische Familien für die Besucher traditionelles Essen ihrer Heimat zubereitet.

Anschließend begeisterten die Brüder Nubi ihr Publikum mit afghanischer Musik.

Seit 35 Jahren, so Reiner Braun, herrscht Krieg in Afghanistan. Obwohl äußerst reich an begehrten Rohstoffen, sei es heute eines der ärmsten Länder der Erde.

Braun, der Afghanistan 2013 besucht hatte, berichtete darüber, dass kaum mehr ein Gesundheitswesen vorhanden sei. Die meisten Ärzte hätten das Land verlassen. 80 Prozent der Bevölkerung seien Analphabeten, gute Ausbildung gäbe es infolge der weitgehenden Privatisierung des Bildungswesens nur für die Reichen. In der Hauptstadt Kabul, ursprünglich für 300 000 Menschen gebaut, würden heute sieben Millionen leben, die meisten in Slums ohne sauberes Trinkwasser und ohne sanitäre Anlagen. Hunderttausende leben auf der Straße. Die Arbeitslosigkeit liege bei 60 Prozent, reguläre Beschäftigung sei kaum zu bekommen. Seit der Besetzung durch Nato-Truppen seien die Importzölle fast vollständig abgebaut worden. „Das Land ist infolgedessen durch billige Waren aus dem Ausland überschwemmt und die einheimische Landwirtschaft und das Handwerk ruiniert worden.“ Stattdessen blühe jetzt auf einer Anbaufläche von über 200 000 Hektar der Drogenanbau.

Die politische Macht in Afghanistan liege in der Hand von Personen, die die USA eingesetzt hätten, von Kriegsherren mit Privatarmeen und der Drogenmafia. Braun wies auf die andauernden Angriffe mit Drohnen und Bomben hin. Gleichzeitig nehme auch die Zahl von Anschlägen und Angriffen der Aufständischen deutlich zu.

Afghanische Diskussionsteilnehmer betonten, dass das Land keine eigene Rüstungsindustrie habe. Sämtliche Waffen seien von den Industriestaaten ins Land gebracht worden. Die afghanische Bevölkerung habe eine tiefe Sehnsucht nach einem Ende der Gewalt und Frieden. Dafür, so Braun, sei ein Waffenstillstand, der vollständige Abzug der Nato-Truppen und die Bildung einer gemeinsamen Regierung aller politischen Kräfte einschließlich der Taliban erforderlich.

Solange nicht Frieden hergestellt sei und so lange Rückkehrer keine Lebensperspektive hätten, sei die Abschiebung von Flüchtlingen unmenschlich und unverantwortlich, betonte der Experte.