Geisenfeld
Die Reformen der Ära Prechter

Im sechsten Teil der GZ-Serie geht es um den Aufschwung in den Jahren von 1956 bis 1971

16.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:47 Uhr

Unterricht in der Mädchenschule in den 50er Jahren, geleitet von Schwester Irlanda Riedl, nach der heute die Volksschule benannt ist. 1968 wird die Mädchenschule (in den Räumen des heutigen Einrichtungshauses Weiß) im Zuge der Schulreform aufgelöst. - Foto: Stadtarchiv

Geisenfeld (GZ) Die 15-jährige Amtszeit von August Prechter (1956 bis 1971) ist auch in Geisenfeld "Wirtschaftswunder-Zeit". Ob im privaten oder im öffentlichen Bereich - es wird gebaut, was das Zeug hält. In den 18 Jahren vor 1970 werden 337 Wohnhäuser errichtet. Mehr Gebäude, als der Ort zur Jahrhundertwende zählte.

 

Die Ära Prechter beginnt im März 1956, als er sich bei den Bürgermeisterwahlen mit 928 zu 543 Stimmen gegen den bisherigen Rathauschef Peter Appel durchsetzt. In den zehnköpfigen Stadtrat werden fünf Vertreter der CSU, drei der Bayernpartei und zwei von BHE/Parteifreie Wählerschaft gewählt - und kein einziger Sozialdemokrat. Bei den Wahlen 1960 und 1966 hat Prechter keinen Gegenkandidaten. Seine Amtszeit endet mit den wegen der Eingemeindungen vorgezogenen Kommunalwahlen im Herbst 1971.

Als Prechter sein Amt übernimmt, laufen die Planungen bei den Armen Schulschwestern für den Neubau ihres Kindergartens. Das später um ein Stockwerk erhöhte Gebäude wird 1957 eingeweiht. Ebenfalls in Planung ist die Anlage eines neuen Friedhofes. Im Mai 1958 wird der 666 Grabstellen umfassende Gottesacker zwischen der Nöttinger Straße und der Mühlstraße seiner Bestimmung übergeben. Zehn Jahre später ist er bereits wieder zu klein und wird um 204 Gräber erweitert.

Für das Bild der Stadt bestimmend sind ab 1957 zehn Jahre lang umfangreiche Straßenbau- und Kanalarbeiten. Nach und nach werden fast alle Innerortsstraßen ausgebaut und asphaltiert. Den Anfang machen der Marien- und der Stadtplatz. In vier Abschnitten erhält der Stadtbereich ab 1962 eine neue Abwasserentsorgung. Der Bau des Klärwerks 1966/67 bildet hier den (vorläufigen) Abschluss. Die Gesamtkosten belaufen sich auf rund 4,5 Millionen Mark. In vielen Bereichen erfolgen die Kanal- und Straßenbauarbeiten in einem Aufwasch. 1967 geht die neue Ilmbrücke über die Regensburger Straße in Betrieb, zwei Jahre später wird die Gadener Ortsumgehung der B 300 für den Verkehr freigegeben. Geteerte Straßen verleiten aber eher zum Schnellfahren. 1963 gibt es in der Stadt 295 Autos. Und so wird ein Jahr später zum ersten Mal per Radar geblitzt. Apropos Polizei: Die mit drei bis vier Beamten besetzte Landpolizeistation zieht 1956 in den Klosterstock. Im April 1960 wird sie zu einer Großraumstation aufgewertet und mit 28 Beamten besetzt. Die Feuerwehrleute erhalten 1965 im Hof des alten Rathauses ein Gerätehaus. Und im selben Jahr weiht der FC Geisenfeld sein Vereinsheim ein.

Gefeiert wird auch bei der Kolpingfamilie, die 1961 auf ihr 100-jähriges Bestehen zurückblicken kann. An dem großen Festzug nehmen 2000 Kolpingjünger teil. Ein Besuchermagnet ist auch der montägliche Schweinemarkt auf dem Marienplatz, der in den 50er und 60er Jahren seine Blütezeit hat. An guten Markttagen werden bis zu 600 Tiere angefahren, wobei die Gespanne immer seltener von Vierbeinern gezogen werden. 1964 gibt es in Geisenfeld nur noch sechs, 1967 noch drei Pferde. Die Technisierung macht auch vor dem Hopfenbau nicht Halt: 1960 bringt die Firma Wolf die weltweit erste stationäre Pflückmaschine auf den Markt.

Abgesehen davon sind Wirtschaftsbetriebe aber noch dünn gesät. Nicht lange hält sich ein Zweig der Herrenkleiderfabrik Bäumler. Gefertigt wurde in den Räumen des Brauhauses, das 1968 seinen Betrieb eingestellt hatte. Zu den Beschäftigten der Kleiderfabrik zählen auch einige Gastarbeiter. 1970 sind 35 türkische Staatsbürger in Geisenfeld gemeldet. Abschied nehmen heißt es 1968 von Pfarrer Franz Josef Heldmann. Sein Nachfolger heißt Anton Klinger, der die Innenrenovierung der Stadtpfarrkirche in Angriff nimmt. Im selben Jahr können die evangelischen Christen ihre neue, in Fertigbauweise erstellte Kirche an der Mühlstraße einweihen.

Die baulichen Anstrengungen der Stadt sind ab 1969 geprägt von der Umsetzung der Schulreform. Die umliegenden Dorfschulen werden aufgelöst und in den neuen Schulverband Geisenfeld einbezogen. Der Unterricht findet so lange in den "Zwergschulen" statt, bis die neue Grund- und Hauptschule an der Sedelbreite bezogen werden kann. Der erste Kinderspielplatz wird 1970 vom SPD-Ortsverein im Kolpinggarten angelegt.

Bei den Politikern reifen Pläne, die Weiher im Feilenmoos als Erholungsgebiet zu nutzen. Ab 1971 kann im Landkreisweiher gebadet werden.

Geprägt ist Prechters letztes Amtsjahr von der Gemeindegebietsreform. Die Räte von Parleiten, Gaden, Geisenfeldwinden, Engelbrechtsmünster, Schillwitzried, Unterpindhart, Nötting, Untermettenbach, Zell und Ilmendorf sprechen sich für eine Eingemeindung aus. Die Bürger aus Zell und Ilmendorf stimmen jedoch mit Nein, sodass in der ersten Stufe nur acht Eingemeindungen vollzogen werden. Die Einwohnerzahl Geisenfelds steigt dadurch von 3273 auf 5332.