Obereichstätt
Wo die ersten Bauern auf die Jagd gingen

In der Lochschlaghöhle bei Obereichstätt lässt sich die Sesshaftwerdung nachvollziehen

24.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:30 Uhr

Foto: Josef Bartenschlager

Obereichstätt (DK) Die Jagd war erfolgreich. Aber der Weg nach Hause ist weit und es dämmert bereits. Die Männer suchen einen Unterschlupf und finden ihn in einem Felsüberhang. Jägerlatein macht die Runde; einer zeigt sein Statussymbol, ein prächtiges Messer. Am Morgen wird er es in der Höhle vergessen.

Ob sich die Szene vor Tausenden von Jahren so abgespielt hat, ist natürlich fraglich. Aber irgendwie müssen die scharfen Steinklingen, aus denen sich das Messer zusammensetzte, in die Lochschlaghöhle gekommen sein. Dort wurden sie jedenfalls im 20. Jahrhundert gefunden und sie erzählen eine spannende Geschichte aus der Zeit, in der die Menschen gerade sesshaft wurden.

Die Lochschlaghöhle bei Obereichstätt ist für den Archäologen und den Paläontologen ein ergiebiger Ort. Die Gesteinsformation liegt versteckt im Wald und sehr tief führen die Höhlen nicht in den Fels. Ideal als Unterstand und kurzfristige Herberge für eine Schar Jäger.

Hier setzte sich die Tätigkeit von Karl Gareis als Höhlenforscher fort. Er hatte bereits in der Mammuthöhle in Buchenhüll gegraben und weitere Höhlen unter die Lupe genommen, als er auf die Lochschlaghöhle stieß. Mit Hingabe setzte Gareis den Spaten an. Zum Vorschein kamen Klingen aus der Epoche kurz nach dem Ende der letzten Eiszeit, Sicheleinsätze aus der Bronzezeit, Steinwerkzeuge und Tierknochen mit Schnittspuren. Der Historische Verein veröffentlichte die Ergebnisse in seinem Sammelband von 1913. Gareis korrespondierte auch mit dem Urgeschichtlichen Forschungsinstitut der Universität Tübingen. Dann kam der Erste Weltkrieg und es wurde still um die Höhle.

Carl Gumpert, ein gelernter Architekt und verdienstvoller Hobbyarchäologe, organisierte 1950 eine Nachgrabung. Gumpert machte wichtige Funde aus der Mittelsteinzeit, dem Mesolithikum, darunter Widerhaken für eine Harpune. Diese Harpune, von der der Archäologe und Kreisheimatpfleger Karl-Heinz Rieder eine Nachbildung anfertigte, wird in populären Sachbüchern über diese Zeitspanne häufig erwähnt.

Eine Lehrgrabung ab November 1985 der Uni Tübingen förderte weiteres Material zutage: Pferdeknochen aus der Zeit um 10 000 vor Christus, Tierknochen, die auf die Jahre um 2000 vor Christus datiert werden, Keramik, Knochennadeln – Hammerkopfnadeln – und scharfe Feuersteinabschläge. Diese Silexartefakte dienten einst als Schneide für Sicheln und Messer – und einige davon führen zurück zum Beginn der Landwirtschaft.

Die ersten Gruppen von Bauern machten sich etwa 5500 vor Christus vom Balkan aus auf den Weg Richtung Norden. Sie wanderten um das Böhmische Becken herum, nach Mähren und Schlesien. Über Mitteldeutschland gelangten sie zum Rhein und Main und von dort nach Süddeutschland, bis ins Ries, wo sie gegen 5400 vor Christus ankamen. Sie repräsentieren die Älteste Bandkeramik. Elf Fundstellen in der Region 10 lassen sich nachweisen. Im Landkreis Eichstätt ließen sie sich in Buxheim, Eitensheim, Gaimersheim oder Kösching, also in den fruchtbaren Lößgebieten, nieder.

Etwa 100 Jahre später kamen erneut Siedler, diesmal schnurstracks die Donau hoch. Sie setzten das Siedlungsgeschehen fort. Von ihnen blieb viel Kulturschutt erhalten. Bei Grabungen in der Krone in Eichstätt kam ein Schuhleistenkeil zum Vorschein, in Kinding eine Scherbe und ebenso eine in der Lochschlaghöhle. Die Gebiete nördlich der Donau blieben interessant, Orte wie Egweil, Nassenfels und Buxheim. Um 4900 vor Christus setzen die Fachleute die Grenze zwischen Altneolithikum und Mittelneolithikum. Nassenfels, Eitensheim und Kösching wurden um diese Zeit dauerhaft besiedelt.

Damals entstanden die Erntemesser oder Sicheln mit Einsätzen aus Silex. Ihre Herstellung setzte technisches Wissen voraus: In ein Stück Holz – aus der Schweiz ist Esche nachgewiesen – wurde eine Nut eingebracht. Dort hinein schoben die Bandkeramiker die scharfen Feuersteinsplitter und befestigten sie mit Birkenteer, den sie im Schwelprozess herstellten. „Das geht ruckzuck – wenn man es kann“, sagt Rieder. Und woher weiß man, dass es sich um Erntemesser gehandelt hat? „Auf den Schneiden ist Sichelglanz zu sehen“, erklärt der Archäologe. „Das ist eine glänzende Politur, die entsteht, wenn man Gras schneidet.“

Gleichzeitig waren diese Messer Universalwerkzeuge, die auch eingesetzt wurden, um Fleisch zu zerteilen. Man weiß, dass die frühen Bauern viel Eiweiß von Wildtieren verzehrten. Dieses Fleisch machte etwa 40 Prozent des Gesamtfleischbedarfs aus, was die Auswertung von Knochenresten ergab. Als Jäger zogen sie manchmal aus, um das Dorf mit wohlschmeckendem Hirsch zu versorgen. Als Stützpunkt für die mehrtägigen oder vielleicht mehrwöchigen Streifzüge diente unter anderem die Lochschlaghöhle.