Drei
Vor 20 Jahren endete der Kalte Krieg in Pfaffenhofen

31.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:23 Uhr

Foto: DK

Drei Jahrzehnte hatte die Stadt einen unterirdischen Fernmeldebunker. Zwar versuchte die Bundesrepublik Deutschland, den Bau der Anlage geheim zu halten - allerdings
ohne Erfolg. Am 1. April 1997 wurde die Einrichtung schließlich geschlossen.

Vor einem halben Jahrhundert hatte der Kalte Krieg in Europa seinen Höhepunkt erreicht. Die Kubakrise des Jahres 1963 hatte einen Dritten Weltkrieg zwischen den beiden sich in Europa gegenüberstehenden Militärblöcken, der Nato und dem Warschauer Pakt, greifbar werden lassen. Die Sicherheitsstäbe der westlichen Großmächte arbeiteten an einem sprichwörtlich "bombensicheren" Nachrichtensystem, um im Fall eines Atomschlags aus dem Osten verteidigungsbereit zu bleiben. Pfaffenhofen war ein Bestandteil in diesen Planungen und sollte einen unterirdischen Geheimbunker zur militärischen Nachrichtenübermittlung per Fernsprecher und Fernschreiber erhalten.

Pfaffenhofen wird Standort

einer Grundnetzschalt- und

Vermittlungsstelle

Schon Ende der 1950er Jahre setzten Planungen des Höheren Pionierstabs der Bundeswehr ein, die sich mit einem über die gesamte Bundesrepublik verteilten Kommunikationssystem beschäftigten. Dieses sollte auch im Fall eines atomaren Super-GAUs die Kommunikation der militärischen Standorte im Land sicherstellen. An 34 Orten in Westdeutschland sollten derartige Anlagen entstehen.

Auch Pfaffenhofen war als Standort auserwählt. Das seitens der Stadt vorgeschlagene Grundstück für den geplanten Bau bei Heißmanning wurde jedoch von der Bundeswehr abgelehnt. Die Anlage sollte wesentlich näher an der Stadt entstehen: Auf einem Hanggrundstück an der äußeren Ingolstädter Straße, auf dem sich Heimgärten befanden, wurde die Anlage schließlich errichtet. Voraussetzung für deren Funktionsfähigkeit war unter anderem die Nähe zu Fernmeldeleitungen der Bundespost, die in der Nähe des ausgewählten Standorts ihr Hauptverstärkeramt betrieb.

Die Errichtung der Anlage

Im Jahr 1962 begannen die Arbeiten an dem atombombensicheren militärischen Zweckbau auf dem gut 11000 Quadratmeter großen Grundstück. Mit einer Ausdehnung von rund 1400 Quadratmetern mussten reichlich Erdmassen bewegt werden, um den Betonkörper - in dem sich hinter zwei bis drei Meter dicken Betonwänden modernste Fernmelde- und Elektrotechnik verbergen sollte - zwei Meter unter der Erde in den Hang einzubauen, ihn mit Erdreich zu überdecken und zu tarnen. Nach drei Jahren waren die unter strengster Geheimhaltung laufenden Arbeiten beendet.

Wilde Gerüchte kursierten in der Bevölkerung. Sie spekulierte über den Zweck der Maßnahme und vermutete sogar eine unter der Erde errichtete Abschussrampe für Atomraketen. Wiederholt hatten Pfaffenhofener auf unterschiedlichen Wegen versucht, etwas über die Funktion des Baus herauszubekommen, und wagten sich zum Teil sogar nachts auf die Anlage. Scharfe Wachhunde sorgten jedoch schnell dafür, dass die nächtlichen Besucher vertrieben wurden und nichts herausbekamen.

Feind hört mit! Die

Planungen werden überwacht

Umso überraschender gestaltete sich eine Meldung des Radiosenders "DDR-Sender 904" zur Inbetriebnahme der Anlage am 2. Mai 1966. Darin begrüßte der Sprecher die neuen Mitarbeiter des Bunkers namentlich und gratulierte der Stadtbevölkerung zum Bunker, der sicher eines der ersten Ziele im Fall eines Atomkriegs werden würde. Die Mitarbeiter nahmen im Bunker ihre Tätigkeit auf, der Bau hieß offiziell "Grundnetzschalt- und Vermittlungsstelle der Bundeswehr (GSVBw66)" und war 29 mal 47 mal 10 Meter groß.

