"Spitzenreiterreisen" unterwegs

20.04.2008 | Stand 03.12.2020, 5:58 Uhr

Unterstützung mit Megafon und Trommel: Stefan und Sabrina vom Fanklub St. Vinzenz übernahmen unter den 35 Ingolstädter Anhängern am Samstagnachmittag das Anfeuern in Sandhausen. - Foto: Rehberger

Ingolstadt/Sandhausen (DK) Der FC 04 schreitet sportlich in Sieben-Meilen-Stiefeln in Richtung Zweite Bundesliga. Während bei Heimspielen die Zuschauerrekorde purzeln, trifft man bei Auswärtsfahrten stets dieselben Gesichter. Ein Beleg dafür, dass die Schar der Treuesten der Treuen nur langsam wächst.

35 Ingolstädter sitzen in dem dreiachsigen Bus, der über die A 6 nach Westen rollt. Aus den Lautsprechern säuselt Rainhard Fendrich etwas von der "Strada del Sole". Es geht aber nicht in den Urlaub, die Fahrt hat Sandhausen im Kraichgau als Ziel – und natürlich drei Punkte für den FC beim Spitzenspiel. Den Samstag opfern die Bus-Insassen komplett dem Fußball. Abfahrt 9.30 Uhr im Schnürlregen an der Paul-Wegmann-Halle, Rückkehr erst nach 19 Uhr. Rechtzeitig für das DFB-Pokalfinale mit den Bayern. Abends also auch noch Kicken.

Den Bus stellt der Verein, ein fast unverzichtbarer Teil der Aufbauarbeit für eine größere Fanbasis. Auch darum drehen sich die Gespräche an Bord. "Zehn Euro für die Fahrt – das Angebot wenn du nicht annimmst, dann weiß ich auch nicht mehr", erklärt Josef seinem Sitznachbarn, der das erste Mal dabei ist. Da ist der Neuling nur einer von wenigen. "Fast alle fahren ja schon seit Bayernliga-Zeiten mit", sagt Udo einige Sitze weiter.

Er ist weit herumgekommen, früher, als Schalke-Fan. "Die Basis beim FC kann ja nicht so schnell wachsen, wie soll es auch anders sein", weiß er. Was dem Verein bei seinem rasanten Aufstieg in die Welt der Profis fehlt, sind die aktiven Fans, die die Unterstützung, in der Fansprache "Support", konsequent organisieren.

Die Herren vorne im Bus gehen in diesem Punkt verständlicherweise nicht voran. Hier sitzt der ältere Teil der treuen FC-Anhänger, alle um die 50 und darüber. Daheim stehen sie im so genannten Rentnerblock. Klatschen bei Bedarf, Jubeln erlaubt, auswärts immer dabei. Das sind ihre Kennzeichen.

Hinten im Bus hat es sich eine Siebenergruppe des Fanklubs aus dem Caritas-Zentrum St. Vinzenz bequem gemacht. Sie waren die ersten organisierten FC-Fans überhaupt. Ihnen fällt auch am Samstag eine besondere Rolle zu: Weil kein anderer der Handvoll Fanklubs dabei ist, sorgen sie mit Trommel und Megafon für ein bisschen Anfeuerung der Schanzer. Die selbst ernannten Wortführer vom "Schanzerstorm" fehlen vollends. Nach einem Zwischenfall bei der Kassel-Fahrt mussten sie die Anreise privat organisieren.

Die goldene Mitte vom Alter und Verhalten her fehlt dem Verein. Die dabei sind, geben ihr Bestes im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Hier in der Nähe von Heidelberg müssen sie gegen 1800 Sandhäuser antreten. Selbst ein Dorfverein bringt es auf besseren "Support". Einige in der Ingolstädter Reisegruppe sind ernüchtert, andere begeistert. Das Hardtwald-Stadion steht der Noch-Heimat des MTV in fast nichts nach. Die Sitzplatztribüne ist lediglich etwas größer. Udo freut sich: "Du bist direkt am Rasen und beim Spiel dabei." Andi und Gerhard machen dagegen Fotos von dem altehrwürdigen Sportplatz. "Ihr habt die Zulassung für die Dritte Liga bekommen", fragen sie das Sicherheitspersonal ungläubig.

Einen Vorgeschmack auf kommende Zeiten haben sie schon an der A 6 gesehen. Direkt gegenüber dem Technikmuseum Sinsheim zieht die TSG Hoffenheim, deren Karriere einen ähnlich rasanten Verlauf wie die des FC 04 nimmt, ihre Hightech-Arena hoch. Ein Betonklotz, gesponsert von SAP-Gründer Dietmar Hopp. In Ingolstadt haben sie zwar keinen Milliardär, aber dafür einen Millionär, der auch Geld locker macht. "Das wird bei uns auch jede Menge Eventfans anziehen", ist sich Udo sicher. Nur wie viele bleiben davon als treue Unterstützer hängen

Für die Fans ist der Aufstieg in die Zweite Liga ausgemachte Sache, auch wenn sie ihr Team am Samstag etwas zittern lässt. Doch es ist kein verlorener Tag, die Fahrt wird belohnt – nicht nur mit den erhofften drei Punkten nach drei Toren samt Sprung an die Tabellenspitze.

Mit dem Abpfiff rücken die Spieler heran und bedanken sich für die treue Unterstützung. Einige werfen ihre Trikots über den Zaun. Nur einmal sind die Fans an diesem Tag gegeneinander aktiv: im Kampf um das Souvenir. Sie sind wenige, aber sie stehen zusammen, natürlich auch bei der nächsten Fahrt von "Spitzenreiterreisen".