Pfaffenhofen
Der Schwarze Tod hält reiche Ernte

Im Dreißigjährigen Krieg wütete die Pest rund um Pfaffenhofen Hoffnung bot der Heilige Sebastian

19.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:56 Uhr

Der Seitenaltar im südlichen Seitenschiff der Wolnzacher Kirche zeigt das Martyrium des Heiligen Sebastian, der vor allem in den Jahren des Schwarzen Tods als Patron der Pestkranken verehrt wurde. Die Darstellung wird dem bekannten Bildhauer Christian Jorhan zugeschrieben und gilt als herausragendes Werk des Rokoko. - Foto: Brenner

Pfaffenhofen (PK) Am 20. Januar feiert die katholische Kirche das Fest des Heiligen Sebastian. Er gilt als Patron der Pestkranken und wurde als solcher oft um Hilfe angerufen: Die Seuche wütete vor allem während des Dreißigjährigen Kriegs verheerend im Gebiet des heutigen Landkreises Pfaffenhofen.

Manche Dörfer wurden damals nahezu ausgerottet. Für viele wurde da der Heilige Sebastian, dem die Kirchen von Uttenhofen und Freinhausen geweiht sind, zur letzten Hoffnung: In Ilmmünster und Pfaffenhofen hat man Sebastians-Bruderschaften errichtet. In der Kirche von Singenbach verehrte eine große Pilgerschar einen eisernen Pfeil, der als wertvolle Sebastians-Reliquie galt. Unter einer prächtigen Figur des Heiligen am Hochaltar der Kirche von Freinhausen war eine goldene Schatztruhe mit der Hirnschale des Pestheiligen verborgen. Sie wurde im Schwedenkrieg Ziel unzähliger Wallfahrer. Sie erhielten aus dieser Schale den "Minnetrunk", einen Schluck wundertätigen Opferweins, der sie vor der Pest schützen sollte.

Der Schwarze Tod traf auch Vohburg schwer. Die verzweifelten Bewohner gelobten am Tag des Heiligen Sebastian eine jährliche Prozession durch den Markt. In der Kirche von Wolnzach findet sich ein ergreifender Sebastiansaltar. Der große Rokokobildhauer Christian Jorhan der Ältere hat ihn geschaffen. Spätgotische Figuren des Heiligen schmücken die Kirchen von Griesbach und Haimpertshofen. Aus späterer Zeit stammen die Skulpturen von Schweitenkirchen und Gebrontshausen.

Die Pest kam mit den Schweden. Unter dem in ihren Diensten stehenden General Bernhard von Weimar haben sie geraubt, geplündert, geschändet und gemordet. Im Sommer 1634 ließ "der Weimarer" 300 Hallertauer Dörfer niederbrennen. Eine Hohenwarter Nonne schrieb in ihr Tagebuch: "Ach Gott, es ist ein Jammer in dem Markt gewesen: Kramläden, Häuser, Schlösser, Truhen, kurz alles hat der Schwed erbrochen und erschlagen und dazu geschrien: €šKhör ab! Khör ab! €˜" Der Pfaffenhofener Frühmessbenefiziat Fichtl schreibt 1851, die Schweden hätten so schlimme Gräuel verübt, dass ihr Name sich "im Munde des deutschen Volkes" zu einem einzigen Fluch verwandelt habe.

Bayerns Verbündete verhielten sich aber nicht besser. Nach dem Zeugnis des Andechser Abtes Maurus Friesenegger entging niemand ihrer "Barbarei" und ihrem "Mutwillen". Sie hätten "ohne zu denken, daß sie Menschen sind und mit Menschen umgingen", Bewohner jeden Alters und jeden Geschlechts ganz und gar entblößt, zu Tode geschändet, bei größter Kälte nackt vor sich her gejagt. Der Krieg habe aus Menschen Bestien gemacht.

Im Januar 1632 schleppten Soldaten des gegen die Schweden kämpfenden Feldherrn Tilly die Pest in Pfaffenhofen ein. Der Frau des Närlesmüllers von Pfaffenhofen (später wurde die Närlesmühle zur Arlmühle) waren zwei Männer Tillys zugeteilt. Einer wurde krank. "Er hat eine solche Sucht gehabt, daß Gott erbarm", schrieb sie in einem Bittbrief. Der Soldat hatte drei weitere Hausbewohner angesteckt. Im gleichen Jahr forderte die Seuche in der Stadt 379 Todesopfer, 1634 waren es schon 546. Bei Ende des Dreißigjährigen Krieges war die Einwohnerzahl Pfaffenhofens um zwei Drittel zurückgegangen.

