Münchsmünster
Ich sehe deine Tränen

Hospizverein feiert 20-jähriges Jubiläum – Pfarrer Jürgen Fliege und himmlische Gespräche

07.11.2014 | Stand 02.12.2020, 22:01 Uhr

Jürgen Fliege - Foto: Archiv

Münchsmünster (PK) „Bei Trost bleiben.“ Unter diesem Motto ist der Vortrag von Pfarrer Jürgen Fliege am Donnerstagabend im gut gefüllten Münchsmünsterer Bürgersaal gestanden. Anlass des Vortrags war das 20-jährige Bestehen des Hospizvereins Pfaffenhofen.

Einem Verein, der, wie es der Vorsitzende Peter Andreas formulierte, aus Menschen besteht, „die ehrenamtlich und mit hoher Profession andere in der schwierigsten Phase ihres Lebens begleiten.“ Keine leichte, aber trotzdem eine unendlich wertvolle, manchmal auch eine sehr schöne Aufgabe, wie Fliege sagte. „Wir alle sind geborene Tröster“, stellte er klar. Das Problem sei nur, dass wir im Laufe unseres Lebens Moralvorstellungen und Anspruchshaltungen entwickeln, die uns beim Trösten im Wege stünden. Ein guter Tröster frage nicht „warum weinst du“, er sage, „ich sehe deine Tränen“. Er sei einfach da. Er ist, wie Fliege es formuliert, „treu.“ Treu an der Seite dessen, der ihn braucht, ohne Ansprüche und ohne „du musst nicht weinen, das wird schon wieder.“

„Worüber will ich mit so einem Menschen reden“, fragte Fliege – und gab die Antwort gleich selbst: Ein guter Sterbebegleiter wird zuhören, wann der Mensch von sich aus auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben zu sprechen kommt, auf die eigenen Eltern, die Kinder, oder die eine große Aufgabe, mit der man sein Wissen und sein Sein weitergegeben hat.

Wenn man das hinter sich hat, dann wird der Mensch seinen Frieden finden und dann sind die, wie Fliege sie nennt, „himmlischen Gespräche“ möglich. Dabei geht es nicht um den Himmel im christlichen Sinne. „Es ist ganz egal, was für einen Glauben jemand hat. Es ist vielmehr das Gefühl, da ist irgendjemand, der mich begleitet. Ein Gott, jemand der schon vor mir gegangen ist oder etwas ganz anderes.“

Fliege kommt an diesem Abend aber auch auf die anderen, die unbequemen Seiten der Sterbehilfe zu sprechen. Er selbst sei der Überzeugung, dass ein Mensch in bestimmten Situationen die Möglichkeit haben müsse, sein Leid zu beenden. Aus seiner Erfahrung habe sich gezeigt, wenn die tatsächliche Möglichkeit besteht, dann würden vielen Menschen von ganz alleine sterben, weil ihnen der Druck genommen ist.

Zwei Geschichten erzählt Fliege dazu: Die einer alten Frau, die ihn bat, in die Apotheke zu gehen und ein Medikament zu besorgen, „das wir dann heute noch nehmen.“ Fliege machte einen Gegenvorschlag: Er wolle vorher in die Kirche gehen und beten. Die andere Geschichte ist von Julius Hackethal. In diesem Fall lag das Medikament bereit. Beide Male wurde es aber nicht gebraucht.

Fliege erzählte aber nicht nur, er bezog auch das Publikum mit ein. Ließ es von seinen Erfahrungen berichten und verglich sie mit den eigenen. Was dabei herauskam, war ein angenehmer Abend, ein echter Abend, an dem nichts aufgesetzt und nichts gestellt war und einer, der die Hospizarbeit so zeigte, wie sie nun einmal ist. Manchmal schön, manchmal traurig, aber immer wichtig und richtig.