Geisenfeld
Auf allen Ebenen voneinander lernen

Delegation aus Jämijärvi zu Besuch – Austausch mit finnischer Gemeine wird weiter vertieft

31.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:28 Uhr
Bürgermeister müssen rechnen können - doch ein einfacher Abakus, wie er den Kindern im Hort zur Verfügung steht, reicht für die komplizierten Finanzierungsspiele von Rathauschef Esa Ala-Karvia (links) aus dem finnischen Jämijärvi und seinem Geisenfelder Amtskollegen Christian Staudter nicht aus. −Foto: Zurek

Geisenfeld (GZ) Seit zwölf Jahren besteht sie nun schon, die Freundschaft zwischen der finnischen Stadt Jämijärvi und dem bayrischen Geisenfeld. Im Zuge der Kontaktpflege empfing Bürgermeister Christian Staudter (USB) nun eine siebenköpfige Delegation aus dem hohen Norden.

Noch ist es keine offizielle Partnerschaft. Aber seit 2003 erstmals eine Gruppe von Kommunalpolitikern aus der finnischen 2000-Seelen-Stadt im Zuge eines „Leader-plus“-Projektes bei Hopfenexperte Franz Seidl vorbeischaute, findet ein regelmäßiger Austausch auf kultureller, sportlicher und politischer Ebene statt. Das Ziel: voneinander in verschiedenen Bereichen lernen und vielleicht eines Tages sogar wirtschaftlich vom Austausch profitieren.

Diesmal hielt das zweitägige Programm für den hauptamtlichen Rathauschef Esa Ala-Karvia, dessen Ehefrau und weitere Begleiter eine Mischung aus kommunalpolitischen und touristischen Elementen bereit. Am ersten Tag stand der Besuch des Kindergartens Kleiner Tiger, der Krippe und des Horts auf der Tagesordnung. Erzieherin Marjo Leikkola zeigte sich überrascht, „wie ruhig die Kinder in den verschiedenen Gruppen sich verhalten haben“. Das erlebe sie zu Hause ganz anders, da „geht es wilder zu“, meinte die Tagesmutter lachend. Ansonsten aber sei das Betreuungssystem, das zu 25 Prozent von den Eltern in Abhängigkeit von deren Einkommen finanziert werde, „ziemlich ähnlich“. Nur „wir haben nicht ganz so viel Räume zur Verfügung“, erzählt sie.

Beeindruckt zeigten sich Satu Jokela und ihre Gemeinderatskollegen vom zentral gelegenen Schulkomplex mit dem neuen Pausenhof, der Anton-Wolf-Halle und dem Bewegungspark. Das alles spiegele „einen gewissen Wohlstand“ wider, meinte der Vorsitzende des Bürgergremiums, Matti Leppihalme, der zu den Motoren der innereuropäischen Freundschaft zählt. Interessant sei für ihn als Landwirt die nachmittägliche Führung auf dem Anwesen der Familie Schneider in Zell gewesen, bei der man den modernen Maschinenpark und die Milchviehhaltung in Augenschein genommen hatte.

Zum kommunalpolitischen Austausch trafen sich die Gäste mit Vertretern des hiesigen Stadtrats dann am zweiten Abend im Rathaussaal. Bürgermeister Christian Staudter (USB) lud zunächst zu einer fotografischen Inforeise durch Geisenfeld und seine Ortsteile ein, um dann einige Impressionen aus der Heimat der Gäste auf die Leinwand zu projizieren. Im zwanglosen Gespräch, bei dem der Leiter des örtlichen Landwirtschaftsamtes, Tuomo Leikkola als Übersetzer fungierte, berichteten die Gäste vom erfolgreichen Kampf gegen die Landflucht dank diverser EU-Förderprojekte – vom Natur- und Sportzentrum mit zwei Skitunneln bis zum Modell-Dorf Tykköö. Darüber hinaus hat die Gemeinde sich die komplette Erschließung aller 900 Haushalte mit schnellstem Internet per Glasfaser zum Ziel gesetzt, 550 sind bereits versorgt. Vier Millionen Euro nimmt man dafür in die Hand – staatliche Zuschüsse sind gering, die Nutzer zahlen einmalig zwischen 1000 und 1500 Euro.

Wie die Geisenfelder Räte auch erfuhren, leidet die wirtschaftlich zu 30 Prozent vom Export von Lebensmitteln abhängige Kleinstadt Jämijärvi unter den Folgen des Russland-Embargos. Zudem bleiben russische Touristen auf Grund des schlechten Umtauschkurses aus. Was viele umtreibe, sei auch „eine gewisse Angst“, gestand Bürgermeister Esa Ala-Karvia, dem Antero Karppinen als Chefredakteur der lokalen Zeitung beipflichtete. Putin kaufe strategisch wichtiges Gelände in Finnland, was gepaart mit den Ereignissen in der Ukraine und „unseren historischen Erfahrungen“ nicht gerade beruhigend wirke.

Eine Besichtigung der Allianz-Arena, der Besuch der Begegnung ERC Ingolstadt gegen die DEG Düsseldorf sowie eine Führung im Hundertwasser-Turm Abensberg und eine Stadtbesichtigung in Regensburg rundeten das Programm ab. Der Besuch klang aus mit einem gemeinsamen Essen, zahlreichen Dankesreden, dem Austausch etlicher Geschenke und einer Einladung an alle Stadträte zum nächsten „Jämi Fly In“, der größten Kunstflugshow Finnlands.