Ingolstadt
"Die Gewalt ist oft nicht sichtbar"

Andrea Teichmann von der Beratungsstelle Wirbelwind über sexuelle Übergriffe gegen Frauen

19.01.2016 | Stand 02.12.2020, 20:18 Uhr

Ingolstadt (PK) Der Verein Wirbelwind in Ingolstadt ist Träger einer Fachberatungsstelle bei sexueller Gewalt und auch Anlaufstelle für Frauen aus dem Landkreis Pfaffenhofen. Rund 200 Beratungen leisten Andrea Teichmann (Foto) und ihre Kollegin Petra Kufner pro Jahr.

Teichmann ist Diplom-Sozialpädagogin und Fachberaterin für Psychotraumatologie.

 

Die sexuellen Übergriffe gegen Frauen in Köln oder Hamburg schockieren die Bevölkerung. Wie beurteilen Sie diese Attacken?

Andrea Teichmann: Das ist natürlich nicht hinnehmbar. Mich irritiert allerdings das breite gesellschaftliche und mediale Interesse, das ja bei anderen sehr schwierigen Themen - auch, was sexualisierte Gewalt angeht - sonst nicht zu finden ist. Wirbelwind ist über Weihnachten und Neujahr geschlossen und nicht erreichbar. Wegen unserer begrenzten personellen Kapazitäten. Das ist doch auch schon wieder ein Hinweis, dass sexualisierte Gewalt bei uns nicht die Aufmerksamkeit hat, wie es jetzt scheint in den Medien. Alle Welt regt sich über Köln auf, aber die Frauen, die jetzt in Ingolstadt, Pfaffenhofen oder Neuburg über Weihnachten oder Silvester vergewaltigt worden sind, bekommen keine fachliche, psychologische Unterstützung.

 

Es leben mittlerweile viele Flüchtlinge unter uns. Sind bei Wirbelwind schon Frauen aufgetaucht, die Opfer sexueller Gewalt dieser Männer wurden?

Teichmann: Nein, wir hatten noch keinen Fall eines sexuellen Übergriffs durch einen Flüchtling. Aber die Frauen äußern in der Beratung Ängste davor.

 

Frauen, die sexuell missbraucht wurden, fühlen sich oft nicht ernst genommen - manchmal nicht einmal von der Polizei. Opfer schämen sich und schweigen. Wie kann das sein?

Teichmann: Aus der Erfahrung heraus, dass Frauen, denen sexualisierte Gewalt geschieht, oft nicht geglaubt wird. Und das hängt ganz wesentlich damit zusammen, dass diese Gewalt in aller Regel nicht öffentlich sichtbar ist und bewiesen werden muss. Das ist genau der Unterschied zu den Übergriffen in Köln. Die Frauen aus Köln haben den großen Vorteil, dass die Übergriffe nicht geleugnet werden können.

 

Das Gespräch führte

Suzanne Schattenhofer.

Foto: Schattenhofer