Ingolstadt
Unappetitliches Geschacher

Bekannte Gastronomenfamilie am Amtsgericht angeklagt

04.12.2014 | Stand 02.12.2020, 21:54 Uhr

Ingolstadt (DK) Nach mehr als vier Stunden war noch immer kein Ende in Sicht. Draußen war es dunkel geworden. Richter Christian Veh hatte längst einen Fortsetzungstermin im Sinn und unterbrach die Verhandlung dann auch. „Das war so nicht zu erwarten“, erklärte Veh den letzten Zeugen, die er ohne Vernehmung heimschickte. Am 22. Dezember geht es in Ingolstadt weiter mit dem Amtsgerichtsprozess, der nicht nur für den Richter eine überraschende Wendung genommen hat – sondern auch für die drei Angeklagten, die einer bekannten Gastronomenfamilie aus dem Landkreis Eichstätt angehören. Sie hatten offenbar auf eine Absprache mit dem Gericht gesetzt, die so aber nicht eintrat.

Die Vorwürfe gegen den Seniorchef und seine beiden Söhne sind auf den ersten Blick gut dokumentiert: durch die Lebensmittelüberwachung des Landratsamtes Eichstätt und die eigenhändigen Unterschriften der Söhne auf zwei notariell beglaubigten Dokumenten. Doch so einfach war es dann doch nicht.

Die dreiteilige Anklage gegen die Familienmitglieder ist „nicht mehr ganz taufrisch“, wie Veh berichtete. Am deutlichsten zeigt es sich daran, dass der Kripobeamte, der einen der Fälle bearbeitete und vor Gericht aussagte, seit eineinhalb Jahren in Pension ist. Der Polizist war mit dem Punkt betraut, der laut Veh am schwersten wiegen könnte. Denn die Söhne des Hauses wollten sich Mitte 2012 zu Geschäftsführern des Gastronomiebetriebs bestellen lassen und unterzeichneten beim Notar einen entsprechenden Antrag. Doch was sie nicht beachteten: Sie waren nach dem GmbH-Gesetz noch gesperrt, weil sie bereits Vorstrafen von mehr als einem Jahr Gefängnis (zur Bewährung ausgesetzt) mitbrachten. Das Amtsgericht hatte die beiden Männer zwei Jahre zuvor wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt mit hohen Strafen belegt gehabt – was einen Bann von fünf Jahren für einen Geschäftsführerposten mit sich brachte.

Zudem liegen zwei weitere Anzeigen auf dem Tisch, die mit den hygienischen Zuständen in dem Lokal zu tun haben. Die Lebensmittelkontrolleure aus Eichstätt stellten 2012 massivere Verunreinigungen an der Schankanlage fest. In den Leitungen für den Apfelsaft seien Rost und andere Verschmutzungen gefunden worden. In der Saftprobe fanden sich laut einer Kontrolleurin hohe Blei- und andere Metallkonzentrationen.

Der Richter war dann überrascht, was die Verteidiger der Gastronomen vortrugen. Sie regten einen Deal an: Wenn ihre Mandanten die Lebensmittelverunreinigungen zugeben, könne man doch den Komplex mit den Unterschriften „wegbeschränken“, wie es im Juristendeutsch heißt, also nicht weiterverfolgen. Veh war fast perplex, weil es – wie er sagte – vor dem Prozess den Vorschlag der Anwälte gab, die Unterschriftensache und einen der beiden Verstöße gegen das Lebensmittelgesetz einzugestehen und dafür den anderen einzustellen. Nun also andersherum? „Das ist doch nicht der Beliebigkeit preisgegeben“, sagte Veh. „Wir sind ja nicht im Teppichgeschäft!“ Als einer der Anwälte dann darauf bestand, man könne das doch genau so machen und den Angeklagten als Ausgleich eine saftige Tagessatzhöhe als Strafe aufbrummen („Der Staat verdient ein Geld!“), riss Veh der Geduldsfaden: „Das ist doch kein Wunschkonzert!“

Nach dem gescheiterten Geschacher stieg er in die mühsame Beweisaufnahme ein. Denn plötzlich stritten die angeklagten Söhne ab, seinerzeit überhaupt eine Führungsfunktion in dem bekannten Lokal gehabt zu haben. Und bevor sie beim Notar quasi zwischen Tür und Angel unterschrieben, hätten sie sich das Dokument und die Ausschlussklausel überhaupt nicht durchgelesen. Durch Zeugenaussagen wird das Gericht das nun überprüfen.