Pfaffenhofen
In den Tiefen des Kalten Krieges

Pfaffenhofen will ehemaligen Fernmeldebunker öffnen und regelmäßige Führungen anbieten

26.06.2013 | Stand 02.12.2020, 23:59 Uhr

 

Pfaffenhofen (PK) Tief eingegraben, ummantelt von drei Meter dicken Stahlbetonwänden thront der „Bunker“ an der äußeren Ingolstädter Straße über den Dächern von Pfaffenhofen. Lange lag dieses Relikt des Kalten Krieges fast völlig im Verborgenen. Jetzt soll es langsam geöffnet werden.

Stufe um Stufe steigt Hans Prechter hinab in den dunklen Bauch des Kalten Krieges. Der Altbürgermeister kennt sich aus. Anfang der 80er Jahre war er, damals als Feuerwehr-Vorsitzender, erstmals hier. Zum Schweigen verpflichtet. Der Bunker – von hier oben schaut er dreckig aus. Überall Staub und Spinnweben. Nachdem man aber die Treppen erst einmal hinabgestiegen ist, ändert sich das Bild. Es ist noch alles gut erhalten. Der Bunker wirkt wie ein Keller, leer, ungebraucht. Die meisten Räume sind klein und penibel ausgeräumt. Wo früher einmal die Betten standen, ist mittlerweile ein kahler weißer Raum. Einzig die Waschbecken und Toiletten sind noch original.

In drei Abschnitte ist das Innere der atombombensicheren Anlage unterteilt. Die Wände sind meterdick, die Böden auf dicken Federn gelagert, um auch die stärksten Schwingungen auszugleichen. Im Fall eines Atomkriegs waren die stationierten Soldaten und die Mitarbeiter dieser ehemals eminent wichtigen Schalt- und Vermittlungsstelle der Bundeswehr im südbayerischen Raum bestens gerüstet. Die Luft strömt erst durch riesige Filter und dann weiter ins Innere des Bunkers. Das Trinkwasser wird einer eigenen Quelle entnommen. „Die Soldaten waren völlig autark“, resümiert Prechter. Der Schacht, über den der Nachschub hinabgelassen wurde, hätte in Windeseile verfüllt werden können. Der letzte Notausstieg führte aus der Vermittlungsstelle mitten hinein in den jetzigen Interkulturgarten. Die Gräben für die Maschinengewehre, mit denen die Eingänge verteidigt werden sollten, sind unübersehbar. „Der Bunker ist ein regelrechtes Militärmuseum – nur leider ohne Inventar“, sagt Bürgermeister Thomas Herker (SPD), der sich daher keine museale Nutzung vorstellen kann.

Wohl aber regelmäßige Führungen. Denn dieses Überbleibsel aus der Zeit des Kalten Krieges – errichtet wurde der Bunker in den Jahren 1962/63, also direkt im Anschluss an die sehr real empfundene Bedrohung während der Kuba-Krise – ist es definitiv wert, einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu werden.

Nach der Schleuse und den Duschen zum Entkontaminieren der Soldaten folgt der Schlafbereich – und einen Großteil des Betonquaders füllt die aufwendige Technik. Strom, Wasser. Lebensmittel für vier Wochen wurden hier gelagert. Vereinzelt liegen noch ein paar Plakate herum. Die Geräte wirken veraltet, aber funktionstüchtig. Prechter legt den Schalter um. „Unglaublich. Die laufen noch immer“, sagt er ungläubig. Es ist kühl im Bunker. „Sowohl im Sommer als auch im Winter hat es hier immer zwölf Grad.“ Die Elektrik ist gleichzeitig das große Problem für das feste Vorhaben der Stadt, den Bunker zu öffnen. „Wir müssen da einiges umbauen, um für die nötige Sicherheit zu sorgen“, sagt Hauptamtsleiter Hans-Dieter Kappelmeier. So werden derzeit etliche Leitungen neu verlegt, ein sicheres System eingebaut. „Alleine kann hier niemals jemand runter. Es geht nur in der geführten Gruppe“, macht Prechter deutlich. Als der Bunker Ende der 90er Jahre von der Bundeswehr verlassen und der Heilig Geist und Gritsch’schen Fundationsstiftung übergeben wurde, bemühte sich die Stadt um eine neue Nutzung für die seither leerstehenden Räume. Der oberirdische Verwaltungstrakt am Eingang des Areals steht Vereinen offen. Aber wer kann einen Bunker brauchen? Die skurrilste Anfrage startete der Tauchclub. Er wollte den Bunker komplett fluten und zum Erlebnistauchen nutzen. „Völlig verrückt, viel zu gefährlich“, sagt Prechter heute über dieses Ansinnen. „Das wäre unverantwortlich gewesen.“

Die Taschenlampen sind im Bunker ein unverzichtbarer Begleiter. Fällt der Strom aus, wäre es innerhalb kurzer Zeit stockdunkel. Vorübergehend könnte man sich aber noch orientieren. Die etwa zehn Zentimeter breiten Pfeile entlang der langen Gänge bestehen aus fluoreszierendem Material – und leuchten dementsprechend noch einige Zeit weiter.

Die dicken, schweren Stahltüren lassen das Gebäude wie ein Gefängnis wirken. Es riecht etwas muffig, die Luft ist trotzdem nicht unbedingt schlecht. Der Bunker war ein typisches Kind der Verteidigungsstrategie im Kalten Krieg. Man ging davon aus, dass man selbst atomare Auseinandersetzungen überstehen könne, wenn man sich nur lange genug in geeignete Schutzräume zurückziehen könne. Im März 1997 wurde die Vermittlungsstelle endgültig stillgelegt.

Sobald die Umbauarbeiten abgeschlossen sind, kann sich Kappelmeier regelmäßige Führungen vorstellen, um den Pfaffenhofener nach und nach diesen verborgenen Teil ihrer jüngeren Geschichte zu eröffnen. „Es wird schwer sein, historisches Material zu beschaffen, um das Innere des Bunkers mit Informationen zu füllen“, befürchtet Herker. Aber Prechter ist dennoch guter Dinge: „Bis zur Landesgartenschau 2017 haben wir noch etwas Zeit. Bis dahin kann das eine absolute Attraktion werden, die Gäste von überall her anzieht.“