Der
"Ein Befreiungsschlag für den Schulstandort"

20.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:46 Uhr

Massive Kritik am Bund, Lob für die Gemeinden: Landrat Roland Weigert spricht im Interview Klartext - und kündigt schon mal eine erneute Kandidatur im Jahr 2020 an. - Foto: Janda

Der Kreis Neuburg-Schrobenhausen steht vor großen Aufgaben: Im Interview erklärt Landrat Roland Weigert die Bedeutung der neuen Realschule und eines Campus in Neuburg - und warum ihn die verpasste Übernahme der Kliniken St. Elisabeth wurmt.

Herr Weigert, Sie gehen bald in Ihr zehntes Jahr als Landrat. Welche Schwerpunkte wollen Sie heuer setzen?

Roland Weigert: Ganz oben auf der Agenda steht der Neubau der Paul-Winter-Realschule. Wir wollen den Spatenstich in diesem Jahr umsetzen. Den Neubau wollen wir im Planungsverfahren gemeinsam mit der Stadt hinbekommen. Da sind wir gut dabei - insbesondere dank der guten Zusammenarbeit der beiden Verwaltungen. Das läuft sehr lösungsorientiert.

 

Wann sollen die ersten Kinder auf die neue Schule gehen?

Weigert: Wir wollen laut Plan 2019 fertig sein. Das ist ein sehr ehrgeiziger Zeitplan, allerdings setze ich diese Latte bewusst hoch, damit wir an diesem Projekt dranbleiben.

 

Der Kostenrahmen liegt bei rund 35,5 Millionen. Dadurch könnte der Schuldenberg des Kreises auf 60 Millionen Euro anwachsen?

Weigert: In der Spitze kommen wir auf annähernd 60 Millionen, das ist richtig. Der Landkreis finanziert sich jedoch im Gegensatz zu den Gemeinden nicht aus eigenen Steuern, sondern im Wesentlichen aus der Kreisumlage. Wenn unser Ziel also wäre, die Verschuldung gering zu halten, dann müssten wir die Umlage erhöhen und würden den Gemeinden die Luft abdrehen. Dieser Schuldenstand ist daher Ergebnis einer tragfähigen Finanzierung des Kreises, mit der die Gemeinden auch noch leben können.

 

Dennoch ist der Schuldenberg kurz vor der nächsten Wahl im Jahr 2020 massiv.

Weigert: Zum Zeitpunkt der Wahl werden wir wieder rückläufig sein. Wir wissen jedoch nicht, wie die finanzielle Ausstattung der Kommunen in Zukunft aussieht. Aber eine Bemerkung sei mir erlaubt: Bund und Land machen schuldenfreie Haushalte, beim Bund sogar mit Milliardenüberschuss. Warum man nicht eine vernünftige Ausstattung der Kommunen sicherstellt, ist mir unverständlich. Ich würde mir wünschen, dass man an jene denkt, die das Geld brauchen.

 

Kann der Landkreis seine Gemeinden bei der Umlage überhaupt weiter entlasten?

Weigert: Die Frage, wie sich die Kreisumlage entwickeln wird, ist eine Frage der wirtschaftlichen Entwicklung. Wenn es so positiv bleibt, werden wir die nötigen Spielräume haben, um weiter agieren zu können und nicht nur reagieren zu müssen.

 

Bedeutet eine solche Mammutinvestition nicht, dass in den Vorjahren zu wenig passiert ist?

Weigert: Bei der Paul-Winter-Schule gab es zunächst den Ansatz, den bestehenden Standort auszubauen. Ich bin Neuburgs Oberbürgermeister Bernhard Gmehling dankbar, dass er mich zu einem intensiven Planungsprozess getrieben hat, und zwar mit der Frage nach weiteren Varianten. Was keiner auf dem Radar hatte: die Frage eines Neubaus und der Mehrwert daraus. Auch wenn der OB das jetzt aus welchen Gründen auch immer nicht als besten Weg sieht. Ich bin trotzdem der Meinung, dass wir so einen echten Befreiungsschlag für den Schulstandort Neuburg schaffen. Denn es geht dabei um viel mehr als nur um die Paul-Winter-Schule.

 

Zwei weitere Schulen sollen profitieren.

Weigert: Genau, gleichzeitig zieht die Dr.-Walter-Asam-Schule in die bisherige Realschule und rückt so näher an die Kinderklinik, für deren schulpflichtige Patienten sie zuständig ist. Die freien Ressourcen im Sonderpädagogischen Förderzentrum würden dann die Berufsschule in Bittenbrunn entlasten. Diese 35,5 Millionen Euro sind also nicht nur ein Thema für den Neubau der Realschule, wir investieren vielmehr mit einem Bau in drei Schulstandorte.

