Für
Noch Luft nach oben

01.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:36 Uhr

Lieblingsflecken: Christine Janicher-Buska vom Bund Naturschutz schätzt vor allem die Ilm am Biberlehrpfad in Förnbach. Hans-Joachim Leppelsack hingegen liebt "die frei fließende Ilm zwischen Reichertshausen und der Riedermühle"

Für ihre menschlichen Anrainer ist die Ilm Wasser- und Energiequelle, idyllischer Erholungsort oder Ursache von Katastrophen - wie aber steht es um ihre Rolle als "Lebensraum" für Flora und Fauna? In Sachen Artenvielfalt, so sind sich Experten einig, ist da noch viel Luft nach oben.

Fragt man bei den ehrenamtlichen Vertretern von Bund Naturschutz (BN) und Landesbund für Vogelschutz (LBV) im Landkreis nach, hört man allseits die gleichen Klagen. Auf die Frage, wie sie den aktuellen Zustand der Ilm beurteilen, sind sich Christine Janicher-Buska als Vorsitzende der Ortsgruppe Pfaffenhofen-Hettenhausen-Ilmmünster des BN und der Kreisvorsitzende des LBV, Hans-Joachim Leppelsack, einig: Ein "guter ökologischer Zustand", wie er von der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie angestrebt wird, ist noch nicht erreicht - und wird wohl bis 2027 nicht zu erreichen sein.

Größte Probleme sehen beide in der Gewässerstruktur, die zwar "sehr variabel" aber nach den Regulierungsmaßnahmen des vergangenen Jahrhunderts "in den meisten Abschnitten schlecht ist", wie Leppelsack es formuliert. Auch der hohe Eintrag von Bodensubstrat aus der Landwirtschaft wird von beiden negativ gewertet. Janicher-Buska moniert, dass vielerorts bis an das Gewässer heran gepflügt werde - trotz Vorgaben des Wasserwirtschaftsgesetzes, das in der Regel an Flüssen Randstreifen von mindestens fünf Metern vorsieht. Bayern setze dieses Gesetz nicht konsequent um, und so "gelangen viele Agrarchemikalien und bei Hochwasser Teile der Ackerböden von den Äckern direkt in die Ilm", meint Leppelsack mit Blick vor allem auf den Landkreisnorden.

Ein Dorn im Auge ist BN wie LBV die hohe Anzahl der Querverbauungen, die - wie Janicher-Buska es plakativ formuliert - "den Lebensraum Fluss zerschneiden und die einzelnen Gewässerabschnitte wie ,Badewannen €˜ voneinander abtrennen". Man sehe hier auch Kommunen und Landratsamt in der Pflicht, auf Triebwerksbetreiber einzuwirken und Vergaberichtlinien "nach ökologischen Gesichtspunkten und mit Blick auf die Wassergüte ausrichten", sagt sie. Schließlich gelte: "Wer die Natur kostenlos nutzt, muss auch etwas für sie tun!"

Leider, so beklagen beide, hätten so gut wie alle Arten "am und im Fluss" gelitten - allen voran aber solche die "von Natur aus wandern, wie beispielsweise die Nase", so Leppelsack. Wie sie gebe es manche Fischart in der Ilm nur noch, weil Fischer sie einsetzen und sich um den Erhalt bemühen, ist auch Janicher-Buska überzeugt. Bei den wirbellosen Tieren "ist die Situation weitgehend unbekannt", räumt Leppelsack ein, aber "wohl auch dramatisch schlecht". Hier spiele die Begrenzung der Wandermöglichkeiten zwischen der Ilm und ihren Nebenbächen eine besondere Rolle.

"Profitiert haben vorwiegend Organismen, die eigentlich nicht in die Ilm gehören", sagt der Biologe mit Blick auf Pflanzen und Tiere vor den Staustufen, die "eigentlich in Teichen zu Hause sind. Die geringe Fließgeschwindigkeit lässt hier sogar Seerosen wachsen". Lediglich kleine Erfolge sieht Janicher-Buska: "Die Wasseramsel und der Eisvogel sind wieder häufiger zu sehen." Gleiches gilt für den Kormoran, der sich als Wintergast wohlfühlt. Und Leppelsack ergänzt: "Positive Entwicklungen gibt es vereinzelt durch Maßnahmen des Wasserwirtschaftsamts Ingolstadt." Hier sei insbesondere der Ilmabschnitt bei Nötting zu nennen.

Einer, der sich fleißig für eine abwechslungsreiche Ufergestaltung einsetzt und den Kontakt zu den flusstypischen Auen wieder herstellt, ist der Biber. "Wo es eine strukturreiche Uferbepflanzung gibt und der Biber am Werk ist, verändert sich der Fluss an jeder Stelle positiv und zieht neue, bereits verschwundene Arten nach", verweist Janicher-Buska auf entsprechende wissenschaftliche Untersuchungen.

Die Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden beurteilen beide Verbandsvertreter positiv. Von Janicher-Buska erhalten Wasserwirtschaftsamt, Landratsamt und Gemeinden die Note "sehr gut".

Obwohl sie die "Notwendigkeiten erkennen" hätten diese jedoch oft nicht genügend Personal, sodass das Ehrenamt im Naturschutz "wieder gefragt ist, um anzuschieben, Öffentlichkeitsarbeit zu machen und auf Missstände vor Ort hinzuweisen", so die BN-Vertreterin. Auch Leppelsack sieht die "mit der Ilm beschäftigten Behörden guten Willens". Aufgrund der Konstruktion ihrer Zuständigkeiten und der Gesetzeslage, "laufen sie wie Papiertiger an der Leine der bayerischen Politik", so ergänzt er jedoch.