Bauliche Besonderheiten

Die rund 15 Millionen D-Mark teure Anlage besaß neben moderner Technik einige bauliche Besonderheiten. So musste sie einem Atombombeneinschlag standhalten können und war zur Schonung der technischen Ausstattung "schwimmend" im Erdreich gelagert, womit eine Abweichmöglichkeit von einem Meter im Falle einer Detonation erreicht wurde. Auch Panzersprengbomben bis 1000 Kilogramm und Atomwaffen bis zehn Kilotonnen Detonationskraft konnten - so in der Theorie - der Anlage nichts anhaben. Zudem sollte der Baukörper der thermischen und der Kernstrahlung sowie dem elektromagnetischen Impuls standhalten können.

Neben Räumen für den Fernmeldebetrieb, die der Bundeswehr unterstanden, und den Räumen der Deutschen Bundespost für die Fernmeldetechnik gehörte auch ein vorgelagerter Dekontaminierungsbereich zur Anlage. Dort sollten Personen, die atomar verseucht worden waren, chemisch gereinigt werden, ehe sie wieder in den eigentlichen Arbeitsbereich im Bunker gelangen durften. Die Stromversorgung war dreifach abgesichert. Neben der Anbindung an die Isar-Amperwerke gab es im Bunker einen Dieselmotor als Notstromaggregat sowie große, auf dämpfenden Federn ruhende Trockenbatterien, die im Notfall zusätzlich den Meldebetrieb aufrechterhalten sollten. Ein eigener Brunnen, aus dem zwei Wasserpumpen zehn Kubikmeter Wasser stündlich nach oben beförderten, stellte die Wasserversorgung sicher.

Die Arbeit "unter Tage"

Das Gebäude sollte den Fernsprech- und Fernschreibverkehr der militärischen Stellen innerhalb der Bundesrepublik sicherstellen. Zu diesem Zweck waren entsprechende Arbeitsplätze für das Personal vorgesehen, das die Telefonate per Steckverbindungen von Hand stöpselte. In Friedenszeiten war dies ziviles Personal, im Ernstfall hätten Soldaten die Tätigkeiten ausgeübt. Da das Klima im unterirdischen und fensterlosen Bunker auf die Funktion der Maschinen abgestimmt war, mussten die Beschäftigten einiges in Kauf nehmen: kühle Temperaturen, sehr trockene, aber stets zugige Luft und anfangs keine Schalldämmung, stattdessen die steten Geräusche der Anlagen in den Ohren. Im Dreischichtbetrieb arbeiteten 14 bis 20 Personen im Bunker, der zwei lange Quergänge und einen Verbindungstrakt besaß.

Die Bauart der Fernmeldestelle war so ausgelegt, dass das Personal bei einem völligen Abschluss von der Außenwelt noch für vier Wochen hätte versorgt und der Fernmeldebetrieb für diesen Zeitraum hätte aufrechterhalten werden können.

Das Ende des Kalten Krieges macht den Bunker überflüssig

Mit der in den 1980er Jahren einsetzenden Annäherung der beiden militärischen Blöcke änderte sich das weltpolitische Klima. Neben der beginnenden Abrüstung war die Wiedervereinigung Deutschlands ein sichtbares Signal für das Schwinden des Ost-West-Gegensatzes.

Neben den vom Planungsstab der Bundeswehr beschlossenen Schließungen zahlreicher Bundeswehrstandorte bestand nun auch keine Notwendigkeit mehr, das unterirdische System des Fernmeldewesens auf westdeutschem Gebiet aufrecht zu erhalten.

Schließlich wurde am 25. März 1997 der Fernmeldeverkehr eingestellt, die Stilllegung der "GSVBw66" erfolgte zum 1. April. Das Gelände fiel zwar an die Standortverwaltung zurück, der Bund zeigte jedoch an einer weiteren Nutzung kein Interesse. So ging die Anlage nach zähen Verhandlungen zwischen Stadt und Bund an die Kommune, nachdem zuvor sechsstellige Entschädigungszahlungen an den Bund im Raum gestanden hatten. Im August 2006 erwarb die von der Stadt verwaltete Heiliggeist- und Gritsch'sche Fundationsstiftung als Besitzerin des Grundstücks das Verwaltungsgebäude für eine einmalige Entschädigung in Höhe von 30 000 Euro, den Bunker gab es gratis dazu.

Nachdem der unterirdische Bunker jahrelang ein unbeachtetes Dasein fristen musste, ist er seit 2014 über die gefragten "Bunkerführungen" wieder ins Blickfeld der Menschen gelangt. Regelmäßig lassen sich Besuchergruppen von der beklemmenden Atmosphäre fesseln, die die unterirdische Anlage bis heute vermittelt.