Ingolstadt
Stauffenbergs Vermächtnis

"Aufstand des Gewissens": Ausstellung im Schloss schildert den militärischen Widerstand gegen Hitler

23.01.2013 | Stand 03.12.2020, 0:34 Uhr

Ein Schlüsselmoment der deutschen Geschichte: die Konstellation bei der Lagebesprechung in Hitlers ostpreußischem Hauptquartier Wolfschanze am 20. Juli 1944, kurz vor der Detonation der Bombe. Der Diktator ist dank simpler Optik leicht zu erkennen. Das Modell steht im Zentrum der Ausstellung „Aufstand des Gewissens“, die ab heute im Fahnensaal des Neuen Schlosses zu sehen ist. - Fotos: Rössle

Ingolstadt (DK) Wer waren die deutschen Soldaten, die Hitler und seinem Regime den Krieg erklärten? Warum scheiterten sie? Nicht zuletzt: Wie weit waren sie selbst in die Verbrechen der Nazis verstrickt? Diesen Fragen spürt eine Ausstellung der Bundeswehr nach, die gestern im Schloss eröffnet wurde.



Generalmajor Walter Scherff hatte Glück. Er stand Adolf Hitler zwar direkt gegenüber, aber weit genug von der Bombe weg. So wie der Diktator. Die Tasche mit dem Sprengsatz, die Oberst Claus Graf von Stauffenberg an jenem 20. Juli 1944 in einer Baracke des „Führerhauptquartiers“ deponiert hatte, wurde offenbar kurz vor der Detonation von einem Teilnehmer der Lagebesprechung weiter weggestellt – zu weit. Hinter ein Bein des schweren hölzernen Kartentisches. Er dämpfte die Explosion des Plastiksprengstoffs; ein Kilo. Vier Männer starben.

Hitler war nicht unter ihnen. Nur leicht verletzt, besuchte er schon kurz nach dem Attentat Scherff und andere Offiziere, die es heftiger erwischt hatte, im Krankenhaus. Zur gleichen Zeit kollabierte in Berlin der Staatsstreich deutscher Soldaten gegen das NS-Regime. Die „Operation Walküre“ hätte die Katastrophe des Krieges stoppen und so Millionen Leben retten sollen; das Gegenteil trat ein.

Der Umsturz wurde generalstabsmäßig geplant, allerdings kaum von Generalstabsoffizieren. Die meisten hielten selbst im längst ausweglosen Stadium des Krieges treu zu ihrem „Führer“. Die Karten, über die sich die Herren am 20. Juli beugten, offenbarten ein Debakel, aber fast keiner wollte es sehen.

Ein kleines, grob geschnitztes Holzmodell stellt diesen Schlüsselmoment der jüngeren deutschen Geschichte in schlichter Drastik nach: Wer stand wo im Kreis um Hitler, als es krachte? Wer kam um? Die Rekonstruktion bildet das Zentrum der weit gereisten Wanderausstellung „Aufstand des Gewissens“.

Drum herum erzählen Tafeln mit dezent schimmernden Fotos und kurzen Texten die Geschichte des Umsturzversuchs. Wer waren die Offiziere, die den Widerstand wagten? Was brachte sie zu dem Entschluss, ihren Fahneneid zu brechen? Warum scheiterte der Staatsstreich? Was ist das Vermächtnis der Kämpfer des 20. Juli? Und auch: Wieso tat sich die junge Bonner Republik so schwer damit, ein ehrendes Andenken für Graf Stauffenberg und seine Mitstreiter zu entwickeln? Diesen Fragen spürt die Ausstellung nach. Sie ist ein Werk des Zentrums für Militärgeschichte der Bundeswehr und gleichwohl Ausdruck der neuen, sachlicheren Auseinandersetzung mit dem 20. Juli.

Ansgar Reiß, Leiter des Bayerischen Armeemuseums, hob in seiner Eröffnungsrede die Bedeutung des Themas hervor: „Es steht im Zentrum des Selbstverständnisses unseres Hauses sowie des Selbstverständnisses der Bundeswehr, der Armee des Rechts- und Verfassungsstaats.“

Oberst Winfried Heinemann, Stabschef im Zentrum für Militärgeschichte der Bundeswehr, erläuterte in seiner Einführung, „wie schwierig es ist, die Rolle der Soldaten im Widerstand zu vermitteln“, schließlich hatten „viele von ihnen Hitlers Machtergreifung und die Aufrüstung mit Sympathie begleitet“. Nicht zuletzt waren sie auch in Verbrechen des NS-Regimes verstrickt. „Aber sie zogen aus dieser Verstrickung ihre Konsequenzen“, sagte Heinemann. Deshalb sei es unangebracht, die Widerstandskämpfer wegen ihrer – vorübergehenden – Hitler-Begeisterung moralisch zu verurteilen. „Das wäre auch ungerecht, denn viele haben ihr Leben verloren.“ Die Ausstellung wolle den Widerstand erklären und in den historischen Kontext einordnen, aber dabei ausdrücklich „nicht bewerten, nicht verurteilen und auch niemanden hochleben lassen“.

Ein Zusammenhang ist Heinemann besonders wichtig: „Ich bitte zu bedenken, dass es sich um Widerstand gegen den Krieg handelte. Im Verständnis der Verschwörer war das sinnlose Opfer Hunderttausender deutscher Soldaten ein Verbrechen.“ Und: „Der Staatsstreich ist nicht an Unfähigkeit gescheitert, sondern daran, dass zu wenige beteiligt waren. Deshalb schulden wir ihnen umso mehr Respekt.“

 

Die Ausstellung im Bayerischen Armeemuseum (Fahnensaal des Neues Schlosses) endet am 21. April.