Die Pest suchte auch Pfaffenhofens Umgebung heim. Krieg und Seuche ließen fast das ganze Dorf Großenhag aussterben. In Geisenhausen erlagen 1633 27 Bewohner der Pest. Siedler aus Kärnten sollten die verlassenen Höfe neu besiedeln. In Gebrontshausen wurden 24 Erwachsene und 18 Kinder zu Pestopfern. In Larsbach starben mehrere Familien aus. 241 Bauern, deren Höfe dem Kloster Scheyern gehörten, starben den Schwarzen Tod. Überlebende verließen Haus und Hof. Deimhausen wirkte nach der Pest wie ausgestorben. In Klenau und Junkenhofen war fast die ganze Bevölkerung ausgelöscht. Nur der Strohbauer von Kemnat soll überlebt haben. In Geisenfeld starben 782 Einwohner an der Pest - dies war wohl die Hälfte der Gesamtbevölkerung. Auch Klosterfrauen und die Äbtissin Katharina Hafner wurden Opfer. Von 1636 an war das Fest des Heiligen Sebastian in Geisenfeld ein Fast- und Feiertag.

Von Wolnzach sind keine genauen Zahlen überliefert. Fest steht aber, dass die Seuche auch hier unzählige Todesopfer forderte und viele Höfe leer und öde da lagen. Siedler aus den bayerischen Alpen und aus Tirol ließen sich dann dort nieder. Vohburg hatte fast täglich Pesttote zu beklagen. Die Todgeweihten wurden ins "Siechenhaus" gebracht. In Schenkenau wurden die wenigen, die die Raubzüge der Schweden überlebt hatten, Opfer der Pest. Am Ende überlebten nur der Schmied und der Leinenweber. Sie hausten in Wohnungen, die zu Ruinen geworden waren. In Hohenwart starben über hundert Kinder. In vielen Orten wurden eigene Pestfriedhöfe angelegt. Man hätte die Toten sonst nicht mehr bestatten können. Viele Priester erfüllten gewissenhaft ihre Pflicht und spendeten den Todkranken die Sterbesakramente. Andere flohen und wagten sich erst nach Ende der Pest zurück. So manche Pfarrei konnte nicht mehr besetzt werden - und einstige Söldner übernahmen Priesterämter. Sie wollten so dem Hungertod entgehen. Der erwähnte Strohbauer von Kemnat beerdigte die Opfer der Seuche, weil der Pfarrer sich nicht traute. An die Toten erinnern heute zwei Kreuze im Wald bei Kemnat. Durch Pfaffenhofen und manch andere Dörfer in der Umgebung fuhren Pestkarren, auf denen Berge von Leichen lagen. Um die Räder wurde Filz gelegt: den Bewohnern sollten durch das Rattern und Poltern keine Todesangst eingejagt werden. An den Dorfeingängen waren Strohbündel aufgestellt. Das bedeutete: In diesem Ort grassiert die Pest. Wacholderbeeren und Zitronenscheiben sollten vor Ansteckung schützen. In den Wohnungen wurden Räucherkerzen entzündet und Heilpflanzen verbrannt. Auch dies sollte eine Infektion verhindern. Die Müller mussten das Mehl sorgfältig trennen: Das eine war für Orte bestimmt, die von der Seuche befallen waren, das andere blieb den noch verschont gebliebenen Dörfern vorbehalten. Es wurde an besonderen Plätzen hinterlegt.

Zu dem ganzen Elend kam eine unbeschreibliche Hungersnot. Die Hungrigen schlichen in Lager, die die Schweden verlassen hatten, sammelten die übel riechenden Eingeweide der Kühe und verzehrte sie kaum gekocht und ohne Salz. Andere aßen Rossmist, Wurzeln, Gras und Blätter. Auch Hunde und Katzen wurden gegessen. Viele Dorfbewohner flohen in die umliegenden Wälder. Dort warteten Wölfe, die sich, angelockt von Leichen und Tierkadavern, in dieser Zeit stark vermehrten. Die hungrigen Bauern wurden zur Wolfsjagd gezwungen. In einem kleinen Waldstück zwischen Wolnzach und Mainburg wurden an einem Tag elf Wölfe erlegt.

In dieser Zeit entstand das wohl älteste Altarblatt der Pfaffenhofener Stadtpfarrkirche. Es zeigt das Martyrium des Heiligen Sebastian. Das Bild wurde 1644 vollendet. Nicht umsonst hatten die Pfaffenhofener dem Pestheiligen einen Altar geweiht. In den Jahren 1649 und 1650, kurz nach dem großen Krieg, wütete die Pest noch einmal im Umland: Felder lagen brach, Gehöfte standen verlassen, halbe Dörfer waren ausgestorben. Der Tod hat wieder reiche Ernte gehalten. Pfaffenhofen aber blieb wie durch ein Wunder verschont. Und auch in Vohburg hat das große Sterben nach den Umzügen am Sebastianstag ein Ende gefunden.

Zum Autor: Der frühere Gymnasiallehrer und Studienrat Reinhard Haiplik (63) aus Pfaffenhofen ist nicht nur als ÖDP-Kommunalpolitiker bekannt, sondern vor allem auch als Heimatforscher und Autor (unter anderem "Pfaffenhofen unterm Hakenkreuz" und "Geheimnisvolle Plätze in der Hallertau").