Neuburg
Geschwader bereitet sich auf Heimkehr und Baltikumeinsatz vor

Im August könnten erste Maschinen in Zell landen – Ab September unterstützen Neuburger Soldaten die Nato-Mission in Estland

06.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:56 Uhr

Ein Eurofighter des Taktischen Luftwaffengeschwaders 74 in der Luft: Schon im August könnten erste Maschinen wieder am Flugplatz Neuburg-Zell landen. - Foto: Golz/Luftwaffe

Neuburg (szs/dpa) Die deutsche Luftwaffe wird sich ab September wieder an der Nato-Schutzmission im Baltikum beteiligen, um von Estland aus den Luftraum zu sichern – dabei werden auch wieder Neuburger Soldaten im Einsatz sein. Anders als im Vorjahr wird dieses Mal das Taktische Luftwaffengeschwader 31 Nörvenich die vier Eurofighter stellen, das Neuburger Geschwader schickt Personal zur Unterstützung, vom Piloten bis zum Techniker.

„Wir wissen noch nicht, wie viele Soldaten wir abstellen werden“, sagt Gordon Schnittger, stellvertretender Kommodore des Taktischen Luftwaffengeschwaders 74. Sicher sei aber, dass einige seiner Kameraden Weihnachten wieder auf dem Flugplatz Ämari in Estland verbringen werden.

Der bevorstehende Einsatz droht für die beteiligten Soldaten erheblich anstrengender zu werden als der im Vorjahr. Weil von September an neben der Bundeswehr nur noch Ungarn Kampfjets für die verstärkte Nato-Luftraumüberwachung zur Verfügung stellt, werden die deutschen Flugzeuge vermutlich bis zu ihrer Ablösung im Januar vier Monate lang in Dauerbereitschaft sein.

Bislang folgte auf eine Woche bewaffneter Luftraumüberwachung – „Hot Week“ – stets eine Woche ohne Bereitschaft, in der nur Trainingsflüge anstanden – „Cold Week“. Der Wegfall der Übungswochen bedeutet, dass die Zahl der sogenannten Alarmstarts deutscher Eurofighter deutlich steigen dürfte.

Mit ihnen reagieren die Nato-Staaten auf russische Flugmanöver im internationalen europäischen Luftraum. Innerhalb von 15 Minuten müssen die Jets im Alarmfall in der Luft sein, um die russischen Flugzeuge zu überwachen. Deswegen schlafen die Piloten vom Dienst nach Bundeswehrangaben sogar im Fliegerdress in unmittelbarer Nähe zu den Maschinen.

Diese Bereitschaft der Alarmrotte ist für die Piloten und Techniker Routine: Auch für die Überwachung des süddeutschen Luftraums sind sie stets im QRA-Modus („Quick-Reaction-Alert“). Momentan starten die Eurofighter des Taktischen Luftwaffengeschwaders 74 von Lechfeld aus, weil die Landebahn am Flugplatz Neuburg-Zell erneuert wird (wir berichteten). Bis die Arbeiten abgeschlossen sind, nähern sich die Piloten nur für simulierte Trainingslandeanflüge ihrem Heimatflugplatz. „Wir hoffen weiterhin, dass schon im August die ersten Eurofighter wieder in Zell landen können“, sagt Schnittger. Im September solle dann die Rückverlegung beginnen, ab Oktober soll wieder Regelflugbetrieb in Neuburg herrschen. Die Arbeiten am neuen Tower schreiten derweil voran, Ende 2016 soll er fertig sein, Anfang 2017 in Betrieb genommen werden. Neubau und Abriss des alten Gebäudes werden laut Luftwaffe rund 13 Millionen Euro verschlingen. „Mit der Rückverlegung nach Neuburg wird die Belastung durch das Pendeln für viele unserer Soldaten kleiner“, erklärt der stellvertretende Kommodore.

Zunächst steht aber Estland an. Dort gibt es viel zu tun. Die Zahl der Nato-Abfangmanöver in Europa hat sich mit der Ukrainekrise und den neuen Spannungen mit Russland massiv erhöht. Im vergangenen Jahr gab es in Europa insgesamt 442 Starts als Reaktion auf russische Flugbewegungen, in diesem Jahr waren es nach Bündnisangaben bereits mehr als 240. Die meisten Einsätze wurden von den Luftwaffenstützpunkten Siauliai in Litauen und eben Ämari aus geflogen.

Die Ex-Sowjetrepubliken Estland, Lettland und Litauen fühlen sich von der Politik Russlands besonders bedroht. Auf ihren Wunsch hin hatte die Nato im vergangenen Frühjahr entschieden, die Luftraumüberwachung im Baltikum zu verstärken. Seitdem waren dort ständig 16 Kampfjets stationiert, die im viermonatigen Wechsel von je vier Bündnispartnern gestellt wurden. Am Dienstag bestätigte die Nato allerdings, dass von September bis Ende Dezember nur Ungarn und Deutschland je vier Flieger stellen werden.

In der Diskussion um die Halbierung der Kampfjet-Zahl für die Luftraumüberwachung wollte das Bundesverteidigungsministerium am Mittwoch die Bündnispartner nicht kritisieren. Auf Deutschland kämen selbst bei einer deutlichen erhöhten Anzahl Alarmstarts keine wesentlichen Zusatzkosten zu, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Grund sei, dass die Zahl der Flugstunden in Übungswochen in etwa der in Einsatzwochen entspreche.

Die Nato betonte am Mittwoch erneut, dass die Reduktion des Engagements von Mitgliedstaaten vorerst nicht die Fortsetzung des Einsatzes gefährde. „Die Militärstellen sind der Ansicht, dass acht Flugzeuge zur Sicherung des baltischen Luftraumes derzeit ausreichen“, sagte die Sprecherin Carmen Romero. Derzeit seien nur deshalb 16 Flugzeuge im Einsatz, weil sich so viele Länder an den Abschreckungsmaßnahmen hätten beteiligen wollen.