Neuburg
Von Spießern und Rechthabereien

Volksbühne Schrobenhausen spielt "Die zwölf Geschworenen" mit interessanten Figuren

20.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:11 Uhr
Bei diesen „12 Geschworenen“ von der Schrobenhausener Volksbühne geht es immer wieder ganz schön zu Sache. −Foto: Josef Heumann

Neuburg (lm) Ein Stück, eigentlich ein Film, das in einem Land mit Todesstrafe und damit der Unumkehrbarkeit eines Urteils noch ungleich mehr Brisanz birgt. Freilich, arg viel mehr Erkenntniswert, als dass es Fehlurteile immer wieder geben kann und wird, besitzen Reginald Roses "Zwölf Geschworenen" nicht. Die Spieler von der jetzt zweimal in Neuburg gastierenden Volksbühne Schrobenhausen jonglieren recht geschickt mit dem Umstand, dass das Stück mehr hermacht als dahintersteckt. Den Juristen Georg Berger als Theatermann und für die Produktion verantwortlich mag das Wagnis auf schmalen Grat zwischen Urteil, Vorurteil und Fehlurteil gereizt haben.

Reginald Rose spielt aufreizend mit dem Thema, schafft in Cinema-Länge, wovon der ehrgeizigste Jurist nur träumen mag, einen Fall so von Kopf auf die Füße zu stellen.

 

Aber was sagt das wirklich? Im konkreten Fall der "12 Geschworenen" , dass das Gericht zuvor recht schlampig oder womöglich eben nicht vorurteilsfrei gearbeitet hat. Sonst könnten nicht plötzlich so viel Zweifel aufkeimen, dass einer der Geschworenen nach dem anderen in seinem Urteil "schuldig" kippt. Grundsätzlich aber ist die Erkenntnis, dass jede Wahrnehmung subjektiv ist, trivial und befreit dennoch den Menschen nicht von der Notwendigkeit, Entscheidungen treffen zu müssen.

Im speziellen Theater-Fall geht es um einen 19-jährigen Jungen, dessen Vater erstochen aufgefunden wird. Vieles spricht dafür, dass der milieugeschädigte, vorbelastete Junge der Täter ist. Vor allem: Absolut nichts weist auf einen Dritten als möglichen Täter hin. Und dennoch köchelt unter den Geschworenen jetzt der Zweifel, könnte nicht der oder jene Zeuge sich geirrt haben und und und - Fragen, die den altgedienten Amtsrichter Georg Berger wohl oft schon in seinem Berufsleben begleitet haben, ständig damit konfrontiert, um Fehlurteile wissend dennoch als Richter Urteil sprechen zu müssen.

Fragen, Konflikte, die den Juristen begleiten, den Psychologen auf den Plan rufen, das Theater indes weniger berühren. Zu fremd ist der Fall, zu künstlich das Konstrukt, zu mager letztlich der Ertrag. Außer der eine mögliche, der schale Geschmack, dass im Grunde beide Stück-Ausgänge ein ungutes Gefühl beim Zuschauer hinterließen, dass womöglich gerade ein Mörder laufen gelassen wird wie dass ein Unschuldiger auf dem Elektrischen Stuhl landet. Die Chance, den Zuschauer in diese Ungewissheit zu entlassen, hat Regisseur Georg Berger ausgelassen, dazu bleibt die ganze Inszenierung zu brav an der den einen oder anderen Strich durchaus vertragenden Vorlage.

Aus der Berger ansonsten sehr viel rausgeholt hat. Im Grunde ist das ganze Unterfangen ja eine ausgesprochen undankbare Sache. Zwölf Leute sitzen um einen Tisch und reden, das war's. Aber Berger schafft es, die Spannung zu halten, den Zuschauer lange im Ungewissen zu lassen, je eindeutiger der Ausgang sich abzeichnet, scheint das Unwahrscheinliche dennoch immer möglich - bis auf die letzte Szene, die im Stück wie im Spiel bloß aufgesetzt wirkt. Zuvor aber überwindet Berger mit seinen Akteuren viel Stereotype. Es entstehen Figuren, fast jede mit ihrer eigenen Geschichte. In diesem Konglomerat aus Mief, Spießigkeit, Dummdreistheit und Rechthaberei menschelt es gefährlich.