Ingolstadt
Debatten in Echtzeit

Der Ingolstädter Stadtrat diskutiert in seiner nächsten Sitzung, wie ein Livestream bewerkstelligt werden könnte

28.05.2014 | Stand 02.12.2020, 22:38 Uhr

Live dabei: Die Sitzungen des Ingolstädter Stadtrates künftig live im Internet zu verfolgen sein. Noch gibt es aber einige Fragen. Archivfoto: Strisch

Ingolstadt (DK) Die Forderung, die Sitzungen des Ingolstädter Stadtrates künftig live im Internet zu übertragen, fand sich in verschiedener Ausprägung in praktisch allen Parteiprogrammen zur Kommunalwahl.

Bei der nächsten Sitzung des Gremiums am Donnerstag, 5. Juni, soll nun über das Prozedere entschieden werden. Grundsätzliche Voraussetzung für eine Übertragung in Ton und Bild ist freilich, dass die Gremiumsmitglieder einverstanden sind, wenn ihre Einlassungen in den Sitzungen künftig gefilmt werden. Das darf jeder für sich entscheiden. „Die Mehrheit kann nicht die Persönlichkeitsrechte eines Einzelnen einschränken“, erklärt Stadtsprecher Gerd Treffer.

Vor knapp zwei Jahren hatte sich eine Mehrheit der Stadträte auf eine sogenannte Abfrage des Hauptamtes hin noch gegen einen Livestream ausgesprochen. Jetzt sind auch frühere Gegner dafür. „Da ist im Kommunalwahlkampf viel passiert“, meint Achim Werner, Fraktionsvorsitzender der SPD. Auch in den Reihen der Sozialdemokraten gab und gibt es Skeptiker. Einer von ihnen ist Stadtrat Manfred Schuhmann. Ihn treiben aber weniger Fragen des Persönlichkeitsrechts um. Er sorgt sich eher um die Debattenkultur im Stadtrat. Während seiner Zeit als Landtagsabgeordneter habe er da ungute Erfahrungen gemacht. „Sobald die Kameras an waren, dachten einige, sie müssten sich besonders profilieren“, berichtet er. Sollte sich eine Mehrheit für einen Livestream aussprechen, werde aber auch er sich ablichten lassen. „Das ist wohl die Zukunft“, sagt er.

Den ersten Anlauf zu einem Livestream machten im Oktober 2011 die Grünen. Damals wurde ihr Antrag abgelehnt, jetzt reichen sie abermals einen ein. Gefilmt werden sollten die Sitzungen des „Stadtrates und seiner öffentlichen Gremien“, heißt es darin. Das sieht auch Jürgen Siebicke von den Linken so. Auch bei Ausschusssitzungen sollten die Bürger die Möglichkeit haben, live zu erfahren, „wer für und wer gegen sie Politik macht“. Ein Antrag auf den Livestream liegt auch von der FDP vor, bei der Bürgergemeinschaft war die Übertragung der Sitzungen ein zentrales Wahlkampfthema. Bei der ÖDP ist man ebenfalls „grundsätzlich für einen Livestream“, sagt Stadtrat Franz Hofmaier. Zu klären seien lediglich Details. Am Mittwoch, 4. Juni, – einen Tag vor der Sitzung in Ingolstadt – werden Mitglieder der ÖDP auf Einladung der Ingolstädter SPD nach Pfaffenhofen fahren, um sich anzusehen, wie die Stadtratssitzungen dort unter den Augen der Live-Kameras ablaufen.

Für Peter Springl, Vorsitzender der Fraktion der Freien Wähler, würde eine reine Audio-Übertragung der Sitzungen genügen. „Das Informationsbedürfnis der Bevölkerung wäre damit ausreichend gewürdigt“, findet Springl. Eine Bildübertragung sieht er skeptisch. Sollte der Sitzungssaal nur in Gänze gezeigt werden, sei die Hälfte der Räte immer nur von hinten zu sehen. Mehrere Kameras zu verwenden, werfe rechtliche Fragen auf und sei mit einem nicht zu unterschätzenden finanziellen Aufwand verbunden.

Solche Gedanken macht man sich auch bei der CSU. Oberbürgermeister Christian Lösel hatte noch Anfang Mai einen reinen Audio-Stream ins Gespräch gebracht, die Idee wurde allerdings schnell wieder verworfen. Mittlerweile plädiert man bei den Christsozialen in Sachen Livestream für einen „Ingolstädter Weg“. Der sieht vor, dass die Übertragung aus dem Sitzungssaal den Ingolstädter Medien überlassen werden soll. Die Stadt stellt lediglich die nötigen Voraussetzungen dafür sicher. Hintergrund der Überlegungen sind auch medienrechtliche Fragen. „Eine Stadtverwaltung darf keinen Rundfunk betreiben“, erklärt Treffer. Ein städtischer Stream müsste deswegen auf ein statisches Livebild des gesamten Sitzungssaals beschränkt bleiben und wäre wohl kaum ein großer Publikumserfolg. Sollten allerdings professionelle Medien aus dem Sitzungssaal berichten, dürfen sie die Übertragung mit zusätzlichen Informationen anreichern und etwa Namen der Redner, Fotos, Dokumente oder Pläne einblenden und den Livestream kommentieren. Selbstredend müssen auch dann die Persönlichkeitsrechte der Gremiumsmitglieder beachtet werden. Dass sich allerdings viele gegen das Filmen aussprechen werden, glaubt Schuhmann nicht. „Wir Stadträte sind doch auf Öffentlichkeit angewiesen.“