Neuburg
Drogenkriminalität auf konstant hohem Niveau

Rauschgiftfahnder Stefan Hagen erklärt, warum die Ermittler in Neuburg viel zu tun haben

22.01.2014 | Stand 02.12.2020, 23:10 Uhr

Ungewöhnliche Bürogestaltung: Die Neuburger Drogenfahnder haben in ihrem Vitrinenschrank eine Trophäensammlung eingerichtet - von der Bong bis zur Schreckschusspistole, von der Wasserpfeife bis zum Gummihanf. Die Beamten wollen kein Bild von sich in der Zeitung sehen - denn ein Zivilfahnder, den jeder kennt, hat schlechte Karten im Kampf gegen die Kriminalität. - Foto: Schanz

Neuburg (DK) Stefan Hagen redet Klartext: „Ein 16-Jähriger kann sich in Neuburg an Betäubungsmitteln alles besorgen.“ Der oberste Drogenfahnder in der Region sieht Neuburg bei der Rauschgiftkriminalität „seit Jahren auf relativ hohem Niveau“ stagnieren. Deshalb legt er viel Wert auf Prävention.

Sämtliche Utensilien, die der geneigte Bürger für einen ambitionierten Drogenkonsum brauchen könnte, finden sich in der Bahnhofstraße 108 in Neuburg, erster Stock, den Gang hinten rechts. Im Büro der Drogenfahnder stehen die Haschpfeifen sauber aufgereiht neben Schreckschuss-Sturmgewehren und Gummi-Hanfpflanzen. Die Trophäensammlung der Ermittler zeigt: Rauschgiftkriminalität gibt es nicht nur im großen Ingolstadt.

„Mit einer Großstadt kann man Neuburg natürlich nicht vergleichen, da hat man schon eine andere Schlagzahl“, sagt Stefan Hagen, der Leiter des Kommissariats für Rauschgiftkriminalität in Ingolstadt. „Aber es gibt in Neuburg eine relativ gute Griffnähe an Betäubungsmitteln.“ Im Vergleich zu Eichstätt und auch Pfaffenhofen liege Neuburg ganz klar vorne. Soziale Brennpunkte mit hohem Ausländeranteil und geringen finanziellen Mitteln gebe es auch: „Im Ostend zum Beispiel ist unsere Kundschaft schon relativ vertreten“, sagt Hagen. Die Statistik verzeichnete 2012 für die Polizeiinspektion Neuburg 140 Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Für 2013 melden die Ermittler einen Anstieg. Doch Stefan Hagen warnt davor, die Zahlen falsch zu beurteilen. Weil es sich um eine Tatortstatistik handle, wird zum Beispiel ein Neuburger Dealer, der in Ingolstadt festgenommen wird, auch dort gezählt. Das verfälsche den Blick, denn natürlich sind die Drogenfahnder in Ingolstadt aktiver. „Schrobenhausen ist betäubungsmittelrechtlich auch keine Insel der Glückseligen, auch wenn die Zahlen einen starken Rückgang zeigen“, erklärt Hagen. „Wenn die Griffnähe in Schrobenhausen nicht so gut ist, wird eben nach Neuburg gegangen.“ Seine Einschätzung ist deshalb klar: „Es gibt keine Entspannung.“ Auch in Neuburg könne man alles bekommen.

„Ganz stark auf dem Vormarsch sind die sogenannten Kräutermischungen“, sagt Hagen. „Die kommen scheinbar harmlos daher, sind aber Teufelszeug“, mahnt der Experte: synthetische Cannabinoide, die als legale Kräuter angepriesen werden. Verkauft werden sie fast immer über das Internet. „Die Vertriebsstrategie besteht in der scheinbar legalen Fassade. Die Kunden denken, das wird im Internet verkauft, dann muss es ja legal sein“, sagt der Ermittler. Auch die Eltern seien meist „absolut unaufgeklärt“ und denken sich bei den hochwertigen und professionellen Verpackungen nicht viel.

Immer noch der Klassiker sei Marihuana. Allerdings sei die Qualität durch spezielle Züchtungen und professionelle Anbautechniken erheblich gestiegen. Mit dem Gras von vor 30 Jahren habe das heutige Marihuana nicht mehr viel gemeinsam. „Das ist wie wenn man einen Mexico-Golf mit einem Siebener Golf vergleicht“, sagt Hagen. Der THC-Gehalt sei heute enorm. „Wenn jemand hochgradig cannabissüchtig ist, dauert der Entzug genauso lange, wie bei Heroin“, sagt er deutlich. Das sei vielen Eltern und auch Politkern nicht klar.

Weitaus gefährlicher ist allerdings eine Flut aus Osteuropa, gegen die sich die Drogenfahnder besonders stemmen: Chrystal. Das hochkonzentrierte Amphetamin gelangt in immer größeren Mengen in unsere Region. Die zusammengerunzelten Fratzen von Süchtigen sollten eigentlich Warnung genug sein, doch offenbar finden die Dealer genügend Abnehmer.

Was ist mit Ecstasy? „In der Region 10 nicht sehr verbreitet. Hat starke Konkurrenz durch Chrystal“, antwortet Hagen.

Kokain? „In unserer Region vernachlässigbar.“

Heroin? „Da haben wir eine stabile Szene. Auch in Neuburg gibt es ein paar gute Altgiftler.“

Opium? „Das ist nur für Heroinsüchtige interessant.“

LSD? „Vernachlässigbar.“

Engelstrompete, Stechapfel oder Magic Mushrooms? „Spielen alle keine große Rolle.“

Rauschgiftkriminalität habe nichts mit gesellschaftlichen Schichten zu tun, sagt der Fahnder. „Das geht quer durch die Bildungsschichten.“ Erfahrungsgemäß lasse sich aber sagen: Je niedriger die Bildungsschicht, desto intensiver der Konsum und desto schneller der Umstieg zu harten Drogen.