Ingolstadt
Jobs, die auch beim Sparen helfen

Arbeitslose finden in der Bürgerarbeit eine neue Herausforderung – zum Beispiel als Energiesparberater

08.06.2012 | Stand 03.12.2020, 1:24 Uhr

 

Ingolstadt (DK) Ihre Arbeit beginnt im Uhrzeigersinn: „Wir machen das so, damit wir nichts auslassen“, sagt Agathe Demel (32), studierte Wirtschaftsanglistin und zurzeit angestellt beim städtischen Unternehmen in-arbeit. Ihr Kollege Thomas Reichel (44), gelernter Industrieelektriker, richtet derweil die Utensilien für den Rundgang von Zimmer zu Zimmer her: Energiesparbirnen, ein Strommessgerät, abschaltbare Steckdosenleisten und eine auf den ersten Blick recht sonderbare Tüte.

Dann platziert er ein Thermometer im Kühlschrank von Nashaat Bindiyan. „Am Ende des Termins schauen wir dann nach, ob er die richtige Temperatur hat“, sagt er. Sieben Grad sollten es sein. Die Wohnung des Arbeitslosengeld-II-Empfängers wird heute von den beiden Energiesparberatern auf Stromfresser untersucht. Und das völlig kostenlos. Ein besonderer Service für Menschen in prekären Lebenssituationen und derzeit eines der Vorzeigeprojekte, das von in-arbeit für Hilfeempfänger angeboten wird. Denn diese Zielgruppe würde eine solche Dienstleistung sonst nicht in Anspruch nehmen, wissen Demel und Reichel. Dabei ist es gerade für diese Menschen wichtig, Strom zu sparen, weil die Kosten vom Regelsatz zu tragen sind. Der andere positive Effekt: Demel und Reichel, beide selbst arbeitslos gewesen, haben so bis Jahresende einen festen Job in der Bürgerarbeit. Verlängerung nicht ausgeschlossen. Die sonderbare Tüte hängt Bindiyan unter den Wasserhahn in der Küche und dreht auf. 15 Sekunden lang fließt Wasser in den Messbeutel. Daraus wird der Durchlauf pro Minute errechnet. Ist der zu hoch, baut Reichel Durchlaufbeschränker ein.

„Die Projekte ‚Energie und Umwelt’ und ‚Miteinander im Stadtbezirk’ sollen sich gegenseitig ergänzen“, sagt Michaela Piesch, Prokuristin bei in-arbeit. Derzeit beschäftigt das Unternehmen 75 Bürgerarbeiter in insgesamt 26 Projekten. Dabei hatte das Vorhaben bis vor einem Jahr noch gewaltige Anlaufschwierigkeiten. Die Bürokratie machte den Planern bei in-arbeit immer wieder zu schaffen. Resignation kam auf. Nun sind alle Bürgerarbeiter direkt bei der Stadttochter angestellt, die höchsten Hürden beim Vorankommen, Menschen wieder in Arbeit zu bringen, damit überwunden.

Über Hürden geht es bei ihren Touren durch Ingolstadts Mitte für Renata Strasser, Ulrich Listl und Hristina Kostadinova nicht. Das Mobilitätsteam von in-arbeit kontrolliert Parks, Wege und Plätze auf Ordnung und Sauberkeit. Auf der Schanz wird Listl auf am helllichten Tag brennende Straßenbeleuchtung und eine von Gebüsch fast zugewachsene Sitzbank aufmerksam. „Die gehört mal wieder ausgeschnitten“, sagt er und nimmt sie in das Protokoll mit auf. Dieses wird nach Ende der zweistündigen Tour beim Beschwerdemanagement der Stadt Ingolstadt erfasst, damit Missstände durch die zuständigen kommunalen Stellen beseitigt werden können. Auch auf unschöne Anblicke, verursacht durch Zerstörungswut, oder auf vermüllte Ecken, stößt das Team immer wieder. Die Gruppe spricht außerdem Leute an, die ihre Hunde auf öffentlichen Wegen nicht vorschriftsmäßig angeleint führen. Oder bietet von sich aus Hilfe an, wenn ältere Menschen, mit schweren Taschen beladen, nicht mehr vorankommen. Hier herrsche unter der Bevölkerung aber noch Aufklärungsbedarf, hat Strasser festgestellt. „Ich helfe mir schon selber“, bekommt die 50-Jährige oft zu hören.

Wer sozial benachteiligt ist und Hilfe braucht, der wendet sich telefonisch an die Zentrale von in-arbeit im Kolpinghaus. Dort nehmen Teamleiter Christian Müller (31) und Hannes Henrici (31) die Anliegen entgegen. Sei es eine Begleitung zum Arztbesuch, Unterstützung beim Einkauf oder um schwere Sachen auf den Friedhof zu bringen – die beiden Männer disponieren, was an Aufträgen eingeht und teilen die Kollegen entsprechend ein. Manchmal müssen sie Wünsche aber auch ablehnen: „Da kommen dann Anfragen, ob wir beim Umzug helfen können. Das dürfen wir aber nicht“, sagt Müller. Seine Aufgabe bei in-arbeit findet der gelernte Metzger „super“. „Weil wir uns das selbst erarbeitet haben.“ So kümmert sich das Team auch um Werbemaßnahmen, erstellt Flugzettel und spricht potenzielle Kunden direkt an der Quelle an: „Zum Beispiel im Sozialen Rathaus“, so Müller.