Ingolstadt
Zwischen Häme und Betroffenheit

Nach Verurteilung des Polizisten erscheint Gewalt-Podiumsdiskussion heuer im Juli in anderem Licht

30.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:03 Uhr

Die Ruhe vor dem Sturm: Während sich der FC Ingolstadt (rote Trikots) und Eintracht Bamberg am 26. Juli 2013 auf dem Feld duellierten, nahmen (im Hintergrund) die Ingolstädter Polizei und »Fans« der Gäste bereits Tuchfühlung auf. Am Hauptbahnhof eskalierte später die Lage - Foto: Bösl

Ingolstadt (DK) Häme und Verachtung in den sozialen Netzwerken begleiteten den Schuldspruch für den Polizeibeamten am Ingolstädter Amtsgericht. Dass seine Kollegen der Ingolstädter Polizei am Mittwoch betroffen und geschockt auf die Verurteilung des Hauptmeisters reagiert hatten, stieß bei auswärtigen Kommentatoren ebenso auf Unverständnis.

Angehörige des angeklagten Polizisten vergossen dagegen im Gerichtssaal teilweise sogar Tränen. Denn sollte das Urteil von einem Jahr und vier Monaten Gefängnis, ausgesetzt zur Bewährung, rechtskräftig werden, wird der suspendierte Familienvater (seit 1993 bei der Polizei) laut Beamtenrecht automatisch aus dem Dienst entfernt und verliert alle Pensionsansprüche.

Das könnte die Konsequenz aus seinem Einsatz beim Regionalligafußballspiel zwischen Ingolstadt II und Eintracht Bamberg sein, als er sich mit anderen Beamten gegen mutmaßlich aggressive Gästefans stellte. Oder wie es sein Verteidiger Andreas von Mariassy vor Gericht formulierte: „Sie halten den Kopf dafür hin, dass der Rest von Ingolstadt in Ruhe schlafen kann.“

Seine Schlagstockhiebe gegen einen „Fan“ am Hauptbahnhof hatte der Beamte allerdings im Einsatzbericht mit einem angeblichen, massiven Angriff des 24-Jährigen begründet – infolge dessen der Bamberger wohl schwer bestraft worden wäre. Danach tauchte, wie berichtet, ein „Entlastungsvideo“ aus Fankreisen auf, das diese konkrete Darstellung widerlegte und den Polizisten letztlich selbst in die Mühlen der Justiz stürzte. Und das ausgerechnet nach einem Einsatz, der von den Beteiligten als absolute Ausnahmesituation beschrieben worden war. Sie seien beleidigt, bespuckt, bedroht worden, beschrieben Polizisten vor Gericht. Könnte dem Angeklagten in dem Drunter und Drüber am Hauptbahnhof „nur“ ein massiver Wahrnehmungsfehler unterlaufen sein? Das Gericht war überzeugt: nein. „Die wissen nicht, wie es in der Realität zugeht“, sagte ein anderer Ingolstädter Polizist am Rande der Gerichtsverhandlung beinahe schon resignierend.

Auch wenn er jetzt erst öffentlich geworden ist, der Suspendierungsfall beschäftigt und belastet die Polizeiinspektion intern natürlich seit mehr als einem Jahr. „Das ist ein ganz großes Thema für uns“, sagte ein anderes Inspektionsmitglied bei dem Prozess. In diesem Wissen erscheint die große Podiumsdiskussion heuer im Juli im Canisiuskonvikt in einem anderen Licht. Sie war auf Einladung des CSU-Arbeitskreises Sicherheit, aber auf ausdrückliche Initiative der Beamten aus der Inspektion zustande gekommen. Damals stand „Gewalt gegen Polizisten“ im Zentrum der Debatte mit Landespolizeipräsident Wilhelm Schmidbauer. Doch schon damals fiel vom Diskussionsteilnehmer der Polizeiinspektion ein Satz gegenüber Ingolstadts Polizeipräsident Walter Kimmelzwinger: Einsatzberichte, die in Papierform beim Präsidenten auf dem Schreibtisch landen, zeigten natürlich nie vollständig, „wie die Situation draußen wirklich war“. Alle im Saal wussten, was damit gemeint war. Das zeigten auch andere Andeutungen der Untergebenen gegenüber dem Dienstherrn, von dem sie sich offenbar mehr Schutz gewünscht hatten. Weil der Schlagstock-Fall „ein laufendes Verfahren“ war, gingen die Kollegen darauf nicht konkret ein. Der Polizeipräsident hatte damals geantwortet: „99,9 Prozent handeln korrekt. Jeder Kollege weiß um das Risiko.“