Neuburg
Die Krux mit der Wahrheit

Stadttheater: Aus einem heiteren Geschlechter-Schlagabtausch wird ein Psychodrama

22.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:39 Uhr

Es fängt so harmlos an: Marianne (Alexandra von Schwerin) erzählt ihrem Mann Serge (Mathieu Carrière) von einem Unfall - dabei gerät ein kleines Sandkorn ins Getriebe ihrer eigentlich gut geölten Ehe und am Ende hinterfragt sie seine Treue. - Foto: Hammerl

Neuburg (DK) Die Wahrheit - die kann unbequem sein. Wenn es dann auch noch um "Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit" geht, dann ist die Grenze zum Absurden nicht weit. Alexandra von Schwerin und Mathieu Carrière spielen das Ehepaar in der tragikomischen Komödie mit Grandesse.

Jede Menge Wortwitz, "typisch weibliche" Sinnverdrehungen, vermeintliche Fehlinterpretationen und ja, am Ende auch traurige Wahrheiten bietet das Stück aus der Feder von Eric Assous. Es gibt viel zu lachen beim Gastspiel der Komödie im Bayerischen Hof, doch am Ende bleibt ein bitterer Nachgeschmack, denn wer die Wahrheit sucht, muss sie auch ertragen.

Es geht harmlos los. Marianne (Alexandra von Schwerin) erzählt ihrem Mann Serge (Mathieu Carrière) ausführlich von einem Autounfall, den sie am Morgen hatte, während er sich hinter seiner Zeitung versteckt und es schafft, jovial lächelnd mit halbem Ohr zuzuhören. Szenen einer Ehe - allerhöchster Wiedererkennungswert für alle, die länger als (höchstens) zehn Jahre verheiratet sind. Sie redet sich in Fahrt, er erträgt es gelassen. Doch plötzlich kommt eine neue Note hinein. Auf der Visitenkarte des Unfallgegners steht ein Name, den Marianne kennt, und es stellt sich heraus, dass er der Cousin jener Nachbarin ist, auf die Marianne zu Beginn ihrer Beziehung mit Serge eifersüchtig war. Ein Verhältnis mit jener Sophie hat Serge jedoch stets geleugnet. Weil es bequemer war, wie er nun nach langem Insistieren gesteht. Marianne lässt nicht mehr locker, jedes Wort legt sie auf die Goldwaage, dreht und wendet es und befindet es als schwerwiegend. "Serge mich nicht", brummt ihr Mann mehrfach und zunehmend genervt, bewahrt aber seine Gelassenheit. Allein, er hat keine Chance, all seine Beteuerungen, Sophie interessiere ihn nicht, gehen ins Leere. Marianne gibt Serges Telefonnummer über den Unfallgegner an die gerade in Scheidung lebende Sophie weiter und die ruft tatsächlich an, ein Treffen wird vereinbart, kommt allerdings dann doch nicht zustande, weil beide Partner unabhängig voneinander mit Sophie Kontakt aufnehmen.

War die Komödie zu Beginn noch ein heiterer Geschlechter-Schlagabtausch auf sprachlich hohem Niveau, so spitzt sie sich nun zu einem Psychodrama zu. Stück um Stück lässt sich Serge Details aus der Nase ziehen, immer abstruser scheint Mariannes Eifersucht, so dass sich beim Zuschauer der Verdacht einschleicht, Serges' Teilgeständnisse dienten nur ihrer Beruhigung beziehungsweise seinem Ziel, sie möge endlich Ruhe geben. Braucht Marianne einen Psychiater oder gar eine geschlossene Anstalt, wie Serge impliziert? Oder hat sie nicht am Ende sogar Recht? Wer gewinnt, wenn die Wahrheit ans Licht kommt? Gibt es überhaupt "die Wahrheit" und wenn ja, wem nützt sie? Antworten gibt es nicht, jedenfalls nicht vom Autor, die muss jeder Zuschauer schon selber finden. Ein sehenswertes Stück, das zum Nachdenken anregt, aber auch irgendwie zufrieden macht - jedenfalls, wenn man sich selber in besserer (Ehe)situation wähnt - und sich vorsichtshalber nicht auf die Suche nach der Wahrheit macht.