Eindeutig Zweideutiges

The American Drama Group Europe begeistert mit „Was ihr wollt“ in Stepperg

29.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:51 Uhr
Shakespeare-Theater auf schloss stepperg, 28. Juni 2017 −Foto: Hammerl, Andrea, Karlshuld(Grasheim) (Rein, Winfried)

Stepperg (DK) „Ich bin nicht der, den ich spiele“, sagt Viola (Rachel Middle) mehr als einmal. Ein Schlüsselsatz der Komödie „Was ihr wollt“ von William Shakespeare, mit der The American Drama Group Europe im Schlosshof der Familie Moy in Stepperg am Mittwochabend rundum begeistert hat.

„Twelfth Night“, so der englische Originaltitel hat alles, was zu einer Shakespear’schen Erfolgskomödie gehört: Ein Mann, der eine weibliche Hauptrolle spielt – was zu seiner Zeit die Regel war, da alle Rollen von Männern gespielt wurden – eine Frau, die sich als Mann verkleidet und in ihren Herrn verliebt, Verwechslungen und amouröse Verwicklungen, Intrigen, Anzügliches, eindeutig Zweideutiges und ein hochengagiertes Ensemble, das sowohl schauspielerisch glänzt als auch gesanglich überzeugt.

Welche Zwickmühle für Viola. Die junge Adlige hat es nach einem Schiffsunglück, dass sie nur knapp überlebte, nach Illyrien verschlagen, wo sie sich in Männerkleidung bessere Chancen erhofft. Als Cesario tritt sie in die Dienste des Herzogs Orsino (Jean-Paul Pfluger) und wird von ihm sogleich beauftragt, seine Liebesbotschaften an Olivia (als eindeutig Feminine im Spiel: Géhane Strehler) zu übermitteln. Viola verspricht ihr Bestes zu geben und um Orsinos Lady zu werben, fügt aber gleich für ihn unhörbar hinzu: „Ich selbst will seine Gattin sein“. Olivia wiederum will in Ruhe um ihren Bruder trauern und hat geschworen, sich sieben Jahre lang keinem Mann unverschleiert zu zeigen. Es kommt, wie es kommen muss: Olivia weist Orsinos Werbung zurück, findet aber Gefallen an dem jungen Boten, der „zu alt für einen Knaben, zu jung für einen Mann“ erscheint.

Kein Glück bei Olivia hat auch Sir Andrew (unbeholfener Liebhaber: Alistair Hoyle), den Olivias Onkel Sir Toby Belch (Glyn Connop) für sie ausersehen hat. Zusammen mit Feste (Jon-Paul Rowden) dem Narren, bilden sie ein maliziöses Trio, das kräftig dem Wein zuspricht und sich an Malvolio, Olivias Verwalter, für dessen Einschreiten mit einer infamen Intrige rächt. Malvolio, den Gareth Fordred zunächst puritanisch im streng schwarzen Gewand, dann ebenso überzeugend als lächerlichen Geck mimt, ist die tragische Figur im Spiel und fällt auf ein von der Zofe Maria verfasstes Schreiben herein. In der Rolle der Maria schießt Jean-Paul Pfluger den Vogel ab, gibt sich neckisch, kokettiert mit Sir Tobi und Sir Andrew und bleibt gespielt linkisch doch auf den ersten Blick als männlicher Schauspieler erkennbar. Was für Middle nicht unbedingt gilt, sie ginge sehr wohl als junger Mann durch.

„Twelfth Night“ ist eine wunderbare Mischung aus Liebeskomödie, derb-deftigen Szenen und Slapsticks. Hut ab vor der kurzweiligen, spritzigen und ideenreichen Inszenierung von Paul Stebbings, die auf einige Nebencharaktere verzichtet und Malvolios Tragik hervorhebt. Heraus kommt eindeutig eine Komödie, aber eine mit Tiefgang, die Fragen aufwirft, Fragen nach Recht und Unrecht, danach, wer der Verrückte in dieser Welt ist und wie viel Weiblichkeit beziehungsweise Männlichkeit in jedem von uns steckt. Das siebenköpfige Ensemble erweist sich als so spielfreudig, dass gute Englischkenntnisse zwar sicher von Nutzen, aber nicht unbedingt notwendig sind, um dem Stück folgen zu können.

Dass die American Drama Group Europe zum 13. Mal in Stepperg weilte, hätte Guy Graf von Moy gerne passender gemacht und kündigte im heiteren Schlagabtausch mit Stebbings „Twelfth Night“ als zwölftes Stück an. In einem aber waren sich beide einig – etwas war anders als sonst. Es gab keine lästigen Schnaken. Tatsächlich nicht, gestochen wurde nur auf der schlichten, mit einer Wand samt Tür und Fenster ausgestatteten Bühne. Das aber nicht zu knapp – sowohl verbal als auch mit dem Schwert.