Vier Ringe im Energiesparmodus

20.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:31 Uhr

Ingolstadt (DK) Es gab eine Zeit, da war ein schlagendes Argument für den Verkauf eines Autos die PS-Zahl. Es war eine Zeit, in der Treibstoff nicht viel kostete und die Ölquellen niemals zu versiegen schienen. Und es war eine Zeit, als noch niemanden wirklich interessierte, was da so alles aus dem Auspuff kam. Aus heutiger Sicht entlockt uns der Gedanke daran nur noch ein mildes Lächeln – so unvorstellbar ist der sorglose Umgang mit der Umwelt geworden.

 Sicherlich: Auch der Autokäufer von heute schielt noch immer gerne auf die Leistungsdaten – als Umweltsünder möchte er allerdings nicht dastehen. Der Verbrauch soll niedrig sein und die Abgase möglichst sauber. Doch der Energieverbrauch eines Autos beginnt bereits in der Produktion. Und hier hat sich in den vergangenen 25 Jahren viel getan. Im Herstellungsprozess lassen sich bereits eine Menge Ressourcen sparen. Was alles möglich ist, haben wir uns einmal beim Ingolstädter Autobauer Audi angeschaut.

Verantwortlich für das Thema Umweltschutz bei Audi ist Dagobert Achatz. Wenn man ihn fragt, was der Autobauer macht, um die Produktion umweltfreundlicher zu gestalten, dann sollte man ein weiches Sitzkissen mitbringen – denn das kann länger dauern. Zunächst einmal erklärt Achatz das Fernziel: Eine CO2-neutrale Fahrzeugproduktion, ohne Abwasser und ohne organische Lösungsmittel. Wie lange es bis dahin noch dauern wird, vermag auch Achatz nicht zu sagen. Der Weg ist noch weit. Der Autobauer hat sich aber eine Menge andere Ziele gesetzt – mit konkretem Zeitplan. Eines dieser Ziele betrifft die Standorte Ingolstadt und Neckarsulm: Bis 2020 soll der CO2-Ausstoß dort im Vergleich zu 2010 um 40 Prozent reduziert werden.

Die stetige Verbesserung der Umweltbilanz ist eine Herausforderung und mit vielen Anstrengungen verbunden. Achatz zieht ein Papier mit einer Menge Graphen heraus, die über eine gewisse Zeitachse stark nach unten gehen. Seit 1991 habe man den Schadstoffausstoß teilweise bereits um bis zu 80 Prozent gesenkt, erklärt Achatz. „Wir tun uns nun mit jeder weiteren Verbesserung schwer, weil wir in der Vergangenheit bereits sehr viel getan haben.“ Zudem stünden bei Audi natürlich auch nicht unbegrenzt finanzielle Mittel für den Umweltschutz bereit. Selbstverständlich müsse man bei neuen Ökoprojekten auch die Wirtschaftlichkeit im Blick haben. „Wir schauen: Wo kommt man mit begrenzten Mitteln wie weit?“

Auf dem Weg zu mehr Umweltfreundlichkeit greift der Autobauer deshalb zunächst einmal zu relativ konservativen Methoden. So sind auf den Dächern des Ingolstädter Werks beispielsweise auf einer Fläche von 23 000 Quadratmetern Solarmodule montiert, mit denen man jährlich knapp 1000 Tonnen CO2 einsparen kann. Außerdem wird für die Fertigung ausschließlich Ökostrom eingekauft. „Dafür zahlen wir wie ein Normalbürger pro Kilowattstunde dementsprechend mehr“, sagt Achatz. Er legt Wert darauf, dass es sich dabei nicht um eine Art Zertifikatehandel handelt, sondern dass der Ökostrom „lastgenau“ ins Werk kommt.

Ebenfalls eine große Rolle spielt das Thema Wasser – denn davon braucht Audi eine ganze Menge: 1 633 514 Kubikmeter waren es im vergangenen Jahr. „Wir versuchen möglichst wenig Trinkwasser zu verwenden“, sagt Achatz. Und so wird dort, wo es möglich ist, Brauchwasser eingesetzt – also Wasser, das keine Trinkwasserqualität hat. Im vergangenen Jahr machte das den Großteil des Verbrauchs im Werk Ingolstadt aus: 1 389 032 Kubikmeter waren Brauchwasser. Verwendet wird es zum Beispiel für die Toilettenspülungen. Das Brauchwasser kommt teils aus Köschinger Quellen, teils aus der werkseigenen Abwasseraufbereitungsanlage. Letztere existiert bereits seit Anfang der 70er Jahre – „sie funktioniert aber immer noch hervorragend“, betont Achatz. Hier wird beispielsweise auch Regenwasser aufbereitet, das sich während eines Schauers auf den Dächern der Hallen sammelt.

