Stammham
"Würdig verabschieden, ohne zu lügen"

Erwin Beck aus Stammham schreibt Trauerreden und lässt dabei Hinterbliebene auch mal schmunzeln

24.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:09 Uhr

Erwin Beck bei einer Verabschiedung: Der Stammhamer schreibt seit drei Jahren Trauerreden. Die Nachfrage danach steigt. - Foto: Hauser

Stammham (DK) Natürlich ist eine Beerdigung immer ein trauriger Anlass für eine Zusammenkunft. Doch Erwin Beck will eine Bestattung nicht auf diesen Aspekt reduzieren. Der Stammhamer schreibt Trauerreden und ist fest überzeugt: "Eine Trauergemeinde muss auch mal schmunzeln können."

"Ich habe zum Leben und zum Tod eine ganz andere Einstellung, seit ich die Trauerreden schreibe", sagt Beck. Man lerne, das Leben anders einzuschätzen und lebe bewusster. Der Stammhamer, der sich selbst als "Berufsoptimist" bezeichnet, hat eine Maxime: "Sei zufrieden mit der Situation, es gibt immer Schlimmeres."

Und Beck sagt dies, obwohl oder gerade, weil er selbst schon Schlimmes erlebt hat. Vor Jahren ist sein Sohn gestorben, dann hatte er selbst eine Krebserkrankung. Die war zwar überwunden, doch vor drei Jahren kam der Krebs ("den sieze ich, denn ich duze nur Freunde") zurück, und auch da sagte er sich: "Es gibt Schlimmeres." Doch das war der Zeitpunkt, als Beck beschloss, Trauerreden zu verfassen und zu halten. Die dafür nötigen Grundvoraussetzungen glaubte er zu haben, denn er hatte schon früher Verkaufsseminare gehalten, war es also gewöhnt, vor Menschen zu sprechen.

"Mich interessiert der Mensch mit allen seinen Ecken und Kanten", so Beck, der seit 17 Jahren "in Sachen Immobilien" selbstständig ist, aber eigentlich Kaufmann gelernt und als Schaufensterdekorateur und Raumausstatter gearbeitet hat. Und die "kleinen Unzulänglichkeiten" des Verstorbenen will er auch der Trauergemeinde nicht vorenthalten. Es ist ihm wichtig, den Toten "würdig zu verabschieden, ohne zu lügen". Denn "jeder Mensch hat eine würdige Verabschiedung verdient".

Wenn sich Beck mit den Hinterbliebenen in Verbindung setzt, sieht er darin auch eine Art Trauerbegleitung. Denn aus seiner Sicht könne man "Leuten helfen, indem man mit ihnen spricht". Ein besonderes Erlebnis war für ihn diesbezüglich ein Gespräch mit der Witwe eines Verstorbenen, die nach dem Treffen mit ihm eigentlich einen Termin bei einem Psychologen hatte, diesen nach dem zweistündigen Gespräch mit ihm aber abgesagt hat.

Und noch ein anderes Beispiel hat der Stammhamer parat: Eine Frau habe trotz aller Trauer nicht weinen können. Er habe sie im gemeinsamen Gespräch aber dorthin geführt. Und als sie dann weinen konnte, sei es ihr viel besser gegangen.

Kein Wunder, dass Beck nach solchen Erlebnissen sagt, das Schreiben von Trauerreden sei für ihn inzwischen zur Berufung geworden. Eine solche Rede "ist bei mir immer eine kleine Lebensgeschichte", sagt er etwas stolz, denn er stellt auch an sich hohe Ansprüche: "Wenn ich mit der Rede fertig bin, möchte ich das Gefühl haben, ich habe den Menschen gekannt." Ganz wichtig ist für ihn dabei, ein Foto des Verstorbenen zu bekommen. Denn Beck, der sich seit 30 Jahren autodidaktisch mit Physiognomie beschäftigt, ist überzeugt, aus den Gesichtszügen von Menschen viel lernen und herauslesen zu können.

Und weil er sich ein exaktes Bild von dem Verstorbenen machen will, ist bei Beck für eine Verabschiedung ein voller Arbeitstag Normalität: hinfahren, reden, zurückfahren, vier Stunden schreiben und dann die Beerdigung selbst. Denn ein Prinzip hat der Stammhamer auch: "Wenn ich nur vier vollgeschriebene DIN-A 4-Seiten bekomme, mache ich es nicht", sagt er bestimmt.

Seine ausführliche Arbeitsweise scheint sich bezahlt zu machen. Inzwischen sei er schon relativ bekannt, sagt er, und erzählt, dass die Hinterbliebenen bei einem der drei Bestattungsunternehmen, mit denen er zusammenarbeitet, zunehmend öfter sagen: "Ich will den, der da und da bei der Beerdigung gesprochen hat" - eben ihn. Und er selbst wird auch immer professioneller. Nicht nur, dass er sich natürlich um die gewünschte Musik kümmert. Beck ist auch gerade dabei, ein eigenes Lied zu texten, das für jeden passt. "Ich werde es aber nie singen", sagt er dazu, "auch wenn ich gut singen kann".

Die Zahl der Verabschiedungen, bei denen Beck die Trauerrede hält, wird immer größer. Aufgrund der steigenden Zahl an Kirchenaustritten, aber nicht nur deshalb, wie er betont. Da empfand Beck es als besonderes Lob, als ihm einmal ein katholischer Pfarrer bei der Trauerfeier seinen ehrlichen Respekt zollte. Becks Folgerung daraus: "Dann kann ich nicht so viel verkehrt machen."

Und eine besondere Ehre ist ihm erst vor Kurzem zuteilgeworden. Kurz vor der Bundestagswahl im September hatte er einen prominenten Zuhörer: Ministerpräsident Horst Seehofer. "Er musste mir zuhören, das hat mich persönlich amüsiert", sagt Beck dazu in seiner für ihn typischen Art.

Aber wie bereits eingangs erwähnt: Für den Stammhamer darf auch bei einer Verabschiedung etwas Lustiges dabei sein, denn "das Leben besteht nicht nur aus Ernst und Trauer". Er sagt deshalb auch ganz offen: "Geschmunzelt haben bei meinen Verabschiedungen schon viele, aber einmal haben während meiner Rede sogar alle richtig laut gelacht." Ohne dass die Beerdigung an Würde verloren hätte.