Ingolstadt
Massiver Ärger wegen zweier Knallkartuschen

03.02.2010 | Stand 03.12.2020, 4:17 Uhr

Ingolstadt (reh) Die beiden Beweisstücke sind gerade neun mal 19 Millimeter groß; doch gestern Vormittag bildeten sie den Mittelpunkt eines Prozesses am Amtsgericht, der einen Polizisten aus Ingolstadt beinahe teuer zu stehen gekommen wäre.

Der 48-Jährige war wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz angeklagt, weil es sich bei den beiden Gegenständen um zwei Knallkartuschen handelt, die bei ihm im Privathaus gefunden worden waren. Doch Einzelrichter Peter Hufnagl sprach den Mann frei.

Der Fund der Platzpatronen liegt bereits eineinhalb Jahre zurück. Damals tauchten ausgerechnet die eigenen Kollegen bei dem Polizisten auf und durchsuchten sein Haus. Die Razzia lief in Zusammenhang mit Ermittlungen gegen eine Hehlerbande, mit der der Polizist zu tun gehabt haben soll. Bei der juristischen Aufarbeitung dieses Falles stand der 48-Jährige bereits Ende 2008 vor Gericht und wurde zu einer 15-monatigen Bewährungsstrafe wegen Bestechlichkeit, Geheimnisverrats und versuchter Strafvereitelung verurteilt, was das Ende seiner Polizeikarriere bedeuten würde. Allerdings ist das Urteil nicht rechtskräftig. Die Verteidigung legte Rechtsmittel ein. Für die Verhandlung an der Berufungskammer des Landgerichts steht nach wie vor kein Termin fest, bestätigte der Vorsitzende Richter Georg Sitka gestern auf DK-Nachfrage.

Dafür war sein Kollege Hufnagl gestern mit dem Teil der Razzia beschäftigt, beim dem "als Abfallprodukt die Knallkartuschen gefunden wurden", wie Hufnagl sagte.

Bis Mitte 2003 hätte man die Patronen beim Ordnungsamt legalisieren können. Seitdem sind sie aber verboten, was den Polizisten trotz Waffenbesitzkarte und Waffenscheins in die Bredouille brachte. In seinem Haus stießen die Kollegen auf einen Schuhkarton, der unter anderem mit einer Hand- und einer Gewehrgranate gefüllt war. Alles aber Übungsgeschosse ohne Treibmittel, die somit nicht unter das Waffengesetz fallen. "Die können Sie sich auf den Schreibtisch stellen oder als Spielzeug verwenden, wenn Sie wollen", sagte Richter Hufnagl.

Der Schuhkarton stamme von seinem Vater, erklärte der angeklagte Polizist. Er habe die Schachtel nach dessen Tod mit anderen Sachen zu sich ins Haus geholt. Der Vater war bei einem Reservistenverband, alle Fundsachen stammen von der Bundeswehr, bestätigte ein Gutachten des Landeskriminalamtes. Das gelte auch für die Knallkartuschen, die 1968 und 1978 hergestellt wurden.

Allerdings konnte keiner der beteiligten Beamten sagen, wo die Patronen im Haus gefunden worden waren. Im Karton? Woanders? Das Protokoll der Kriminalpolizei über die sichergestellten Objekte wies ausgerechnet hier eine Lücke auf. Der Angeklagte sagte, er habe keine Ahnung von den Patronen gehabt. "Für mich ist es ein glatter Freispruch", forderte deshalb sein Verteidiger Walter Gräf.

Oberstaatsanwalt Christian Veh sah das anders: "Der Fundort spielt nicht die entscheidende Rolle. Klar ist, die Sachen wurden zusammen gefunden. Das ist alles von der Bundeswehr und gehört auch zusammen. Will man uns denn wirklich glauben machen, dass der Sohn des Angeklagten die Patronen gefunden hat"

Veh forderte eine Geldstrafe von 1500 Euro. Doch bei Richter Peter Hufnagl überwogen die Zweifel: "Es reicht nicht dafür, dass man ihm das alles nachweisen kann." Wenn es die durchsuchenden Beamten nicht mehr sagen könnten und das Sicherstellungsprotokoll nicht aufliste, "dann weiß ich einfach nicht, wo die Kartuschen gefunden wurden." Daher müsse es heißen: "Im Zweifel für den Angeklagten."