Neuburg
Asylbewerber: Jetzt sucht die Kirche Wohnraum

Landrat denkt über gestaffeltes System bei Taschengeldkürzung nach und weist Kritik an Ausländerbehörde zurück

18.01.2013 | Stand 03.12.2020, 0:36 Uhr

Neuburg (DK) Für die Asylbewerberfamilien, die die Gemeinschaftsunterkunft an der Donauwörther Straße verlassen müssen und notfalls ins Obdachlosenheim umziehen sollen, setzt sich jetzt auch die Kirche ein. Burgheims Pfarrer und Dekan Werner Dippel hat seine Kollegen schriftlich gebeten, sich der Problematik anzunehmen. „Familien mit Kindern und Jugendlichen in einem Obdachlosenheim unterzubringen, das wäre für Deutschland kein Ruhmesblatt“, findet der Geistliche. Neuburgs Pfarrer Herbert Kohler ist daraufhin aktiv geworden und kann voraussichtlich einer der Familien ein Dach über dem Kopf besorgen. „Ich hoffe, dass wir Erfolg haben“, sagt der Dekan.

Wie berichtet, versucht die Regierung von Oberbayern in der Gemeinschaftsunterkunft Platz für neue Asylbewerber zu schaffen. Aufgrund derzeit stark steigender Asylbewerberzahlen und der schwierigen Suche nach neuen Unterkünften sei die Regierung auf jeden belegbaren Platz angewiesen, erklärt Ines Schantz, Pressesprecherin der Regierung von Oberbayern, auf Anfrage unserer Zeitung. Beispiel: Familie Mehri sei bereits im Oktober 2010 zum Auszug aufgefordert, die Frist mehrfach verlängert worden. In ihrem Fall sei der Freistaat „nicht mehr unterbringungspflichtig“. Das weitere Vorgehen falle in die Zuständigkeit der Stadt Neuburg. Die hat keine Wohnungen anzubieten, wie Oberbürgermeister Bernhard Gmehling bedauert. Sarila Mehri, die älteste Tochter der Familie, hat sich nachweislich mehrfach um eine Wohnung bemüht, aber nichts gefunden. Der OB hofft auf die Hilfe sozialer Organisationen. Dekan Dippel hat auch die Caritas aktiviert. Dass die Unterbringung im Obdachlosenheim mit all den sozialen Problemen, die damit verbunden sind, nicht ideal ist, sieht nicht nur Gmehling, auch die Ausländerbehörde im Landratsamt hält diese Lösung für schlecht. Nach Ansicht von Landrat Roland Weigert, wird OB Bernhard Gmehling als Zuständiger mit dieser Problematik von der Regierung völlig alleine gelassen. Der Landrat hat deshalb für den 28. Januar einen runden Tisch einberufen, um gemeinsam mit den Bürgermeistern die Frage der Unterbringung von sogenannten „Fehlbelegern“, also Asylbewerbern, die aus der Gemeinschaftsunterkunft ausziehen müssen, aber in Deutschland bleiben dürfen, zu diskutieren.

Landrat wie Oberbürgermeister fordern stärkere Hilfe von der Regierung von Oberbayern. Weigert macht dies an der Arbeitsbelastung für seine Mitarbeiter fest.

In ganz Oberbayern ist Neuburg-Schrobenhausen der Landkreis, der sich am intensivsten mit der Asylproblematik befasst. Aus einer Aufstellung der Regierung vom September 2012 geht hervor, dass der Landkreis per Quote 86 Asylbewerber aufnehmen müsste. Tatsächlich anwesend sind aber 461, ein Plus von 375. Ein Plus von 18 hat der Landkreis Altötting, eines von 13 der Kreis Dachau. Alle anderen Gebietskörperschaften haben eine Bringschuld, rote Zahlen bis in dreistelliger Höhe. Der Landkreis Rosenheim müsste beispielsweise noch 173, die Stadt München noch 149 Asylbewerber aufnehmen, um ihre Quote zu erfüllen.

Die Ausländerbehörde in Neuburg ist mit 6,5 Kräften für 6250 Ausländer aus 121 Nationen zuständig. Die Angelegenheiten der Asylbewerber sind dabei, so schildert Sachgebietsleiterin Emmy Böhm, besonders arbeitsintensiv. Bei ihnen mahlen die Mühlen der Bürokratie nach Gesetz und Ordnung besonders fein. Und nicht immer seien die Betroffenen bereit, bei der Feststellung ihrer Nationalität und der Beschaffung von Ausweispapieren mitzuhelfen. In Einzelfällen wurden Asylsuchende zehn Botschaften vorgestellt, weil sie ihre wahre Herkunft nicht preisgeben wollten, aus Angst, abgeschoben zu werden. „Ich habe Verständnis dafür, aber wir haben auch unsere Spielregeln“, sagt der Landrat.

Wer in dieser Weise blockiert, riskiert sein Taschengeld. Das sind derzeit 137 Euro im Monat. Bislang reduzierte die Ausländerbehörde – das darf sie, muss sie aber nicht – diese Zuwendung auf null. Den Betroffenen verblieben noch 16,11 Euro für Körperpflegeartikel. Bernd Duschner vom Verein „Freundschaft mit Valjevo“ kümmert sich regelmäßig um die Bewohner in der Gemeinschaftsunterkunft. Er kritisierte vor wenigen Tagen diese restriktive Praxis. „Jemand auf 16 Euro zu kürzen, das ist doch bösartig“, sagte Duschner.

Die Kritik ist im Landratsamt angekommen. Roland Weigert erklärt, man werde die gängige Praxis überprüfen und eventuell durch ein abgestuftes System ersetzen. Damit würde das Taschengeld nicht gleich auf null gestellt. Dass sein Ausländeramt eine gefühlskalte Behörde sei, möchte Weigert nicht gelten lassen. Er verweist auf die Arbeitsbelastung dort und dass er sich seit eineinhalb Jahren vergeblich bemühe, von der Regierung weitere Mitarbeiter zu bekommen. Außerdem wundert sich der Landrat, dass sich Duschner mit seiner Kritik nicht an seinen Juristen Roland Weingut gewandt hat. „Man hat meinem Sozial-Abteilungsleiter keine Möglichkeit gegeben, zu reagieren“, beklagt der Landrat.