Pfaffenhofen
Alarm wegen Schreckschusswaffen

Zahl der Kleinen Waffenscheine hat sich fast verdoppelt Polizei betrachtet Entwicklung mit Sorge

29.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:24 Uhr

Das könnte nach hinten losgehen: Die Polizei warnt davor, sich mit Schreckschusspistolen zu bewaffnen. Im Ernstfall seien diese Waffen meist wirkungslos. Dennoch beantragen auch im Landkreis Pfaffenhofen immer mehr Menschen einen sogenannten Kleinen Waffenschein, der zum Tragen einer solchen Pistole berechtigt. - Foto: Hammer

Pfaffenhofen (PK) Immer mehr Pfaffenhofener haben offenbar das Gefühl, sich bewaffnen zu müssen. 357 Landkreisbürger beantragten im vergangenen Jahr einen sogenannten Kleinen Waffenschein, der sie berechtigt, eine Schreckschusspistole bei sich zu tragen.

Zum Jahresende 2015 hatten überhaupt nur 394 Leute im Landkreis den Kleinen Waffenschein. Der Zuwachs von 357 im vergangenen Jahr bedeutet immerhin fast eine Verdoppelung. "Aus der Statistik ergibt sich ein sehr deutlicher Anstieg im ersten Quartal 2016", sagt Landratsamtssprecherin Alice Köstler-Hösl. Bei der Beantragung werden unter anderem die persönliche Eignung und Zuverlässigkeit des Antragstellers geprüft. Erst wenn er sich als "körperlich und geistig geeignet" erweist, eine solche Waffe zu tragen, über 18 Jahre alt und nicht vorbestraft ist, kann ihm die Erlaubnis, eine Schreckschusswaffe bei sich zu tragen, erteilt werden.

Die meisten Kleinen Waffenscheine wurden im März 2016 ausgegeben, mehr als hundert Landkreisbürger besorgten sich damals die Erlaubnis, Schreckschusswaffen bei sich zu tragen. Woran dieser Anstieg festzumachen ist, kann im Landratsamt keiner sagen. "Im Antrag muss nicht angegeben werden, warum ein kleiner Waffenschein beantragt wird", sagt Köstler-Hösl. Zu den Gründen kann man nur Mutmaßungen anstellen." Denn die Erlaubnis braucht nur, wer eine Schreckschusswaffe außerhalb der eigenen Wohn- oder Geschäftsräume bei sich tragen will. Der bloße Besitz ist auch ohne Kleinen Waffenschein erlaubt. Momentan werden pro Monat etwa 20 beantragt.

Schreckschusswaffen verschießen keine Projektile, sondern erzeugen eine Druckwelle und einen lauten Knall. Mit ihnen kann auch Reizgas oder Leuchtmunition verschossen werden. Die Hersteller ahmen bewusst scharfe Waffen nach. Bei der Polizei betrachtet man die Entwicklung mit Sorge. "Wir sind als Polizei nicht glücklich, wenn mehr Waffen im Umlauf sind", sagt Pfaffenhofens Inspektionsleiter Helmut Fink. Auch wenn es keine scharfen Pistolen sind: "Diese Waffen sehen echten Waffen bis ins Detail ähnlich. Wir können bei Kontrollen nicht erkennen, ob wir es mit scharfen Waffen zu tun haben." Zudem böten Schreckschusswaffen höchstens einen imaginären Schutz. "Sie sind nicht geeignet, einen Angriff abzuwehren", sagt Fink.

