Neuburg
Ein gesellschaftskritischer Auftakt

1. Figurentheatertage: Fadenspieler begeben sich mit Carl Orffs Oper "Die Kluge" auf neues Terrain

29.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:45 Uhr

Spiel auf mehreren Ebenen und parallelen Spielorten: Mauleselmann und Eselmann streiten vor dem König, der offenbar schläft und prompt ein Fehlurteil fällt. Worum es geht, zeigt die Szene links, wo die drei Vagabunden die Geschichte erzählen, wie in der Nacht ein Fohlen geboren und am Morgen näher am Maulesel liegend aufgefunden wird. - Foto: Hammerl

Neuburg (DK) Eigentlich sind sie ja viel zu klein für die - vergleichsweise - große Bühne des Neuburger Stadttheaters. Dass die Marionetten der Neuburger Fadenspieler dennoch mit Carl Orffs "Die Kluge" groß herauskommen, ist geschickter Lichttechnik, Bühne und Assistenz der Puppenspieler zu danken.

Die spielen sichtbar (mit) - eine ganz besondere Herausforderung für das achtköpfige Ensemble, das damit sein 25-jähriges Jubiläum im Rahmen der 1. Neuburger Figurentheatertage feiert. Das Märchen von der klugen Bauerntochter, die dem König bei Ungerechtigkeiten tapfer und klug die Stirn bietet, ist bestens geeignet für das überwiegend erwachsene Publikum im gut gefüllten, wenn auch nicht ausverkauften Stadttheater.

Denn die 1943 in Frankfurt uraufgeführte Oper hat nicht nur eine märchenhafte Handlung zu bieten, sondern überraschend viel Gesellschaftskritik, die Orff, der nicht nur komponierte, sondern auch das Libretto verfasste, drei liederlichen und rotzfrechen Vagabunden in den Mund gelegt hat. "Wer nichts hat, der soll auch nichts begehren", verkünden sie beispielsweise - aus Sicht der Oberen natürlich.

Ariane Gerstner, Luise Ilchmann und Uschi Golling ziehen die Strippen der drei und müssen dabei manche Verrenkung vollziehen, unter anderem schaukeln zwei der Burschen auf den Beinen der Puppenspielerinnen oder Ilchmann muss sich auf Zehenspitzen stellen und recken, um ihren Lumpen in die rechte Position zu bringen. Das ist das Faszinierende an dem Werk, mit dem die Fadenspieler gleich mehrfach neues Terrain betreten. Zum einen ist eine Oper natürlich etwas Besonderes. Während die Spieler sonst die meisten Texte ihrer Puppen selber sprechen, müssen sie hier die Bewegungen punktgenau auf die eingespielte Musik abstimmen. Zum anderen sind sie - wenn auch im Dunkeln, schwarz gekleidet und weitgehend unbeleuchtet - sichtbar. Zeit genug zum Beobachten der Bewegungen von Spieler und Puppe lassen die markanten, ungeheuer eingängigen Opernarien - schon der Auftakt des Bauern "O hätt ich meiner Tochter nur geglaubt" erweist sich als ausgesprochen hartnäckiger Ohrwurm, auch einen Tag später noch. Klemens Wesolowski hat nicht nur gemeinsam mit Edeltraud Schubert Bühnenbild und Turmbau übernommen, sondern bringt auch gleich zwei Puppen zum Tanzen - den Bauern und den Eselmann. Der ist in Streit geraten mit dem Mauleselmann, den Margit Kramer dirigiert, die zudem noch die Titelfigur an den Strippen hält.

"Die Kluge" ist von der Bauerntochter zur Königin geworden, weil sie drei schwierige Rätsel spielend leicht lösen konnte. "Ich werde dich heiraten", beschließt der König (Edeltraut Schubert) - gefragt wird die unfreiwillige Braut nicht. Sie reagiert mit der Frage, ob ihr Vater dann aus dem Kerker frei käme? Was der Kerkermeister (Uli Mares) sogleich in Auftrag bekommt. Allen Unkenrufen der Strolche zum Trotz scheint die königliche Ehe zu funktionieren - bis der König ein Fehlurteil fällt und ein Eselfüllen einem Mauleselbesitzer zuspricht, obwohl Maulesel in der Regel unfruchtbar sind. Der Eselbesitzer verzweifelt, doch die Kluge hilft ihm, dem König die Augen zu öffnen und sein Unrecht zu erkennen. Woraufhin sie selbst der Zorn des Königs trifft. Diesmal gelingt es ihr, eine Lösung à la Lysistrata zu finden - Ende gut, alles gut.

Und Fadenspieler wie ihre Fans sind um eine neue, eindrucksvolle und vielschichtige Puppenspielvariante reicher. Das siebenköpfige Puppenspielerteam und Assistentin Gabi Rost haben die Herausforderung bestens gemeistert und neben Bravorufen, anhaltendem Applaus und mehreren (gedachten) Vorhängen gab's dafür Blumen von Neuburgs Oberbürgermeister Bernhard Gmehling.