Neuburg
Viel platter Klamauk

Das "Weiße Rössl" entpuppt sich als Herausforderung für das Publikum

25.04.2018 | Stand 23.09.2023, 3:01 Uhr
Bunte Kostüme, turbulente Chorszenen: Fürs Auge war jede Menge geboten bei der revuehaften, leider sehr in Klamauk abdriftenden Inszenierung des Singspiels "Weißes Rössl" im Stadttheater. −Foto: Hammerl

Neuburg (DK) Das Publikum im Neuburger Theater braucht lange, um warm zu werden mit dieser klamaukigen Inszenierung des Singspiels "Im Weißen Rössl". Im zweiten Teil nach der Pause werden die Gesangseinlagen besser, so dass nach verhaltenem Szenenapplaus am Ende doch noch ein kräftiger Schlussapplaus steht.

Zu Beginn jedoch wirken die Akteure wie ein drittklassiges Laientheater - oder vielmehr wie Profis, die Laien mimen sollen. Denn offensichtlich ist das Absicht. Immer wieder lassen die gut ausgebildeten Sänger ihrem Können freien Lauf, erfreuen mit Koloraturen und professionell gesungenen Takten, nehmen sich dann aber oft sehr abrupt zurück, verfallen teilweise sogar in eine Art Sprechgesang. So manches Duett, mancher Chorgesang wirkt da wie eine missratene Kollage.

Schade um die wunderschönen Melodien von Ralph Benatzky, Robert Stolz, Robert Gilbert und anderen Komponisten, denen das kleine Musikerensemble um den musikalischen Leiter Johannes Zurl am Keyboard ebenfalls nur bedingt gerecht wird. Das sollte auch mit kammermusikalisch kleiner Besetzung besser gehen.

Offensichtlich ist die Angst des Intendanten Claus J. Frankl vor einer vermeintlich zu seichten, kitschigen Inszenierung groß, was irgendwie aus der Zeit gefallen scheint, denn derzeit erlebt die Operette unbestritten eine Renaissance. Nachdem das Weiße Rössl ohnehin mit reichlich Augenzwinkern und skurrilen Typen angelegt ist, bräuchte es gerade bei diesem Singspiel keine zusätzliche Überspitzung. An Jan Reimitz' schmierigem Rechtsanwalt Dr. Otto Siedler ist ein Zuhälter verlorengegangen. Die schlecht sitzenden Perücken und Toupés sind einfach nur schaurig, die Schauspieler agieren völlig überzogen. Dabei könnte feine Situationskomik so witzig sein. Stattdessen wird dem eigentlich temporeichen Singspiel viel Schwung genommen und lediglich platter Klamauk gezeigt, Comedy, die auf ihre Art wirklich kitschig ist. Damit versöhnen flotte Steppeinlagen und temporeiche Chorszenen nur bedingt.

Vielleicht hat der müde, manchmal auch komplett ausbleibende Szenenapplaus ein Umdenken bewirkt, vielleicht hat sich aber auch das Publikum an die Inszenierung gewöhnt. Jedenfalls gelingt der zweite Teil deutlich besser, gelegentlich springt nun der Funke auch mal ins Parkett über, klatschen die Zuschauer mit. Stimmlich gefallen vor allem die Sängerinnen. Marie-Audrey Schatz, bisher nur im Chor versteckt, dreht als lispelndes Klärchen im Duett mit Sören Ergang als Sigismund Sülzheimer so richtig auf, Antje Bornemeier gefällt als Wirtin Josepha und Julia Domke gelingt der Wechsel zwischen den schrägen Koloraturen der Briefträgerin und der ernsteren Rolle der Ottilie ausgezeichnet. Als knurriger Berliner Giesecke, der sich nach Albeck wünscht und den Müggelsee dem Wolfgangsee vorzieht, überzeugt Bernd Gebhardt, Hermann Wallén gibt einen passablen Zahlkellner Leopold. Den kräftigsten Szenenapplaus erhält der Bariton Alois A. Walchshofer für die ausgezeichnete, gefühlvolle Interpretation des Liedes "Erst, wann's aus wird sein" von Hans Frankowski; Pascal Jounais ist der Kellner Piccolo auf den Leib geschrieben.

Zum Abschluss gibt es kräftigen Applaus, auch wenn die Reaktionen in der Pause gemischt gewesen sind. Dieses Weiße Rössl des Euro-Studios Landgraf ist definitiv Geschmackssache.

Andrea Hammerl