Im Landkreis Pfaffenhofen ist es zwar noch nicht zu Fällen wie in Ingolstadt gekommen, wo Passanten im Dezember Alarm schlugen, als ein Mann am Audi-Kreisel vor einer Bank mit einer Pistole hantierte. Ein Großaufgebot der Polizei rückte aus und umstellte den mutmaßlichen Bankräuber. Es handelte sich um einen Rentner, der die Schreckschusswaffe "zur Selbstsicherung" dabei hatte. Im Oktober riegelten schwer bewaffnete Polizisten einen Straßenzug in der Altstadt ab, weil auf einem Dach ein Mann mit Pistole gesichtet worden war. Er hatte mit einer Softairwaffe auf Tauben gezielt. Im August rangen Polizisten in der Ingolstädter Fußgängerzone einen 31-Jährigen nieder, der sich für ein Live-Rollenspiel mit einer täuschend echt aussehenden Pistole bewaffnet und - keine drei Wochen nach dem Amoklauf von München - Angst und Schrecken verbreitet hatte.

Auch wenn Pfaffenhofen bislang von so etwas verschont geblieben ist, sagt Polizeichef Fink: "Wir haben Arbeit damit." So waren erst vor Kurzem zwei Jugendliche im Tarnanzug mit Softairwaffen und als Krieger verkleidet im Waldstück "Rieder Buch" bei Unterdummeltshausen unterwegs. Auf dem Heimweg fielen die beiden Passanten auf, die sofort die Polizei riefen.

Wo sich die Leute ihre Schreckschusswaffen besorgen, ist schwer zu sagen - die Nachfrage ist auf alle Fälle da. "Es fragen immer mehr Leute", sagt Johannes Götz, der Geschäftsführer des Jagdzubehör- und Waffengeschäfts Bavarian Hunters in Reisgang. "Die einen sagen, sie brauchen die Waffen für Silvester, die anderen sagen, sie wollen sie zum Selbstschutz." Ihm bliebe da nur, gut aufzuklären. "Man muss sich immer fragen, was löse ich bei einem Angreifer aus, wenn ich eine Schreckschusswaffe ziehe. Vielleicht zieht er ein Messer oder eine scharfe Waffe. Das ist ein heikles Thema."

Nicht so groß wie die Zunahme bei den Kleinen Waffenscheinen ist sie bei den Jagdscheinen. Im Landkreis waren Ende 2016 insgesamt 1195 Menschen im Besitz der Erlaubnis, die laut Gesetz zum "Erwerb, Leihen und Besitz von Langwaffen und dazu passender Munition und zum Erwerb und Besitz von zwei Kurzwaffen und Munition" berechtigt. Laut Martin Braun, dem Vorsitzenden der Pfaffenhofener Jägervereinigung könne man nie ausschließen, dass sich unter den Jägern jemand befindet, der den Jagdschein nur macht, um an Waffen zu kommen. Allerdings sei die Ausbildung vor allem in Bayern so aufwendig, dass sich das laut Braun wohl kaum jemand antun wird. "Und bei unseren eigenen Jagdkursen haben wir schon ein bisschen die Hand drauf, dass kein Spinner dabei ist." Und es sei auch nicht so, dass jeder Jäger Pistolen daheim habe, die brauche schlichtweg nicht jeder. Außerdem werden die Jäger vom Landratsamt kontrolliert, besonders wenn einer sehr viele Waffen hat. "Das finde ich vollkommen in Ordnung so, wir haben nichts zu verbergen", sagt Braun.

Auch Johannes Götz sieht die Jäger nicht als Problem an. "Ja, es gibt eine Zunahme bei den Jagdscheinen. Aber man muss extrem viel lernen", sagt er. Das mache kaum jemand, nur um an eine Waffe zu kommen. "Die Leute wollen sich ein bisschen erden." Es gebe Statistiken, aus denen hervorgehe, dass nur wenige Promille aller Straftaten mit legal erworbenen Waffen verübt werden. Wenn Götz Waffen verkauft, muss er kontrollieren, ob der Jagdschein gültig ist und den Verkauf auch der ausstellenden Behörde melden. "Eine Kurzwaffe muss außerdem vorher in die grüne Waffenbesitzkarte eingetragen werden, wir stempeln die ab, dann muss der Käufer noch mal ins Landratsamt", erklärt Götz. Viel Aufwand also. Da werden weiterhin viele lieber zu Schreckschusswaffen greifen. Auch wenn die Polizei davor warnt.