Direkt neben einer der ältesten „Umwelteinrichtungen“ von Audi entsteht derzeit eine weitere, ganz moderne Wasseraufbereitungsanlage. Noch wird fleißig gebaut, doch schon im nächsten Jahr soll hier ein sogenannter Membranbioreaktor in Betrieb gehen. Dabei handelt es sich um eine besonders leistungsfähige biologische Abwasserreinigungstechnik.

Wesentlich simpler – aber nicht minder effektiv – ist die Idee, die hinter den sogenannten Wärmerädern steckt, die in vielen Werkshallen installiert sind. Dabei handelt es sich um Aluminiumräder mit bis zu fünf Metern Durchmesser, die an den Belüftungsanlagen angebracht sind. Sie sollen Heizkosten sparen. Das Prinzip: Warme Abluft wird nicht einfach aus einer Halle hinausgeblasen, sondern gezielt durch den oberen Teil des Rades geleitet. So durchströmt sie die feinen Lamellen und erwärmt es dadurch. Ein kleiner Elektromotor treibt das Rad mit etwa drei bis fünf Umdrehungen pro Minute an. Sobald sich der erwärmte Teil unten befindet, wird er von der in die Halle geleiteten (kalten) Frischluft durchströmt. Durch die im Rad gespeicherte Hitze wird die Luft dabei sozusagen fast gratis erwärmt.

Natürlich braucht Audi noch viel mehr Wärme. Über Rohrleitungen bekommt der Autobauer Fernwärme von der städtischen Müllverwertungsanlage und der Gunvor-Raffinerie. 26 000 Tonnen CO2 werden so vermieden.

Eine besonders ausgefallene Wärmequelle bekommt übrigens bald der Audi-Standort im ungarischen Györ. Noch in diesem Winter soll dort eine werkseigene Geothermieanlage in Betrieb gehen. Dabei wird aus 2400 Metern Tiefe etwa 100 Grad heißes Wasser aus der Erde geholt – damit sollen rund 60 Prozent des Energiebedarfs des Standorts gedeckt werden.

In Ingolstadt ist man dafür besonders stolz auf die werkseigene KWKK-Anlage. Das kryptische Kürzel steht für Kraft-Wärme-Kälte-Kopplungsanlage. Hört sich kompliziert an – ist es auch. Basis der Anlage sind zwei Gasturbinen, die aus Gas Strom erzeugen. Dabei fällt extrem heißes Abgas an. Dieses wird benutzt, um sehr heißen Dampf zu erzeugen. Der wiederum wird in eine sogenannte Absorptionskältemaschine eingespeist. Diese kühlt im Sommer die Büros. Die noch übrige Wärme wird ins Heißwassernetz eingespeist. Insgesamt hat die Anlage einen Wirkungsgrad von 80 Prozent.

Den meisten Strom bei Audi verbraucht übrigens die Lackiererei. Auf Platz zwei der Stromfresser liegt der Karosseriebau, der viel Energie für seine Roboter benötigt. Allerdings ist bereits eine neue Lackierstraße in Planung, die unter anderem durch „Backöfen“ mit geringerem Volumen wesentlich energiesparender ist.

Um Müllvermeidung im Vorfeld geht es im Presswerk. Mit intelligenter Planung wird versucht, überflüssigen Verschnitt zu vermeiden. Trotzdem bleibt am Ende immer etwas übrig. Die Metallreste werden zu kniehohen Würfeln gepresst – damit sie sich leichter transportieren lassen. Derart komprimiert (ein Stahlwürfel wiegt rund 250 Kilogramm) geht der Schrott dann zu Unternehmen, die ihn entsprechend wiederverwerten können.

Doch es kommt noch auf viele andere Dinge an: Beispielsweise wird über die verwendeten Kältemittel akribisch Buch geführt, denn diese schaden der Umwelt besonders. Deswegen werden auch Leitungen und Behältnisse regelmäßig auf Lecks untersucht. Natürlich beginnt die Fahrzeugproduktion nicht erst bei Audi – viele Teile kommen von Zulieferern. Auch diese sollen möglichst umweltfreundlich produzieren. „Immer weiter in die Vorkette der Lieferanten zu gehen, ist mühsam“, sagt Achatz. Die wollen sich den Mehraufwand entsprechend bezahlen lassen.

Auch der Pendlerverkehr zählt übrigens zur Umweltbilanz – fast 43 000 Menschen arbeiten inzwischen im Werk Ingolstadt. Somit kann auch jeder einzelne Mitarbeiter etwas beitragen. Zum Beispiel indem er einfach mal mit dem Rad fährt – auch wenn er bei einem Autobauer arbeitet.