Nichts ist, wie es scheint

02.03.2009 | Stand 03.12.2020, 5:09 Uhr

Voll war’s bei den Illuminaten im Stadtmuseum, als Brunhild Süßbauer jetzt eine Spezialführung durch die Historie des weltbekannten Ingolstädter Geheimbunds anbot. Im Herbst setzt sie die Reihe fort. Womöglich wird die Museumsabteilung etwas erweitert. - Foto: Silvester

Ingolstadt (DK) Vielleicht sind sie die bekanntesten Ingolstädter der Welt: die Illuminaten, jener mysteriöse Geheimbund aus dem 18. Jahrhundert. Nach drei überfüllten Spezialführungen zur Geschichte der Loge erwägt das Stadtmuseum, die Abteilung zu erweitern. Bald wird dort ProSieben den Illuminaten nachspüren.

Sie sind die Lieblingsverschwörer zehntausender Geheimbundfreunde in aller Welt: die Illuminaten. 1776 von Professor Adam Weishaupt in Ingolstadt gegründet, 1785 vom Kurfürsten verboten – so lautet jedenfalls die offizielle Version. Doch nichts ist, wie es scheint: Bestimmt existierten sie weiter und bauten ihre Macht heimlich bis zur Weltherrschaft aus. Natürlich emigrierte Weishaupt emigrierte nach Amerika, beseitigte Präsident George Washington und trat an dessen Stelle, auch da sind sich die Anhänger beliebter Verschwörungstheorien ganz sicher.

Es sind Geschichten und Mythen wie diese, die das Faszinosum Illuminaten nähren. Mag ihre historische Relevanz auch maßlos überschätzt werden, so wächst doch die Zahl derer, die mehr über die Geheimnisse der Loge erfahren wollen, rapide. "Es überrascht mich immer wieder aufs Neue, wie sehr das Thema bewegt", sagt Beatrix Schönewald, die Leiterin des Stadtmuseums. Das Ausmaß der Begeisterung hat sie im Februar anschaulich kennen gelernt: Die erste Führung in der Reihe "Museum – Kaffee – Kuchen" zum Thema Illuminaten provozierte einen Massenansturm: Die 70 Plätze waren sofort voll, ebenso viele Besucher mussten draußen bleiben. Zwei Zusatztermine waren ebenfalls rasch ausgebucht. Im September werde die Reihe fortgesetzt, sagte die Museumschefin.

Doch der Massenandrang hat ihr zu denken gegeben. Man erwäge, die Abteilung zur Epoche der Aufklärung, in der die Loge des Adam Weishaupt angesiedelt ist, zu erweitern, "sobald Geld dafür da ist". Zudem gebe es Überlegungen, den Illuminaten irgendwann eine eigene Abteilung zu widmen.

Allerdings gebricht es dem Museum dafür an Exponaten. Ein Mangel an greifbaren Relikten liege freilich in der Natur eines Geheimbundes, erklärt Beatrix Schönewald. Schriften Weishaupts gebe es genug, die sollten aber im Ensemble mit einem attraktiven Blickfang arrangiert werden, "etwa Weishaupts Perücke". Doch die sei leider nicht überliefert.

Zwei weitere Indizien künden vom weltweiten Interesse an den Illuminaten: Bald werde sich ein Fernsehteam für die ProSieben-Sendung "Galileo Mystery" in Ingolstadt auf die Spuren des Geheimbundes begeben, sagte Schönewald. Auch der History Channel habe bei ihr Informationen erbeten.

Die Amerikaner fasziniert der Stoff seit der in den 1970er Jahren publizierten "Illuminatus!"- Trilogie des Robert Anton Wilson. In Deutschland förderte der Film "23 – Nichts ist, wie es scheint" (1999) die Beachtung. Die Romane Dan Browns sorgten endgültig für die Weltgeltung der Illuminaten.

Kulturreferent Gabriel Engert dämpft die Euphorie ein wenig. Die Stadt habe nicht vor, allzu groß in diese Materie einzusteigen, sagte er gestern. Er sieht in der gegenwärtigen Begeisterung vor allem einen Dan Brown geschuldeten Trend, der wieder vorbei gehe. Museen dürften sich nicht jeder Mode öffnen. Sie müssten Themen stets "reflexiv, nachhaltig und wissenschaftlich-seriös" darstellen. "Museen sind keine Eventläden, sie erfüllen ja eine gesellschaftliche Aufgabe".

Ähnliche Zurückhaltung übt Engert bei zwei anderen weltberühmten Ingolstädtern: Dr. Frankenstein und sein Monster. Von einer Präsentation des literarischen Stoffes, die auf Besuchermassen schielt, hält er wenig. Ein Grund, das gibt Engert gern zu, sei die Sorge, dass sich die allgemeine Wahrnehmung seines Zuständigkeitsbereichs auf eine wenig einladende Formel reduziere: "Frankensteinstadt Ingolstadt".