Neuburg
Die Barrieren sind in den Köpfen

VdK organisiert Veranstaltung im Kinopalast Star des Abends ist der Olympiasieger und Infotainer Rainer Schmidt

24.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:37 Uhr

Verblüffte das Publikum: Kabarettist und Infotainer - so nannte er sich selbst - Rainer Schmidt, hier mit Dolmetscherin. - Foto: Hamp

Neuburg (rhp) "Weg mit den Barrieren" - so nennt sich eine Kampagne des VdK. Der Kreisverband Neuburg-Schrobenhausen lud dazu zu einer Veranstaltung in den Kinopalast ein. Vor gut gefüllten Rängen begrüßte Kreisgeschäftsführerin Sandra Andritschke die Gäste, unter ihnen besonders Rainer Schmidt, dem aufgrund des Femur-Fibula-Ulna-Syndroms beide Unterarme fehlen und dessen rechter Oberschenkel verkürzt ist - der also im klassischen Sinne als behindert gilt.

Bei den paralympischen Spielen 1992 gewann er viermal die Goldmedaillen im Tischtennis, dazu ist er sechsfacher Weltmeister und neunfacher Europameister. Der 51-Jährige ist heute evangelischer Pfarrer, Kabarettist und Botschafter für Fair-Play des Innenministeriums.

Sandra Andritschke sieht noch großen Handlungsbedarf bei der Eingliederung Behinderter in die Gesellschaft, trotz des Gleichstellungsgesetzes von 2002. Barrieren gäbe es bei den Verkehrsmitteln, den Arztpraxen, den Schulbüchern, im Internet und vielen anderen Lebensbereichen. Von einer Barrierefreiheit sei man noch weit entfernt. In die gleiche Kerbe schlug VdK-Kreisvorsitzender Bernhard Peterke. Zehn Prozent der Bevölkerung seien schwer körperlich beeinträchtigt. Für sie fordere der VdK, dass Verkehrsanlagen, Verkehrsmittel, Wohnungen, Informations- und Kommunikationsmedien und alle Dienstleistungen endlich im Sinne einer UN-Konvention für alle nutzbar seien. Weitere 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung seien zeitweise auf Barrierefreiheit angewiesen, etwa wegen eines Gipsfußes, eines Kinderwagens oder wegen schwerem Gepäck; auch würden die Menschen immer älter werden. Barrierefreiheit sei einfach für alle komfortabel.

Danach begeisterte der Kabarettist Rainer Schmidt für eine knappe Stunde das Publikum. "Ich bin Infotainer", so stellte er sich vor. Also jemand, der Informationen auf unterhaltsame Weise vermittelt. Und das tat er. Mit Humor, Schlagfertigkeit, Lebensfreude und immer wieder einem Schuss Nachdenklichkeit erzählte er von Erlebnissen und Erfahrungen, die er in seinem Leben als Behinderter gemacht hat. 1965 sei er in einem "Kuhdorf" geboren, habe dann eine Förderschule besuchen müssen. "Mama, warum schickt ihr mich in ein Gruselkabinett", habe er gefragt. In der Schule sah er offenbar erstmals andere Kinder mit verschiedenen Behinderungen. Später stellte er fest, dass Barrieren nicht nur materiell seien. Oft wurde er auf Partys gemieden. "Barrieren haben die meisten Menschen im Kopf", stellte Rainer Schmidt fest. Und so entwickelte er Strategien, um mit den Menschen in Kontakt zu kommen. Man müsse den Mut haben, aufeinander zuzugehen, dann seien Kopfbarrieren schnell abgebaut. Das größte Hindernis sei, dass der Begriff "Behinderung" bei den Menschen ungute Gefühle erzeuge. Oft würden Behinderte pauschal gleichgesetzt mit dumm und arm. Was ist Behinderung? Die Antwort gab er selber: dass jemand etwas nicht kann, was andere können. "Was kann ich nicht", rief er ins Publikum und die Antworten kamen prompt: Klavier spielen, kämmen, den Popo putzen. Und er verblüffte die Leute damit, dass er doch einiges konnte, wie seine sportliche Karriere zeigt. Und er könne vieles, was andere nicht können: predigen, Tischtennis - und den fehlenden Fingertastsinn ersetze er durch seinen Hintern. Niemand könne alles, und so gebe es überhaupt keine Menschen ohne Behinderung.