Eine zarte Flamme der Euphorie

17.08.2008 | Stand 03.12.2020, 5:40 Uhr

Für die Jugend: Vor dem Spiel überreichte der Wirt Lorenz Stiftl (l.) einen Scheck über 2000 Euro an FC-Präsident Werner Roß. - Foto: Herbert

Ingolstadt (DK) Die Klagen werden leiser. Zur Premiere des FC Ingolstadt in der 2. Liga klappte fast alles vortrefflich. Beim 3:2- Sieg gestern gegen Fürth erlebten die 5258 meist gut gelaunten Zuschauer im Tuja-Stadion eine gut organisierte Begegnung.

Schuld scheint nur der FCN. Von Frust und viel Bier beseelt stimmen ein paar Fürther Fans am Hauptbahnhof ein Hasslied auf ihren Lieblingsfeind an: den 1. FC Nürnberg. Der Club hat zwar gar nicht mitgespielt, aber in der Stunde der Niederlage kommt den Franken eben der Schlachtgesang in den Sinn, den sie am besten können. Den FC 04 haben die Fürther noch nicht im Repertoire. Zu dem Gegröle zerscheppern sie einige Bierflaschen in der Schalterhalle. Doch solche Szenen bleiben die Ausnahme, schließlich sind nicht nur grün-weiße Franken in Scharen da, sondern auch genug grün-weiße Autos voller abwehrbereiter Beamter.

Das Polizeiaufgebot ist riesig. Vor dem Stadion belegen die Einsatzfahrzeuge einen ganzen Parkplatz, am Hauptbahnhof steht die Reserve bereit: ein grüner Reisebus voller Polizisten. Sie alle dürfen einen recht entspannten Tag erleben.

Ebenso die Besucher. Sie sind deutlich weniger als beim Pokalspiel gegen den HSV – nur 5258 zahlende Zuschauer sind gekommen, eine Woche zuvor waren es 11 400. Doch die diesmal? angenehm lockere Füllung der Stehplatzränge wirkt sich prächtig auf die Stimmung aus. Die Ordner, deren Zahl erhöht worden ist, bekommen wenig zu tun. Schlangen bilden sich nur selten und wenn doch, lösen sie sich bald wieder auf.

Die zwei älteren Herren, die in der Pause lächelnd die Führung des FC auf sich wirken lassen, sind zufrieden. "Heute war alles einwandfrei! Wir sind einfach reingegangen."



Laute Klagen über den Bierpreis (3,20 Euro für die Halbe) sind weiterhin zu vernehmen. Es entspinnen sich Dialoge wie "Na? schmeckt ’s Bier" – "Bei dem Preis muss es ja wohl." Den Wurstpreis hat der Chefverpfleger Lorenz Stiftl nach heftigen Protesten von 3,80 (mit Senf) auf 3,20 (auch mit Senf) gesenkt – dennoch steht vor den Grills kaum jemand an.

Langsam lernen auch die Zuschauer, wie man so ein Stadion stimmungstechnisch auf Touren bringt. Zunächst aber verfolgt die Mehrheit das Spiel noch in skeptischer und vor allem stiller Zurückhaltung. Die Mannschaftsaufstellung, vom Stadionsprecher feurig vorgetragen, versinkt in Schweigen; nur einige Buben und ganz wenige Erwachsene tun die Namen der FC-Spieler laut kund. Immerhin: Eine Minderheit kämpft gegen die Lethargie: In Block C 1 macht ein stimmgewaltiger Chor von kaum 30 Fans mit erstaunlicher Energie und beachtlichem musikalischem Repertoire Druck. Sicher sind auch ein paar wenig zimperliche Schmählieder darunter, wie sie in keinem anständigen Fußballstadion fehlen dürfen. "Ihr seid nur ein Playmobilverein!", dröhnt es den Fürthern entgegen, in Anspielung auf den Namen ihrer Heimstätte.

Der Song darf noch als harmlos gelten, viele andere Weisen, wie sie in Deutschlands Stadien und nun auch in Ingolstadt mit Inbrunst geschmettert werden, scheppern da schon ganz anders. Das vor allem in Nürnberg beliebte "Lieber Fünfter als Fürther" kennen die Stimmungskanonen von der Schanz allerdings noch nicht.

Tor für Tor schwappt die gute Laune auf die anderen Blocks über. In der 51. Spielminute erfasst das erste "O, wie ist das schön" auch C 2 und C 3 sowie die Sitzplätze gegenüber. In der 62. Minute begleiten nahezu alle Ingolstädter Fans einen Freistoß mit rhythmischem Klatschen. Viele, die lange in kritischer Distanz und mit verschränkten Armen dagestanden sind, spenden Szenenapplaus. Bald harmoniert auch der Zwiegesang zwischen C 1 ("FC!") und C 2 ("04!"). Die Jubelkultur im Tuja-Stadion gewinnt allmählich an Form.

Am meisten Stimmung machen die jüngsten Fans des FC. "Super Atmosphäre!", sagt der neunjährige Christopher mit der riesigen FC-Fahne. "Der FC muss halt erst klein anfangen", ergänzen David (6) und Jonas (10), die beide beim FC Ringsee kicken. "Und das war ein ganz toller Anfang!" Sie sind sicher: "Der FC steigt sofort auf!"

Die Ordner sind auch zufrieden. "Ein großes Lob an die Zuschauer!", sagt der ehrenamtliche Helfer Jürgen Filip nach dem Schlusspfiff. "Beim HSV-Spiel waren viele noch uneinsichtig. Heute aber war fast allen klar, dass es eben Sicherheitsvorschriften gibt."

Etwas enttäuscht seien sie schon von den Ingolstädtern, "dass zum ersten Spiel in der 2. Liga nur 5000 gekommen sind", meinen die Fürther Dauerkartenbesitzer – alle gesetzte Herrschaften – bevor sie in den Bus steigen. Sie finden aber auch ein nettes Lob: "Das Publikum in Ingolstadt war subber! Überhaupt ned gehässig!" Und eine kleine Warnung haben die Gäste auch noch: "Watt’s na, bis da Glub gommt! Da könnt’s euer Bolizei fei gscheid aufstoggn."

Um 16.11 Uhr meldet ein junger Polizist per Funk: "Hier Asamstraße. Kein Besucheraufkommen mehr."