Pfaffenhofen
Aufbruch in die Moderne

Kammermusikabend für Cello und Klavier im Rathaus Pfaffenhofen begeistert das Publikum

21.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:11 Uhr

Eingespieltes Duo: Cellistin Jessica Kuhn und ihre langjährige Klavierpartnerin Alessandra Gentile überzeugten bei ihrem Auftritt im Pfaffenhofener Rathaus. - Foto: Erdle

Pfaffenhofen (PK) Cellistin Jessica Kuhn und ihre Klavierpartnerin Alessandra Gentile haben das Publikum beim Kammermusikabend am vergangenen Sonntag im Pfaffenhofener Rathaus gebannt. Besonders mit ihren gleichermaßen sensiblen wie zupackenden Interpretationen überzeugten sie.

Die Cellistin Jessica Kuhn und ihre langjährige Klavierpartnerin Alessandra Gentile stellten unter dem Motto "Aufbruch" vier Werke vor, die auf unterschiedliche Weise einen Neubeginn thematisierten. Darunter befand sich auch eine Komposition aus der Wiener Klassik: Ludwig van Beethovens op. 102 Nr. 2, seine fünfte und letzte Cellosonate, 1815 entstanden, markiert bereits den Übergang zum Beethovenschen Spätstil der letzten Streichquartette. Vom durchaus trotzigen Beginn des ersten Satzes macht Beethoven in knappen Motiven klar, wie ernst er den Dialog der zwei Instrumente nimmt, und dass dieses Gespräch nirgends in gefälligem Konversationsgeplauder stattfindet. Vordergründige Virtuosität findet nicht statt, vielmehr eine bewusste Zurücknahme der Mittel, besonders sinnfällig im zentralen zweiten Satz, einem fast ins Übermäßige gedehnten Adagio, das mit seinen Choral-Anklängen und lang gehaltenen schwebenden Tönen als "von jenseitigem Charakter" gilt.

Die abschließende dreistimmige Fuge, die sich aus einem Tonleitermotiv entwickelt und schroff synkopendurchsetzt vorwärts stürmt, lässt alle Rokokotändelei weit hinter sich - man ist versucht, sich vorzustellen, wie ein solches Werk 1815 auf die wohlklanggewöhnten Zuhörer gewirkt haben mag: Die Moderne hat es auch in der Vergangenheit schon lange gegeben!

Die verlangte Expressivität der Sonate kommt Kuhn offenkundig sehr entgegen, ruppige und lyrische Abschnitte gestaltet sie gleichermaßen gelungen, der Ton ihres Cellos ist voll und griffig, bisweilen sogar von einer Klangfülle, die an die Resonanz eines Kontrabasses denken lässt. Auch ohne ausdrücklichen Hinweis in den erläuternden Zwischenmoderationen der Cellistin ist erkennbar, dass Kuhn viel daran gelegen ist, sich nicht nur auf häufig ausgeschrittenen Wegen des Repertoires zu bewegen, sondern (etwa in einer eigenen Konzertreihe in Schloss Nymphenburg) immer wieder Neues wie Unbekanntes zu bringen. Weitgehend unbekannt ist noch immer das umfassende Werk des 1919 geborenen Polen Mieczyslaw Weinberg, der - unter anderem gefördert von Dmitri Schostakowitsch - 1996 in Moskau gestorben ist. Weinbergs erste Cellosonate (1945) vereint moderne und traditionelle Elemente zu einer interessanten Synthese und erinnert in mancher Passage an Maschinenmusik à la "Metropolis". Insbesondere hier konnte Pianistin Alessandra Gentile ihre große rhythmische Präzision ebenso unter Beweis stellen wie ihr Gespür für die exakt ausgeglichene Klangbalance, die das langjährige Zusammenspiel der beiden Künstlerinnen belegte. Nach der Pause zwei fröhliche Aufbrüche mit Robert Schumanns vitalem Adagio & Allegro op. 70 und insbesondere der Cellosonate von Francis Poulenc. Poulenc verbindet wenig Polyphonie mit viel Klarheit, Witz und Ironie, ohne dabei die unterschiedlichsten Aufgaben und Finessen für das Cello aus den Augen zu verlieren. Offenkundig ein Stück, das zu spielen den Künstlerinnen ebensolches Vergnügen macht wie dem Publikum, es zu hören.