Ingolstadt
Hilfe für die Retter

Mitarbeiter des Rathauses gaben Einsatzkräften während der Geiselnahme wichtige Tipps für den Zugriff

21.08.2013 | Stand 02.12.2020, 23:45 Uhr

 

Ingolstadt (DK) Es war eine Extremsituation, auf die keiner vorbereitet sein konnte. Außer den Einsatzkräften mussten am Montag auch die Mitarbeiter der Ingolstädter Stadtverwaltung improvisieren.

Sie gaben der Polizei vor der Befreiung der Geiseln wichtige Informationen und halfen auch sonst, wo sie konnten. Nach über neun Stunden beendete ein Zugriff des Sondereinsatzkommandos am Montag binnen Sekunden die Geiselnahme im Alten Ingolstädter Rathaus. Die Befreiung der beiden letzten Geiseln wurde allenthalben als großer Erfolg der professionellen Einsatzkräfte gelobt. Einen nicht unerheblichen Anteil am vergleichsweise glimpflichen Ausgang des Einsatzes haben auch die Mitarbeiter der Ingolstädter Stadtverwaltung.

Es war wenige Minuten nach 9 Uhr, als die Polizei die Anweisung gab, das Alte Rathaus zu evakuieren. Eine halbe Stunde zuvor war der bewaffnete 24-Jährige in das Büro von Bürgermeister Sepp Mißlbeck gegangen und hatte ihn und drei Mitarbeiter des Rathauses in seine Gewalt gebracht. „Im zweiten Stock des Neuen Rathauses wurde ein Versammlungsort eingerichtet“, berichtet OB-Referent Christian Lösel. Dorthin flohen die Mitarbeiter über den Rathausplatz. Mittels der Arbeitszeiterfassung der Stadtverwaltung wurde schnell festgestellt, welche Kollegen an diesem Montagmorgen ihren Dienst im Alten Rathaus bereits angetreten hatten. Anhand der aktuellen Personalliste war schnell klar, wer fehlte. Diskutiert wurde auch, ob sich eventuell Gäste im Rathaus befunden haben und was mit den Kollegen ist, deren Arbeitszeit nicht erfasst wird, Mißlbeck etwa. Lösel wurde von der Polizei gebeten, den Bürgermeister anzurufen und ihn zu warnen, er solle sein Büro nicht betreten. Den Anruf nahm allerdings der Geiselnehmer entgegen. Mißlbeck war bereits gefangen.

Dann begann das Geduldsspiel. Die Einsatzkräfte richteten sich im Neuen Rathaus ein. Im großen Sitzungssaal, in dem sonst der Stadtrat tagt, wurde die Einsatzzentrale aufgebaut. Telefontechniker und EDV-Spezialisten des Rathauses halfen beim Aufbau der Infrastruktur. In wenigen Minuten räumten etliche Rathausmitarbeiter ihren Arbeitsplatz, um den Polizisten und anderen Mitgliedern der Einsatzgruppe ihre Telefone und Computer zur Verfügung zu stellen, händigten Schlüssel aus – „die wir hinterher alle wieder zurückbekommen haben“ (Lösel) – oder nannten die richtigen Ansprechpartner für Detailfragen.

Eine besondere Rolle kam dann dem Gebäudemanagement zu. Keiner kennt das Alte Rathaus so gut. Die Mitarbeiter konnten deswegen dem Sondereinsatzkommando wichtige Hinweise geben, wie die Räume, in denen sich der Geiselnehmer mit seinen Opfern aufhielt, aussehen. Die Polizisten wollten unter anderem wissen, in welche Richtung die Türen aufgehen und wie groß ihr Schwingbereich ist. Das Sondereinsatzkommando wurde darauf aufmerksam gemacht, dass der Holzboden in dem alten Gebäude laut knarzt und dass die Türschwellen deutlich höher sind, als normal. Eine Kleinigkeit vielleicht, aber doch wichtig. Nicht auszudenken, wenn einer der schwer bewaffneten Polizisten beim Zugriff über die Schwelle gestolpert wäre. Lösel zeichnete eine Skizze der Möblierung der beiden betroffenen Büros und des Zwischenzimmers.

Dann krachte es. Der Knall der Blendgranaten ist sicher auch zu den städtischen Mitarbeitern im Neuen Rathaus vorgedrungen. Für sie und alle anderen begannen die letzten bangen Minuten des Wartens. Dann kam die Nachricht: Es ist alles gutgegangen, die Kollegen sind frei.