 

Ein großes Projekt, doch sicher nicht das einzige, oder?

Weigert: Ein weiterer Punkt ist - neben Baumaßnahmen und der Fortschreibung des Nahverkehrsplans - die geplante Außenstelle der TH Ingolstadt auf dem Areal der ehemaligen Lassigny-Kaserne in Neuburg. Der erste Schritt war der Integrationscampus. Jetzt geht es darum, im Anschluss das normale Hochschulgeschäft auf den Weg zu bringen. Der Oberbürgermeister und ich werden im Strukturbeirat daran arbeiten.

 

Voraussetzung ist, dass die Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber auf dem Areal wirklich 2020 schließt.

Weigert: Wir haben dafür die Zusage aus München - dank der Intervention unseres Stimmkreisabgeordneten Horst Seehofer. Es wäre natürlich wichtig, dass man schon jetzt Alternativen diskutiert. Da muss die Stadt Lösungsansätze liefern. Oder aber die Kapazitäten fallen ersatzlos weg.

 

Eine realistische Möglichkeit?

Weigert: Wenn das passiert, ist doch die Frage, wie der Landkreis dann seine Quote erfüllen soll. Wir müssten diese Kapazitäten andernorts schaffen. Und dann geht es wieder um Turnhallen, um Neubauten . . .

 

Sie favorisieren den Kauf des Areals, das ist bekannt.

Weigert: Es gibt einen Stadtratsbeschluss, dass Neuburg diese Liegenschaft gemeinsam mit dem Landkreis erwerben soll. Ich würde der Stadt dringend empfehlen, das Objekt zu kaufen - mit oder ohne uns. Denn das ist ein Filetstück. Wenn der Oberbürgermeister mich fordert, dann bin ich sofort dabei. Weil der Freistaat aus meiner Sicht berechtigterweise einen Beitrag von uns verlangt. Viel lieber als in finanzieller Form würde ich das über den Grund samt Nutzungsrecht machen. Das Geld wäre dann nachhaltig investiert.

 

Wann sollen die ersten Studenten dort wohnen und studieren?

Weigert: Da kann ich nicht vorgreifen. Ich würde begrüßen, wenn 2017 ein tragfähiges Konzept steht und 2018 die Baumaßnahmen beginnen. Am Tag eins nach der Unterkunft müssen es nicht 1500 Studenten sein. Das sollte schrittweise entstehen, so dass auch die Stadt organisch wachsen kann.

 

Apropos Asylbewerber: Wie ist die aktuelle Lage im Landkreis?

Weigert: Derzeit haben wir rund 1140 Asylbewerber. Der Ansturm ist begrenzt. Die Forderung nach einer Obergrenze ist aber kontrovers zu diskutieren. Wenn jemand wirklich verfolgt wird, muss er auch Asyl bekommen. Wir sind aber nicht dafür da, Wirtschaftsflüchtlinge dauerhaft aufzunehmen.

 

Wie hat die Asylarbeit im Landkreis zuletzt funktioniert?

Weigert: Der Verwaltung hier und in den Gemeinden ist es mit den Ehrenamtlichen gut gelungen, diese Aufgabe zu meistern. Mit einer einzigen Ausnahme mussten wir keine Turnhallen schließen. Die Unterbringung war menschenwürdig und auch kostenextensiv. Denn damals wurde ja vielerorts das Geld mit der Kohleschaufel zum Fenster rausgeworfen, nur um etwas zu erreichen. Da konnten wir anders arbeiten.

 

Dennoch wurde zäh um Unterkünfte gerungen.

Weigert: Dass es bei manchen schneller, bei manchen langsamer und bei manchen auch gar nicht ging, liegt an der Situation in den einzelnen Gemeinden. Doch selbst dort, wo bislang nichts ging, sind wir dran, so dass wir die Belegungsdichten andernorts reduzieren können.

 

Ein Großteil der Flüchtlinge ist anerkannt und gilt als Fehlbeleger, die eigentlich als Obdachlose in die Zuständigkeit der Gemeinden fallen. Kann man die Kommunen damit allein lassen?

Weigert: Wir haben derzeit etwa 330 Fehlbeleger. Dabei ist aber zunächst der Bund gefragt und nicht die kommunale Ebene. Die durch die Bundespolitik verursachte Situation kann man nicht auf die Gemeinden abwälzen. Ich sehe den Bund in der Pflicht, er muss seiner Verantwortung gerecht werden.

 

Also ist aus Ihrer Sicht bisher zu wenig passiert?

