Unsernherrn
Die Legende vom Hostienraub

Am Beginn der Kirchengeschichte von Unsernherrn steht ein frevelhaftes Verbrechen

03.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:50 Uhr

Foto: DK

Unsernherrn (DK) An der Rückseite des Altars von Sankt Salvator, verborgen hinter einem Vorhang, hängen vier fast 500 Jahre alte Gemälde. Sie erzählen die Geschichte eines Verbrechens, das eng mit der Gründung der Pfarrei und des Ortes Unsernherrn zusammenhängt.

Den Hochaltar der alten Unsernherrner Kirche ziert eine Darstellung des sogenannten Salvator Mundi: Christus mit zum Segen erhobener rechter Hand, in der linken hält er eine symbolisierte Weltkugel. "St. Salvator" ist der Patron der Kirche. Das ist kein Zufall. Wer dem Ursprung dieser Widmung auf die Spur kommen will, muss hinter den Altar gehen. An der Rückseite, durch einen Vorhang vor dem Sonnenlicht geschützt, hängen vier Gemälde aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Einst prangten sie auf der Vorderseite des Unsernherrner Altars. Sie erzählen die Geschichte der Gründung der Pfarrei.

Am Anfang steht ein frevelhaftes Verbrechen. Wo genau es begangen wurde, darüber gibt es verschiedene Versionen der Legende. Einige sagen, es habe sich in der Wallfahrtskirche von Bettbrunn ereignet. Andere glauben, es ist in Hundszell geschehen. Die Sagen-Sammlerin Emmi Böck schreibt von "einem Dorf der Irnau, unweit der Sonnenbruck, noch im Burgfrieden von Ingolstadt". Zwei Diebe brachen demnach die Türe zu einer Kapelle oder Kirche auf und stahlen "den aus purem Gold gefertigten Kelch und auch die geweihten Hostien". Eines der vier Gemälde in Unsernherrn zeigt die beiden Bösewichte, wie sie sich mit Dietrichen am Türschloss zu schaffen machen.

Die Diebe flüchteten, kamen aber nicht weit. Da der Morgen graute und sie fürchteten, entdeckt zu werden, versteckten sie sich unter einem Busch. Der Diebstahl wurde schnell bemerkt und eine Gruppe Freiwilliger begann die Suche nach den Dieben. Dabei fiel ihnen ein Schwarm Vögel auf, der um eine Eiche und den darunter liegenden Strauch flatterte. Darunter fanden sie die Frevler und das Diebesgut. Das zweite Bild zeigt, wie die Verbrecher dingfest gemacht werden. Die geraubten Hostien allerdings ließen sich nicht vom Boden anheben. "Aus diesem Grund wurde nun ein Bischof gerufen", erzählt Unsernherrns Diakon Raymund Fobes. Erst als man feierlich gelobte, am Fundort der Hostien eine Kapelle zu bauen, ließ sich der Leib Christi anheben, so Fobes weiter. Das dritte Bild der Serie zeigt diese Szene.

Die Gläubigen hielten sich an ihr Gelübde und errichteten die Kapelle "Unseres Herrn Leichnam". Später wurde das gesamte Dorf rund um die Kapelle Unsernherrn genannt. In Anlehnung an die Wallfahrtskirche in Bettbrunn wurde die Kirche St. Salvator gewidmet. Manchmal wird sie deswegen auch "Klein Salvator" genannt.

Besonders an den Freitagen vor Ostern und Pfingsten pilgerten die Menschen nach Unsernherrn. Die Kirche musste bald vergrößert werden, ab 1456 gab es daneben sogar ein kleines Kloster. "Am dritten Tag der Bittwoche zog auch die Prozession aus der Oberen Pfarr dorthin", schreibt Emmi Böck. Der Weg um den Altar herum gehörte dabei zum Wallfahrtsritual.

Noch in den 1930er-Jahren soll vor dem Hochaltar eine vergitterte Öffnung im Boden gewesen sein. Sie markierte den Ort, an dem der Busch stand, unter dem die Frevler entdeckt worden waren. Auf dem vierten Altarbild ist zu sehen, welches unerquickliche Schicksal die Hostiendiebe erwartete: der Galgen.