Ingolstadt
Trotz Medikamenten noch gemeingefährlich

Angriff auf Krankenschwester: 27-jähriger Ingolstädter leidet laut Gutachter an paranoider Schizophrenie

07.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:41 Uhr

Ingolstadt (DK) Er hatte die Vermutung, dass die gesamte Welt von Computern gesteuert werde; in der Psychiatrie des Klinikums soll ihm dann eine innere Stimme befohlen haben, auf eine Krankenschwester loszugehen. "Töte sie!", will der 27-jährige Ingolstädter da gehört haben, wie er später einer Psychologin anvertraute.

Jetzt muss - wie bereits am 20. Januar berichtet - das Schwurgericht den bizarren Fall eines mutmaßlichen Wahntäters verhandeln und dazu auch Gutachter anhören.

Ein Psychiater kam beim gestrigen Fortsetzungstermin zu dem Schluss, dass der junge Mann auf der Anklagebank, dem versuchter Totschlag vorgeworfen wird, unter paranoider Schizophrenie mit episodischem Verlauf leidet und deshalb schuldunfähig ist. Eine langfristige Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik wurde empfohlen - auch vor dem Hintergrund, dass der Patient bei der seit dem vergangenen Sommer währenden vorläufigen Unterbringung in einem Landeskrankenhaus und hoher Medikation mit verschiedenen Psychopharmaka noch keine klare Besserungstendenz erkennen lässt.

Der Mann sei trotz dieser Behandlung gegenwärtig noch gemeingefährlich, urteilte der Sachverständige. Für die Plädoyers, die erst am Freitag nächster Woche gehalten werden sollen, ist damit wohl schon eine klare Weichenstellung vorgenommen worden. Die Kammer will dann noch am selben Tag ihr Urteil bzw. ihren nun wohl zu erwartenden Beschluss zur Unterbringung verkünden.

Wie schon nach dem ersten Prozesstag berichtet, war dem dramatischen Vorfall im Ingolstädter Klinikum im vorigen Juli ein denkwürdiger Auftritt des Angeklagten auf der Polizeiinspektion vorausgegangen. Dort hatte sich der seit früher Kindheit als schwierig und eigenbrötlerisch geltende Ingolstädter - so vertraute er später den Ärzten an - eigentlich wegen seiner Weltverschwörungsängste Rat holen wollen, war dann aber unter dem Ausruf "Iluminati!" auf eine Beamtin losgegangen. Als er von der Polizei in die Psychiatrie gebracht worden war, kam es zu dem wesentlich gefährlicheren Angriff auf die Krankenschwester.

Diese Frau (62) sagte gestern aus, dass sie dem Patienten an jenem Abend zunächst auf der Station die Duschen gezeigt hatte. Dort habe er sich plötzlich aber seltsam verhalten, ihr unter verdächtigem Lächeln Komplimente und Andeutungen zu einem größeren, womöglich sexuellen Interesse an ihrer Person gemacht. Als die Krankenschwester, durch 20-jährige Erfahrung auf der Station ausreichend sensibilisiert, daraufhin aus dem Stationsbüro vorsorglich den Notruf betätigen wollte, hatte der ihr nachgeeilte Patient sie angefallen, massiv gewürgt und dann auch noch versucht, ihr das rechte Auge auszudrücken. Einige Patienten und ein zu Hilfe gekommener Pfleger konnten den Angreifer dann nur mit Mühe überwältigen.

Das Würgen mit beidseitigem Daumendruck auf den Kehlkopf der Frau sei potenziell lebensbedrohlich gewesen, urteilte gestern im Prozess ein Gerichtsmediziner. Ein HNO-Arzt hatte bei der Krankenschwester noch drei Wochen später Rückstände von Einblutungen im Kehlkopf festgestellt. Auch die psychischen Folgen des Angriffs sind für die 62-Jährige offenbar noch nicht völlig überwunden. Sie hatte zwei Monate pausieren müssen, war dann wieder zur Arbeit gegangen, "um die Angst zu verlieren", sagte sie dem Gericht.

Eine Psychologin bescheinigte dem Angeklagten gestern eine "gut ausgebildete Intelligenz". Allerdings sei er wegen seines etwas sonderlichen Auftretens schon früh sozial isoliert gewesen und vereinsamt.