Ingolstadt
"Selbst die Feierabendhalbe war durchorganisiert"

Reinhard Brandl absolvierte in Oberstimm die Grundausbildung beim bestens bekannten Jürgen Rindlbacher alias DJ Gandi

29.06.2015 | Stand 02.12.2020, 21:08 Uhr

»Flugabwehrraketenbediener Patriot«: Diese Verwendung in der Oberstimmer Kaserne lernte der heutige Bundestagsabgeordnete Reinhard Brandl (links) seinerzeit im Jahr 1996 von Zeitsoldat Jürgen Rindlbacher, der inzwischen als DJ Gandi bekannt ist - Fotos: Herbert/Pehl

Ingolstadt (DK) Es gab mal eine Zeit, da hat der Reinhard Brandl dem DJ Gandi aufs Wort gehorcht. Ohne Fragen oder gar Widerworte hat der heutige Ingolstädter CSU-Bundestagsabgeordnete alles getan, was Jürgen Rindlbacher (so sein bürgerlicher Name) ihm angeschafft hat. Allerdings geschah dies in seiner Funktion als Oberfeldwebel und Ausbilder bei der Luftwaffe. Und der Abiturient Brandl war noch kein Abgeordneter in Berlin, sondern JU-Mitglied in Eitensheim, der seinen Grundwehrdienst in Oberstimm ableistete.

Fast 20 Jahre ist das schon her, aber DJ Gandi erinnert sich heute noch gern an diese Zeit. Als Berufssoldat war der heute 47-Jährige seinerzeit mit seinen Leuten für die Wartung und Überprüfung der Patriot-Systeme am Manchinger Flugplatz zuständig. „Jeden Tag um 9 Uhr war Nato-Pause“, erzählt er lachend. „Und es gab jeden Tag Leberkäse – und zwar in jeder Form, die man sich nur denken kann: in der Semmel, abgebräunt, überbacken. Gern erinnert er sich auch an die legendäre Kellerbar, wo tagsüber Kaffee getrunken und abends gelegentlich gefeiert wurde. Aufgelegt hat er damals schon – er ist der einzige bekannte Ingolstädter DJ, der das seit 30 Jahren ohne Pause macht.

Und Reinhard Brandl? „Der war sympathisch und lustig“, erinnert sich DJ Gandi: „Immer korrekt, hat die Befehle befolgt.“ Über Politik sei damals nicht gesprochen worden. Ansonsten sei Brandl ein ganz normaler Rekrut gewesen, der wie alle anderen seinen Wehrdienst abgeleistet hat und auf Übungen gegangen ist. „In der Erinnerung geblieben ist seine schnelle Auffassungsgabe. Der hat den Dienst ernst genommen“, erzählt DJ Gandi, der sich gern an seine Zeit als Berufssoldat erinnert: „Ich bin viel rumgekommen, hab Sprachen gelernt und war ein Jahr in den USA.“ Jungen Menschen in der Orientierungsphase könne er nur raten, zur Bundeswehr zu gehen: „Da kümmert man sich um die Leute.“

Auch Reinhard Brandl hat nach eigenem Bekunden „nur schöne Erinnerungen an diese Zeit“ in Oberstimm, wo er im Jahr 1996 von Oberfeldwebel Rindlbacher zum „Flugabwehrraketenbediener Patriot“ ausgebildet worden war. Der 37-Jährige hat – wie wohl die meisten seiner Kameraden – die Bundeswehr in all ihren Facetten kennengelernt. „Selbst die Feierabendhalbe war durchorganisiert“, erinnert sich der Absolvent des Eichstätter Willibald-Gymnasiums. Wie Rindlbacher spricht er noch heute gern von dem „liebevoll eingerichteten Bierkeller in unserem Staffelgebäude“. „Und einmal in der Woche war früher Dienstschluss zugunsten eines ,beer call'“.

Die Bundeswehr war und ist ja berühmt-berüchtigt für ihren Abkürzungsfimmel, der bekanntlich vor nichts haltmacht – auch nicht vor den Soldaten. Selbst im Mannschaftsheim griffen die Abkürzungen um sich. „Mein Frühstück war immer LKS natur (Leberkäsesemmel ohne Senf), erzählt Brandl lachend und bestätigt damit auch Jürgen Rindlbacher. Weder vorher noch jemals nachher habe er in seinem Leben so viel Leberkäse wie während der Bundeswehrzeit in Oberstimm gegessen. Brandl war ja sozusagen „Auszubildender“ bei der Bundeswehr, und deswegen kam er seinerzeit auf dem Kasernengelände nicht überall hin. „Das Offizierskasino war für uns Mannschaften tabu, und dementsprechend haben wir uns dort ein sehr luxuriöses Ambiente ausgemalt“, weiß er heute noch. „Als ich es dann als Abgeordneter endlich das erste Mal betreten durfte, da war ich fast etwas enttäuscht: von Luxus keine Spur.“

Brandls Fazit fast zwei Jahrzehnte später: „Man weiß nie, für was man etwas lernt. Als Ausscheider dachte ich nicht im Traum daran, dass ich mit meinem Wissen über Patriot noch jemals etwas anfangen kann. Heute im Verteidigungsausschuss hilft es mir enorm, wenn wir über die Ablösung des Systems Patriot durch MEADS diskutieren“, so das Bundestagsmitglied im Haushalts- und Verteidigungsausschuss. „Wobei es für mich 2011 schon bitter war, als angekündigt wurde, dass ausgerechnet die Kaserne in der man selbst gedient hatte, geschlossen wird. Als Abgeordneter habe ich monatelang mit Argumenten dafür gekämpft, die Flugabwehrraketen in Süddeutschland zu belassen und die Kaserne in Oberstimm zu erhalten. Leider erfolglos! Und so geht heute auch ein Stück meiner persönlichen Bundeswehrgeschichte zu Ende.“