Auf der Suche nach der toleranten Gesellschaft

29.11.2009 | Stand 03.12.2020, 4:27 Uhr

Zwanglose Diskussion im Foyer des Theaters Neuburg mit Oberbürgermeister Bernhard Gmehling (2.v.l.) und Karl-Heinz Katzki (2.v.r.).

Neuburg (tur) Toleranz ist der Preis der Integration, der Lohn wäre eine offenere Gesellschaft. Diesem Ziel ein großes Stück näher zu kommen, dafür setzt sich das Jugendtheater Neuburg sowie der Arbeitskreis Soziale Gesellschaft ein. Am Freitagabend fand im Theater Neuburg unter dem Titel "Wir sind Neuburg" die zweite Aufführung statt.

Anschliessend diskutierten die Besucherinnen und Besucher im Foyer mit verschiedenen Vertretern der Stadt und Oberbürgermeister Bernhard Gmehling.

"Der Arbeitskreis Soziale Gemeinschaft hat sich zum Ziel gesetzt, das Miteinander in Neuburg zu stärken. Junge und alte Menschen, Ausländer und Neuburger, arme und reiche Mitbürger – der Arbeitskreis will Verbindungen schaffen und das gegenseitige Verständnis fördern", so Birgit Bayer-Kroneisl, Leiterin Sachgebiet Umwelt und Agenda 21. Das Theaterstück "Wir sind Neuburg"schildert eindringlich 23 Geschichten rund um die Toleranz oder Intoleranz gegenüber Ausländerinnen und Ausländern und provoziert Denkanstösse. Eigentlich schade, dass der Anlass mit anschliessendem Gespräch im Foyer bei der Bevölkerung nur mässiges Interesse fand.

Russische, ukrainische, türkischen und andere Zuwanderer sind in den Landkreis gekommen, um hier zu arbeiten, wegen der besseren Jobs . Die wenigsten der Migranten aus ärmeren Ländern haben Haus und Herd wegen ihrer Karriere verlassen oder um auf gut Glück die Welt zu erkunden. Sie versuchen in der Regel, erbärmlichen Lebensbedingungen zu entfliehen. Sie ziehen entweder vom Dorf in die städtischen Ballungszentren.

Die stärkste Fluchtbewegung ist jene vom Dorf in die Stadt innerhalb der Länder. Wenn Flüchtlinge jedoch den Ozean überquert haben, haben sie einen Bruch mit ihrem früheren Leben vollzogen, denn die wenigsten von ihnen können zurück in ihr Herkunftsland, da sie auch in ihrer neuen Umgebung wieder ganz unten anfangen müssten.

Der in Neuburg geborene Türke Ahmed besuchte das Jugendtheaterstück bereits das zweite Mal. Nach der Vorstellung erklärte der 23-Jährige: "Wir müssen uns fragen: Welche Immigration brauchen wir? Unsere Gesellschaft altert und wir brauchen die Migranten, um die Lücken zu schließen." Rainer W. hat grundsätzlich nichts gegen Ausländer, fordert von den Politikern aber eine selektive Zuwanderung: "Diese ist entscheidend für eine spätere Einbürgerung. Klare Richtlinien müssten gesetzt sowie Immigration und Integration zusammengedacht werden."

Anders sieht es Gerhard Z., ebenfalls aus Neuburg : "Sollen die anderen doch bleiben, wie sie sind, aber wir wollen nichts mit ihnen zu tun haben. " Dagegen kontert die 18-jährige Marlene: "Diese Haltung entsteht aus einem Unvermögen, Konflikte friedlich auszutragen. Da besteht großer Handlungsbedarf. Migration geht nie ohne Konflikte ab, von beiden Seiten. Parallelgesellschaften, ethnische Enklaven, in der jede Gruppe für sich lebt, erzeugen Nischen. Diese Nischenbildung muss verhindert werden."

Eines war an diesem Abend klar: Die die Angst vor "Überfremdung", also vor einem Identitätsverlust als Folge der Einwanderung, muss ernst genommen werden. Und eine Gesellschaft, die Migranten in erfolgreicher Weise aufnimmt, erlangt einen neuen Zugang zur Welt. Insofern kann Neuburg von sich behaupten, dass sie dem Ideal einer offenen Gesellschaft ein Stückchen näher gekommen ist.