Weigert: Wo waren denn die Beiträge des Bundes? Wo sind sie denn jetzt? Es hieß auch, dass über die Flüchtlingswelle keine Terrorgefahr kommt. Das ist widerlegt worden - so wie alles. Daher erachte ich diese Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel als Sündenfall sondergleichen. Sie rollt den Braunen den Teppich aus. Und wir müssen fürchten, diese Leute in die Parlamente zu bekommen. Dass wir ein globales Problem lösen sollen, muss man ihr vorwerfen. Das wäre Sache der EU gewesen.

 

Alles andere als glücklich sind Sie auch mit der Übernahme der Kliniken St. Elisabeth durch die Katholische Jugendfürsorge.

Weigert: Ich halte den nicht zustande gekommenen Verbund zwischen den Krankenhäusern Schrobenhausen und Neuburg unter Trägerschaft des Kreises für eine der größten vertanen Chancen seit der Gebietsreform. Dadurch hätten wir ein Zentrum der Gesundheitsversorgung in der Region geschaffen. Mit der Möglichkeit der Spezialisierung, um beide Standorte zu entlasten.

 

Was bedeutet das konkret für die Geriatrie in Neuburg?

Weigert: Dass wir hier keine akutstationäre Versorgungseinrichtung haben. Wir haben eine Potenzialanalyse gestartet, um eine Verlagerung der Geriatrie nach Schrobenhausen zu prüfen. Das muss aber nicht zwingend sein.

 

Wann soll es eine Entscheidung geben?

Weigert: Im Lauf des Jahres. Wir müssen uns darüber im Klaren sein: Wenn wir uns nicht sortieren, wird diese Region zwischen München, Augsburg und Nürnberg zerrissen werden. Von einer wohnortnahen Versorgung bleibt dann nur Ingolstadt. Das ist sicher nicht das, was die Bürger wollen. Für ältere Menschen ist ein regionaler Bezug wichtig. Das ist ein Standortfaktor.

 

Ein Standortfaktor könnte auch ein Nationalpark Donau-Auen sein. Warum sind Sie dafür?

Weigert: Das ist eine Idee der Staatsregierung. Und das finde ich bemerkenswert, weil der Raum hochattraktiv ist. Ich bin der Meinung, dass man diese Offerte ergebnisoffen durchdenken und nicht in übliche Beißreflexe verfallen sollte.

Wie hoch bewerten Sie die Chancen dieser Idee?

Weigert: Es gab bereits ein gutes Gespräch mit Umweltministerin Ulrike Scharf. Das war eine neue Form der Interaktion mit den Kommunen, die dadurch Beteiligte des Prozesses sind. Jetzt müssen wir rational und objektiv an das Thema herangehen, dann sehen wir weiter. Außerdem: Es muss ja nicht unbedingt ein Nationalpark werden. Auch ein Biosphärenreservat wäre vorstellbar.

 

Wie stehen Sie vor diesem Hintergrund zur geplanten zweiten Donaubrücke in Neuburg?

Weigert: Wir brauchen Lösungsansätze für die verkehrliche Situation. Doch das ist Sache der Stadt, da wird sich der Landkreis nicht einmischen. Ein Nationalpark und eine Donaubrücke würden sich jedoch aus meiner Sicht nicht gegenseitig ausschließen. Bis ein Nationalpark ausgewiesen ist, vergehen mindestens zehn Jahre. Wenn bis dahin keine Genehmigung für eine Brücke vorliegt, wann soll das dann passieren?

 

Sie sind nach dem Schrobenhausener Walter Asam und dem Neuburger Richard Keßler der erste Landrat aus der Mitte des nach wie vor sehr heterogenen Landkreises. Sehen Sie sich selbst als Landrat, der beide Hälften endlich vereint?

Weigert: Das muss eine folgende Generation entscheiden. Dass es mir ein Anliegen ist, beide Bereiche zusammenzuführen, steht aber außer Frage. Die Frage ist jedoch: Was ist Wunsch und was politisch machbar? Da müssen wir uns selbstkritisch hinterfragen, nachdem es keine Fusion der Kreditinstitute gab und bei den Krankenhäusern auch nicht klappte.

 

Also war der Zusammenschluss vor 45 Jahren falsch?

Weigert: Nein, denn es gibt viel Verbindendes. Ich selbst bin in Schrobenhausen in die Schule gegangen und war in Neuburg in der Ausbildung. Die Menschen finden zusammen. Von der Politik gespielte Lokalpatriotismen sind eher das Problem. Es gibt aber überzeugte Landkreismenschen.

 

Sie sind bei der nächsten Wahl 52. Dass Sie erneut kandidieren, gilt als offenes Geheimnis.

Weigert: Ich würde mich freuen, wenn ich von den Bürgern ein weiteres Mal das Vertrauen bekomme. Ich mache das gerne, denn das ist meine Heimat.

 

Das Gespräch führten Sebastian Schanz und Stefan Janda.