Ingolstadt
Auf der Erfolgswelle

Der Ingolstädter Martin Geier half seinem Freund Manju in Sri Lanka beim Aufbau seiner eigenen Surfschule

16.03.2012 | Stand 03.12.2020, 1:42 Uhr

Arbeitsalltag: Auch Surfbretter müssen gepflegt und repariert werden – Martin Geier macht’s vor.

Ingolstadt / Sri Lanka (DK) Schwungvoll klemmt Martin sein Surfbrett unter den Arm und marschiert los, runter zum Meer. Weit hat er es nicht – quer über die Straße, ein paar Schritte durch den Palmengarten und schon steht er an einem Strand wie aus einer Reisebroschüre. Zusammen mit seinem Freund Manju stürzt er sich in die tosenden Wellen.

Sechs Monate verbrachte Martin Geier (34) aus Ingolstadt fern der Heimat, ließ seine Arbeit bei Audi ruhen, um seinem Freund Manju bei der Verwirklichung seines Traums unter die Arme zu greifen: ein eigenes Surfcamp an der Südspitze Ceylons, dem heutigen Sri Lanka. Jetzt geht Martins Zeit zu Ende, in wenigen Tagen muss er zurück nach Deutschland.

Die Geschichte beginnt, als Martin 2009 zum Surfurlaub nach Sri Lanka reist. Im Surfcamp arbeitet auch Manju Bandarage als Tuk-Tuk-Fahrer – Tuk-Tuks nennen die Einheimischen ihre knatternden und oft grell bemalten Dreiradroller, mit dem alles, Frau und Kind, Kokosnüsse und Melonen, Touristen mit ihren Surfbrettern und mitunter ganze Wohnungseinrichtungen transportiert werden. Auf zahlreichen Fahrten zu den interessantesten Surf-Stellen entwickelt sich eine Freundschaft. Manju vertraut Martin seinen Herzenswunsch an: eine eigene kleine Surfschule, gerade groß genug, um ihm und seiner Familie ein Auskommen zu ermöglichen. Martin ist sofort Feuer und Flamme und beschließt, Manju nach Kräften zu unterstützen.

Zurück in Ingolstadt steckt Martin mit seiner Idee Freunde und Bekannte an; zusammen veranstalten sie eine große „Sri-Lanka-Party“, um Geld zu sammeln. Für eine Surfschule, das ist klar, braucht man Surfbretter, und so klappert Martin Surfläden in seiner Umgebung ab, um sie für sein Vorhaben zu gewinnen – mit Erfolg. Die einzelnen Läden geben ihm teilweise große Rabatte, sodass Martin neun Bretter in verschiedenen Größen und Zubehör beschaffen kann.

Jetzt heißt es packen. Aber statt eines Riesenkoffers für ein halbes Jahr fern der Heimat packt Martin nur einen Rucksack zusammen. Das eigentliche Gepäck sind nämlich die neun Surfbretter, die er mithilfe eines Freundes nach Sri Lanka bringt. Glücklicherweise findet sich gerade noch so viel Platz, dass er einige Comichefte für Manjus Kinder mitnehmen kann. Nach vierzehn Stunden Flug und 80 00 Kilometern Luftlinie landet Martin in Colombo, der Hauptstadt der Insel. Dort werden die Bretter ins Taxi verfrachtet, und nach weiteren vier langen Stunden durch den chaotischen Verkehr zur Südküste kommt Martin endlich in Weligama an, der Heimat von Manju.

Weligama liegt direkt am Meer, umgeben von weißen Sandstränden und Palmenwäldern. 2004 wurde die Stadt, wie weite Teile der südlichen und östlichen Küste Sri Lankas, vom Tsunami verwüstet. Viele Menschen starben, und die Todeswelle riss die meist einfachen Häuser bis auf die Grundmauern nieder. Auch Manju war betroffen; ohne finanzielle oder sonstige öffentliche Unterstützung baute er sein Haus wieder auf – und nutzte die Gelegenheit zu einem Neuanfang.

Vor der Verwirklichung des Traums steht der Schweiß, der im tropischen Klima Sri Lankas einem Westeuropäer in Strömen aus den Poren rinnt. Martin bekommt das gleich zu spüren, als er mit Manju anfängt, das Privathaus in ein Gästehaus zu verwandeln. Es gibt viel zu tun: Leitungen müssen gelegt und Fließen geklebt werden, auch ein Internetanschluss soll her.

Als Nächstes zeigt Martin Manju, wie man kaputte Surfbretter repariert. Wie alles andere hat Martin auch das Werkzeug aus Deutschland mitgebracht. Denn auch wenn die Wellen in die Bucht von Weligama eher sanft bis hin zum Strand (und somit perfekt für Anfänger) laufen – es passiert hie und da, dass Bretter knicken oder Teile abbrechen. Und Ersatzteile sind rar auf Sri Lanka – und teuer.

Endlich, nach zwei Monaten, ist alles so weit gediehen, dass Manjus Surfcamp eingeweiht werden kann. Manju tauft es auf den Namen SurfNLanka; ein buddhistischer Mönch segnet es in einer feierlichen Zeremonie – und Martin kann nun endlich selber aufs Surfbrett. Er fliegt dazu allerdings weiter nach Bali, während Manju nun ohne Martins Hilfe Surfunterricht erteilen, Gäste betreuen, die Bretter in Schuss halten und, nicht zu vergessen, seine fünfköpfige Familie organisieren muss. Knapp einen Monat wird Martin unterwegs sein und bei seiner Rückkehr kann er kaum seinen Stolz verbergen, wie gut das Projekt seines „Protegé“ läuft: Alle fünf Gästezimmer sind ausgebucht, die Ankömmlinge zufrieden und des Lobes voll. „Ein unfassbar tolles Gefühl zu sehen, wie alles läuft und das ganz von alleine!“, sagt Martin mit glänzenden Augen.

Seine Zeit ist nun vorbei und schweren Herzens packt er seinen Rucksack. Plötzlich fällt ihm auf, dass er nicht einmal Socken, geschweige denn feste Schuhe dabei hat. Die Vorstellung von Minusgraden und davon, nicht barfuß gehen zu können, erheitert ihn nicht gerade. Er verabschiedet sich von der immer lachenden Sriyanji, Manjus Frau, den Kindern, dann umarmt er seinen Freund.

Zurück in Deutschland bleibt ihm nur eine kurze Zeit, um sich wieder zu akklimatisieren, bis der „Ernst“ des Lebens weitergeht. Eines jedoch weiß Martin bestimmt: Es war sicher nicht das letzte Mal, dass er zusammen mit seinem Freund Manju das Surfbrett unter den Arm geklemmt und sich in die Wellen gestürzt hat.\t\t