Neuburg
"Die Donau-Auen wären ein Entwicklungs-Nationalpark"

Landesbund für Vogelschutz und Bund Naturschutz kontern die Kritik des Naturfilmers Heidemeier

16.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:41 Uhr

Überschwemmter Wald an der Donau: Künstliche Flutungen bei Grünau führen zu einer Dynamisierung der einstigen Flussauen. - Foto: LBV

Neuburg (DK) Das Interview mit Naturfilmer Günter Heidemeier, der den Sinn eines Nationalparks Donau-Auen bei Neuburg, in Frage stellt (wir berichteten), schlägt hohe Wellen. Am Freitag haben Rudolf Wittmann vom Landesbund für Vogelschutz und Christine Margraf vom Bund Naturschutz eine Stellungnahme dazu abgegeben.

Margraf und Wittmann wundern sich sehr über die Aussagen von Heidemeier, ganz besonders über die Einschätzung, er habe in dem Gebiet "nichts wirklich Besonderes" gefunden. Die beiden engagierten Naturschützer kennen sich im europäischen Vogelschutzgebiet (SPA) "Donauauen zwischen Lechmündung und Ingolstadt" sehr gut aus. Margraf und Wittmann sind von der herausragenden Artenvielfalt in dem Gebiet, das gleichzeitig als FFH-Gebiet ausgewiesen ist, überzeugt. "In diesem Bereich sind mehr als 3000 Tierarten nachgewiesen", so die Naturschützer. Zu den zahlreichen Vogelarten zählen demnach alle sieben Spechtarten - Buntspecht, Mittelspecht, Kleinspecht, Grauspecht, Grünspecht, Schwarzspecht und Wendehals - des Flachlandes Mitteleuropas. Etwa 27 Prozent aller bayerischen Mittelspechte brüten im Gebiet ebenso wie etwa 15 Prozent des deutschlandweiten Bestandes des Halsbandschnäppers. "Die hiesigen Auen sind auch das Hauptverbreitungsgebiet des Pirols in Bayern. Einige Brutreviere des Uhus sind nachgewiesen. Der erste Brutnachweis des Seeadlers ist in den nächsten Jahren zu erwarten", heißt es in dem Schreiben.

Holzbewohnende Käferarten, ein Nachweis des in Deutschland als ausgestorben geltenden Breitrüsslers, Libellen, Fledermäuse und Wasserschnecken führen die Naturschützer ins Feld, dazu mehr als 500 Pflanzenarten, die hier zu finden sind, darunter gefährdete Arten der "Roten Liste", die in Auen ihren Schwerpunkt haben. "Als deutschlandweit ganz besonders anzusehen ist der Reichtum an Frühlings-Blühern, der mit Märzenbecher und Blaustern gerade beginnt." Artenreiche Brennen, Orchideen, und, und, und.

"Fast die gesamte für einen Nationalpark in der Diskussion befindliche Kulisse ist bereits europäisches Natura-2000-Gebiet, teilweise sogar Naturschutzgebiet. In diesen Gebieten ist jedoch die forstliche Nutzung weiterhin erlaubt. Sie muss sich zwar am Verschlechterungsverbot und an den fachlichen Ansprüchen von Arten orientieren, Verstöße dagegen müssen dann aber im Einzelfall mühsam kritisiert werden - siehe aktuelle Rodungen der Forstverwaltung des Wittelsbacher Ausgleichsfonds." Die wesentlich bessere und naturschutzfachlich gebotene Maßnahme sei daher, auf die Nutzung in den Auwäldern generell zu verzichten - wie es in der Kernzone eines Nationalparks das Ziel sei.

Wittmann und Margraf argumentieren weiter: "Natürlich ist die Donau stark verändert und durch Staustufenbau und andere Verbauungen stark beeinträchtigt. Auch die Auwälder sind deswegen nicht mehr in einem natürlichen Zustand. Aber alleine die Tatsache, dass auf so großer Flächen zusammenhängende Auwälder überhaupt noch erhalten sind, macht das Gebiet - wie übrigens auch die großen Auwälder an der Mittleren Isar, die als Ergänzung im Gespräch sind - schon bundesweit bedeutsam." Dass bei Ingolstadt und Neuburg empfindliche Lücken im Gebiet seien, sei nicht positiv, aber kein Gegenargument. "Der Auen-Nationalpark wäre daher ein Entwicklungs-Nationalpark, was das Naturschutzgesetz auch explizit ermöglicht, da es in Mitteleuropa kaum noch wirklich natürliche Gebiete gibt." Ein Ziel sei, die begonnenen Renaturierungen in größerem Umfang und mit größerer Wirkung in der Fläche fortzuführen, um wieder mehr natürliche Dynamik in das Gebiet zu bringen. Und das zweite zentrale Ziel sei die Einstellung der forstlichen Nutzung.

"Das Vorbild des Auen-Nationalparkes Donauauen bei Wien (das übrigens als Schifffahrtsstraße, durch Begradigungen und Pappelbestände auch nicht natürlich war) zeigt, wie wirksam und für die Natur wertvoll Renaturierungsmaßnahmen und der Verzicht auf die forstliche Nutzung sein können", stellen die Naturschützer fest.

Weiterhin heißt es in der Stellungnahme: "Die Größe eines Nationalparks hängt von den naturräumlichen Gegebenheiten ab. Auwälder sind per se von Natur aus nur im schmalen Streifen entlang des Flusses ausgebildet - soweit das Hochwasser reichte. Die Ausprägung als schmales Band ist daher kein Hinderungsgrund." Die Auwälder an der Donau bei Neuburg und an der Isar unterhalb von Freising gehören laut BN und LBV zu den breitesten erhaltenen Auwäldern in Bayern und nehmen stellenweise noch die gesamte Aue ein. "Auch die absolute Größe ist primär durch die Vorgaben der Natur bedingt, beispielsweise hat der Nationalpark Jasmund auf Rügen (Kreidefelsen) auch nur eine Größe von 3000 Hektar - weil halt von Natur aus nicht mehr Fläche an Kreideküste da ist."

Abschließend zählen die beiden Naturschützer zusammenfassend eine Liste an Gründen für den Nationalpark Donau-Auen auf, der Sinn mache, "weil Flüsse und Auen zu den artenreichsten, aber auch gefährdetsten Lebensräumen Mitteleuropas gehören, deren biologische Vielfalt in Wäldern ohne forstwirtschaftliche Nutzung deutlich erhöht ist und deren biologische Vielfalt - und auch der Erholungswert - mit steigender Naturnähe deutlich zunimmt", weil der bestehende Schutz nicht ausreiche, die Menschen mehr über die natürliche Entwicklung der Auwälder und renaturierter Flüsse ohne menschliche Nutzung wissen und von ihr lernen sollten - gerade vor dem Hintergrund zahlreicher aktueller Veränderungen. "Weil ungenutzte Bereiche und Wildnis in unserer Landschaft extrem selten geworden sind, weil wir für den Erhalt der besonders artenreichen Donau mit ihren Alpen-Zuflüssen eine europaweite Verantwortung haben, weil Auen im Nationalpark-Netz unterrepräsentiert sind, weil an der hiesigen Donau sowie an der mittleren Isar die größten zusammenhängenden und naturschutzfachlich wertvollsten Auwälder erhalten geblieben sind."