Neuburg
"Wir wollen etwas zurückgeben"

Hochbetrieb in der Neuburger Tafel – 70 Ehrenamtliche versorgen 600 Bedürftige

13.12.2015 | Stand 02.12.2020, 20:26 Uhr

Der Tafel-Kapo ist Karl-Heinz Wunderlich (oben). Die Helferinnen arbeiten wie im Supermarkt.

Neuburg (r) Der Chef betritt mit einer Kiste Mettwürste den Vorraum. Sofort bildet sich ein Pulk mit 15, 20 Besuchern, jeder will ein Stück erwischen. Symptomatisch ist die Szene nicht für die Neuburger Tafel, aber sie zeigt, wie etabliert und eingefahren ihr Angebot geworden ist.

Dennoch ist es alles andere als selbstverständlich, dass 70 ehrenamtliche Helfer zwei Tage in der Woche opfern, um Lebensmittel an 600 Bedürftige zu verteilen. Der Kreis der Empfänger wächst und wächst. Asylbewerber versorgt die Tafel nicht, weil sie entweder Essensgeld erhalten oder – in der Erstaufnahme – regelmäßig mit warmen Essen versorgt werden. Anerkannte politische Flüchtlinge dürfen sich in der Tafel bedienen.

Abholer bezahlen zwei Euro. „Der kleine Beitrag erhöht das Selbstwertgefühl der Menschen“, weiß Vereinsvorsitzender Karl-Heinz Wunderlich. Und jeder erhält dann Lebensmittel im Einkaufswert von 50 bis 100 Euro.

Die Neuburger Tafel funktioniert wie die anderen 930 Tafel-Vereine in Deutschland. Ein kleiner Trupp holt meistens am Montag die Waren von Supermärkten, Discountern, Einzelhändlern und den Milchwerken ab. Die Spender verlangen nichts dafür. Die Lebensmittel stehen kurz vor dem Ablaufdatum, sind aber einwandfrei. Gemüse, Bananen oder Joghurts gehen schneller weg. Wunderlichs Truppe entsorgt „angeschlagene“ Lebensmittel und putzt sogar Gemüse.

Am Mittwoch, dem Ausgabetag, geht es zu wie in einem Supermarkt vor den Feiertagen. Flinke Hände stellen die Pakete zusammen und reichen sie weiter. „Mir geht es gut, und ich möchte Schwächeren etwas zurückgeben“, erklärt Maria Stelzer ihren Einsatz. Rentner und junge Leute helfen mit.

Karl-Heinz Wunderlich ist der unumschränkte Chef. Der frühere „Spieß“ der Bundeswehr hat klare Regeln eingeführt. Sie vermeiden Ausgabe-Chaos. Die Abholer erhalten Nummern, und einer nach dem anderen betritt den Thekenraum. Es funktioniert, jeder erhält sein Paket. Familienversorger schleppen größere Kontingente nach Hause.

Die ältere Generation wirft nichts weg, sie kennt schlechtere Zeiten. Aber es kämen viel zu wenig arme Rentner zur Tafel in der Richard-Wagner-Straße. Die Hemmschwelle sei zu groß.

Die Neuburger Tafel hat eine beachtliche Logistik aufgebaut. Drei bis fünf Tonnen Lebensmittel transportieren die Helfer wöchentlich mit ihren drei Autos. Manchmal müssen Paletten abgeholt werden. Aber es gibt auch Sonderaktionen wie kürzlich von der Rewe-Kette, die mit Kundenspenden (jeweils fünf Euro) eine stattliche Ration zusammengestellt hat. 150 große Tüten gingen in der Neuburger Tafel weg. Momentan drängen die Lieferungen richtig herein. Nach der Weihnachtszeit lässt es wieder nach.

Politiker wie Landrat Roland Weigert und Oberbürgermeister Bernhard Gmehling bekunden großen Respekt vor der Leistung des Tafel-Trupps. Aber es gibt auch negative Rückmeldungen. So hätten sich Besitzer von Eigentumswohnungen am Schwalbanger beschwert, dass ihre Immobilien durch die Tafel an Wert verlieren würden.

Karl-Heinz Wunderlich will der Gesellschaft auch etwas zurückgeben, und damit geht er an seine Grenzen. Ein Schlaganfall liegt zurück. Aber es geht weiter nach 17 Jahren Tafel. „Am besten wäre es jedoch“, so Wunderlich nachdenklich, „wenn es uns nicht geben müsste“.